Als Ende 2023 die Show „Die Verräter“ bei RTL angekündigt wurde, fragte ich mich, ob das wirklich funktionieren kann, dass man aus einem Brettspiel wie Werwölfe nun eine Fernsehshow macht. Das Resultat hatte mich dann wirklich positiv überrascht und mich für kurze Zeit wieder zum linearen TV zurückgeführt. Und dann kam das Spiel zur Show, die ja eigentlich schon eine Show zu einem Spiel war heraus. Das verwunderte mich zuerst ein wenig, aber letztlich war ja auch die Show nicht „100% Werwölfe“. Und genau das zeigt sich nun auch im Spiel, dass sich dementsprechend sogar recht deutlich von dem Social-Deduction-Urgestein unterscheidet.
Und das beginnt schon bei den Komponenten. Es gibt ein Spielbrett und jede/r wählt sich einen Bereich darauf aus, schnappt sich einen Kartenständer und eine Abstimmungskarte , 3 Silbermünzen und einen Silberbarren, Stift, Papier und Augenmaske sowie eine Spielübersicht. Zudem gibt es ein Deck an Belohnungskarten, Rollenkarten (Loyaler oder Verräter) und ein Abenteuerdeck. Letzteres ist dabei das eigentlich entscheidende: Das Spiel kommt mit 6 Abenteuern daher, die jeweils einen anderen Spielablauf gewährleisten. Die Verräter-Rollenkarte einer Runde stammt nämlich immer aus diesem Abenteuerdeck und auf dieser steht nicht nur drauf, dass er/sie Verräter ist, sondern hier kommen auch besondere Aufträge für dieses Abenteuer drauf. Merke also: Es gibt immer nur genau einen Verräter (was ein Unterschied zur Show ist). Das Ziel jedes Abenteuers ist dabei aber immer das Gleiche: Wir müssen als Team möglichst viel Silber anhäufen und die beiden Mitspielenden mit dem meisten Silber treten sich letztlich im Endkampf entgegen. Der oder die Verräter/in versucht dabei immer, die geheimen Aufträge der eigenen Karte zu erfüllen. Denn dann darf er/sie in der Nacht einen Loyalen um die Ecke bringen.
Gespielt wird jedes Abenteuer in genau 4 Spielrunden, die jeweils aus 4 Phasen bestehen: Mission, Runder Tisch, Waffenkammer, Nacht. Wer die RTL-Show gesehen hat, wird sich sicherlich erinnern. In der Missionsphase werden Silber verdient und Verrätermissionen ausgeübt. Um Silber zu verdienen, müssen die Spielenden die Missionen erfüllen, die im Abenteuerdeck enthalten sind. Hier kommen dann auch die Augenmasken ins Spiel. Denn damit der Verräter seine Mission überhaupt lesen kann, ziehen alle für 20 Sekunden die Masken auf (dafür wird ein Timer auf einem Smartphone oder einem Sprachassistenten oder ähnliches benötigt). Dann versuchen alle gemeinsam, möglichst viel Silber zu sammeln. Und auch wenn ich hier nichts spoilern möchte, da das Spiel durchaus davon lebt, dass man in jedem Abenteuer etwas anderes machen muss, kann ich an dieser Stelle sagen, dass die Aufgaben mitunter ganz witzig sind und dass man als Verräter niemals versucht, das Silbersammeln zu sabotieren (was ja auch keinen Sinn machen würde). Beim runden Tisch wird dann Trashtalk betrieben und die Runde diskutiert, wer hier der/die Verräter/in ist und stimmt über die Person ab. Wer die meisten Stimmen hat, wird verbannt. In der Waffenkammer-Phase werden konfrontative Aufträge gespielt und wer gewinnt, darf eine Belohnungskarte ziehen. Hier warten Schutzschilder vorm ermordet werden, Dolche um am runden Tisch eine doppelte Stimme zu haben oder Silber. Dann folgt die Nacht (natürlich mit Augenmasken), in der gemordet wird.
Apropos verbannen und ermorden: Es gibt hier keine (direkte) Spielenden-Eliminierung. Wer verbannt wird, verliert schlicht 2 Silbermünzen, darf aber ganz normal mitspielen. Wer ermordet wurde, verliert ebenfalls 2 Silber (die man erst am Ende an den Verräter abgibt) und darf am runden Tisch nicht mehr mitdiskutieren und abstimmen. Nach vier Runden kommt es zur Auflösung, wer der Verräter war. Er/sie liest die eigenen geheimen Aufträge vor und es wird nochmal geprüft, ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Wer zu Unrecht ermordet wurde, muss keine Münzen abgeben und bekommt sogar noch eine Entschädigung, während der Verräter zusätzlich bestraft wird. Außerdem erhalten alle, die am runden Tisch den richtigen Verräter getippt hatten, nochmal einen Bonus. Nun wird geschaut, welche zwei Mitspielenden das meiste Silber haben. Diese beiden schnappen sich eine Karte und Schreiben entweder Verräter oder Loyaler auf ihre eigene Karte und bestimmen damit, welche Rolle sie selbst nun einnehmen. Dann werden die Karten umgedreht. Steht auf beiden Loyal, teilen sie sich den Pott und gewinnen beide. Hat aber genau eine/r Verräter auf den eigenen Zettel geschrieben, so gewinnt diese Person allein das Spiel. Haben beide Verräter draufgeschrieben, gewinnt der/die Drittplatzierte das Spiel.
Letztlich wurde also das Konzept der Fernseh-Show wirklich gut in ein Brettspiel gegossen. Das allein sagt aber natürlich noch nichts über den Spielspaß aus. Dieser hängt natürlich ganz stark von der Zusammensetzung der Spielgruppe, aber auch vom „Missionsdesign“ ab. Und ohne zu viel zu verraten, sind die Missionen für Phase 1 wirklich schön abwechslungsreich und kurzweilig ausgedacht und fallen eindeutig in die Kategorie „Minispielsammlung“. Da ist von „gelangt mit x Klicks auf Wikipedia von Artikel A zu Artikel B“ über „Schätzt Mitspieler A hinsichtlich Y ein“ bis hin zu „gebt diese Karte mit den Füßen im Kreis weiter“ alles dabei. Im Kontrast zum recht düsteren Material/Cover also eher ein wenig albern. Ähnlich ist es bei den Waffenkammer-Missionen. Aber ich sag mal so: Dafür kann man das Spiel auch super mit Kindern spielen. Die Aufträge der Verräter beziehen sich dabei immer auf die „Missionen“, hier möchte ich aber tatsächlich nicht spoilern, aber sagen, dass es immer ein schmaler Grat ist, den man da entlang tanzt. Denn wenn man sich geschickt anstellt, kann man die eigene Rolle recht leicht vertuschen und den Verdacht auch leicht auf andere lenken, denn die Mitspielenden kennen die geheimen Missionen ja nicht.
Und da kommt das eigentliche „Problem“ des Spiels: Nach den sechs Abenteuern kennen alle die geheimen Missionen der Verräter und auch die Minispiele haben sich irgendwie ausgespielt. Andererseits wird es für Verräter in einer Runde, die die Missionen kennt, natürlich deutlich schwerer, sich bedeckt zu halten, was wiederrum auch spannend sein kann – wenn man denn nochmal Lust auf die Minispiele hat. Und so die „Die Verräter“ in meinen Augen nicht das, was ich ursprünglich mal dachte, was es wäre. Denn ehrlicherweise dachte ich an eine Lizenzgurke. Grade bei dem doch erstaunlichen niedrigen Preis. Gut, die Qualität der Materialien ist jetzt in keinster Weise überragend. Aber was man hier für teilweise unter 20 Euro bekommt, bringt durchaus einiges an Spaß - vorausgesetzt man hat eine Gruppe, die sich auch gern mal zum Affen macht oder in der Kinder dabei sind. Natürlich nicht die jüngsten, da sie sich zu schnell verraten, wenn sie mal der Verräter sind. Und nein, es ist jetzt keine Social-Deduction-Revolution, was hier geliefert wird und ja, es nutzt sich sehr schnell ab, aber Spaß bringt es trotzdem - wenn man sich darauf einlässt.
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Die Verräter - Vertraue niemandem!
Erschienen bei Goliath Games
Für 4 bis 6 Spielende in ca. 40 - 60 Minuten ab 12 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Goliath Games)
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