Area Control in kindgerecht. Kann das funktionieren? Wonderlands War ist ja nur rein vom Thema her was für Kids. Lost Lights sieht dagegen wirklich putzig-kindlich aus und man denkt sich „ach ja, was für die Kleinen“. Und dann kommt noch die Tatsache hinzu, dass es sich um ein Area Control-Spiel für zwei Personen handelt. Das kann doch auch nix sein, oder? Und ja, so denkt man sich das alles vielleicht. Jedoch muss ich bereits hier sagen, ohne mein Fazit zu sehr vorwegnehmen zu wollen (bzw. wer unseren Podcast hört, kennt vielleicht schon Roys Meinung zum Spiel, die zu meiner passt): Zwei Mal falsch gedacht! Lost Lights ist spielerisch das genaue Gegenteil von putzig und Area Control for two funktioniert wirklich prima!
Aber fangen wir wie immer mal beim Haptischen an. Die kleine, sehr kompakte Box enthält ein schickes Spielbrett, einen Stapel toll gestalteter Karten, ein paar Würfel und 30 Meeple in zwei Formen. Dazu gibt es eine Anleitung, die wie ein Märchenbuch wirkt und eine – um in dieser Analogie zu bleiben – märchenhafte Regelbeschreibung enthält. Märchenhaft meint hierbei nicht nur das grundsätzliche Setting im Märchenwald, sondern meint auch vorbildlich, denn die Regeln sind kurz, knapp, prägnant und glasklar beschrieben und lassen sich Ruck-Zuck anderen erklären. Perfekt also, um die lieben Kleinen in die Welt des Area Controls einzuführen? Hm…um auch das mal vorwegzunehmen: Nur wenn sie nicht all zuuu klein sind und auch mal was einstecken können.
Denn trotz der putzig-süßen Optik und Haptik ist Lost Lights eben doch ein „richtiges“ Area-Control mit allem Drum und Dran. Unsere Landkarte ist dabei in 3 Regionen zu je 3 Gebieten geteilt. Jede Seite bekommt 15 Figuren der eigenen Farbe in die Reserve. Der Stapel an Charakterkarten wird gemischt und zentral bereit gelegt. Das Spiel besteht aus 2 Phasen, die ihrerseits unterteilt sind. In Phase 1 werden zuerst die Karten gedraftet, die man in dieser Partie nutzen möchte. Jede/r zieht zwei Karten, behält davon eine und gibt die andere ans Gegenüber ab. Das macht man, bis jede/r 10 Karten hat. Alle übrigen Karten landen in der Box. Es spielen also nie alle Charaktere mit. Was diese Karten können, dazu komme ich gleich. Anschließend werden abwechselnd je eine Figur auf das Spielbrett gestellt, bis eine Person dort 3 und die andere 2 Figuren hat. Man darf auf ein Gebiet auch mehr als eine eigene Figur setzen, aber nicht in Gebiete, in denen eine gegnerische Figur steht.
In Phase 2 findet nun das „eigentliche“ Spiel statt (was von der Aussage her nicht so ganz zutrifft, doch dazu später mehr). Und hier kommen nun die Karten zum Tragen: Auf den Karten stehen oben links Aktionspunkte. Um etwas tun zu können, muss man eine Karte abwerfen und kann nun für jeden Punkt entweder eine Figur in ein Gebiet setzen, in dem man schon eine Figur hat, oder beliebig viele Figuren eines Feldes in ein benachbartes Gebiet verschieben. Dies macht man, bis man keine Aktionspunkte mehr hat. Anschließend wird geschaut, ob die Figuren beider Spielenden gemeinsam in einem Gebiet stehen und es kommt zum Kampf – bzw. wenn dies nicht der Fall ist, ist einfach die andere Person an der Reihe mit ihren Aktionen. Während des Kampfes brauchen wir ebenfalls unsere Karten: beide Seiten spielen eine Karte und decken sie gleichzeitig auf. Der Kampf hat 5 Phasen, die mit Symbolen gekennzeichnet sind (die aber keine Namen haben). Die Fähigkeiten der Karten wirken sich in der Regel während einer dieser Phasen aus, manchmal zu beginn, manchmal während der Ermittlung der Kampfstärken und manchmal erst am Ende. Das Besondere: Jede einzelne Karte im Spiel hat eigene Fähigkeiten, es gibt keine zwei gleichen Karten. Zum Ermitteln der Kampfstärke zählt jede Seite die Anzahl der eigenen Einheiten im Gebiet und wirft entsprechend viele Würfel. Von diesen wählt man dann genau einen aus. Man darf hier auch Neuwürfeln, muss dafür aber eigene Figuren aus dem Vorrat für immer opfern. Das will also gut überlegt und sparsam eingesetzt werden. Der Kampfwert ergibt sich nun aus dem besagten Würfel plus der Anzahl der eigenen Einheiten im Gebiet plus dem Kampfwert der gespielten Karte. Wer die größte Kampfkraft hat gewinnt und bei Gleichstand gewinnt die verteidigende Seite. Die verlierende Person muss alle eigenen Einheiten aus dem Gebiet abziehen und in ihren Vorrat legen. Das macht man nun mit allen Kampfgebieten, bis die nächste Person an der Reihe ist.
Das Spiel endet, wenn beide Seiten keine Karten mehr haben (also wenn man nie kämpft nach 10 Runden, in der Regel natürlich aber deutlich schneller) oder sobald eine Person keine Figuren mehr auf der Landkarte hat. Es gewinnt im zweiten Fall natürlich die andere Person und im ersten Fall wird gewertet: Es gibt einen Punkt für jede Figur auf der Landkarte und sogar 2 Punkte je Figur, die in einer kontrollierten Region (= man kontrolliert min. 2 Gebiete dieser Region) stehen. Nach ca. 20 Minuten ist das alles gelaufen und in der Regel schreit die verlierende Seite geradezu nach einer Revanche.
Und somit ist Lost Lights genau betrachtet eigentlich geradezu knallhart. Kein Spiel für sanfte pädagogische Konzepte, sondern ein kontinuierliches auf die Mütze, bis eine/r weint. Aber aufgrund der wirklich einfachen Mechanik und der super kurzen Spielzeit tut das gar nicht so weh, weil man sich einfach ganz schnell in einer zweiten Runde revanchieren kann. Und das Besondere ist, dass beide Phasen des Spiels absolut relevant sind. Denn während des Draftings ist man ständig hin und her gerissen, welche Karte man für sich nimmt und welche man sehenden Auges der Konkurrenz überlässt (die sie auch garantiert nutzen wird!). Wähle ich nun viele Aktionspunkte oder einen hohen Kampfwert oder doch die tolle Fähigkeit und was hab ich da überhaupt schon für eine Mischung zusammen gedraftet? Das ist also nicht nur Vorgeplänkel, sondern elementarer Bestandteil des Spielgefühls. Und natürlich prägen sich die Karten sehr schnell ein und erzählen irgendwann ihre eigenen Geschichten. Toll!
Ähnliches wiederholt sich dann in der zweiten Phase. Da ich immer Zugriff auf all meine Karten habe, bin ich ständig am Abwägen, wann ich welche davon spiele und wofür. Und ja, ob es das Würfeln im Kampf wirklich braucht, darüber lässt sich streiten. Aber nur, solange man das Spiel nicht gespielt hat. Denn letztlich sind die Würfelwerte zum Einen ein nettes Zufallselement ohne das das Spiel zu verkopft werden könnte – und zum anderen stehen hier die Kampfwerte der Karten und deren Fähigkeiten entgegen, mit denen sich Würfel manipulieren lassen. Und das Neuwürfeln gegen Einheitenopfern gibt es ja auch noch.
Und da stehe ich nun, mit einem kleinen, kompakten, zuckersüßen Spiel, das die Zähne fletscht und uns dazu auffordert, einander nieder zu machen. Und das dabei richtig viel Spaß für Klein und Groß, für Alt und Jung bringt, sich angenehm fluffig und schnell spielt. Und das noch dazu und ohne Probleme daheim, im Garten oder im Urlaub gespielt werden kann. Eine tolle Mischung und dadurch für mich ein absoluter Keeper!
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Lost Lights von Julius Hsu
Erschienen bei Board Game Circus
Für 2 Spielende in 15 - 25 Minuten ab 10 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Board Game Circus)
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