Ist euch Rogue ein Begriff? Dieses Spielprinzip aus der digitalen Welt, in der es gilt, in einer bockschweren und feindlichen Welt zu überleben, ständig aus den Latschen gehauen zu werden, wieder aufzustehen, sich selbst Strategien zu entwickeln und mit jedem Versuch immer ein Stückchen besser zu werden? Ihr kennt die Dark Souls-Reihe und findet den Spielspaß grandios? Dann ist Assault on Doomrock genau das richtige für Euch. Denn dieses Brettspiel kommt in seinem durchaus farbenfrohen Look daher, man denkt „ach ja, das könnte ein nettes Abenteuer werden“ und spätestens im ersten Kampf merkt ihr, wie gnadenlos und grausam es sein kann. Und schnell lässt Euch das Spiel schier verzweifeln, wenn ihr nicht genau wisst, was ihr tut. Doch dieses Wissen müsst ihr Euch erstmal schmerzhaft erkaufen. Wenn Eure persönliche Frustrationstoleranz also irgendwo zwischen „hab ich noch nie von gehört“ und dem inneren Wunsch eines Tableflip bei einer Niederlage liegt, dann solltet ihr auf jeden Fall einen großen Bogen um das Spiel machen.
Klingt alles sehr hochtrabend, ist von mir aber wirklich ernst gemeint. Um das zu verdeutlichen gehe ich nicht direkt auf die Komponenten ein, wie ich es sonst tue, sondern schildere mal meine erste Partie mit dem Spiel, damit ihr gleich selbst entscheiden könnt, ob sich das Weiterlesen für euch lohnt: Wir sind mit zwei Helden gestartet, einem Krieger und einem Hexer. Laut Anleitung gehören beide zu den leichter zu spielenden Klassen und eigenen sich für den Einstieg. Eine komplette Runde Assault on Doomrock besteht aus drei Kapiteln und jedes Kapitel besteht aus zwei Phasen. Phase 1 ist das Abenteuer, hier besucht man verschiedene Orte, sammelt Marker, Beute und im Idealfall Silber zum Leveln der eigenen Helden. Ist die Abenteuerphase rum, geht es in den Kampf. Es gibt einen Tutorialkampf, der vor dem ersten Spielen empfohlen wird, damit man lernt, worauf man bei der Abenteuerphase achten sollte. Haben wir natürlich ignoriert, weil…mal ehrlich…ein bisl kämpfen kann ja nicht so schwer sein, wir spielen einfach direkt „richtig“. Ach ja…Hochmut kommt vor dem Fall. Der Kampf in Akt 1 hatte es dann schon ordentlich in sich. Der Hexer starb sehr schnell, am Ende konnte der Krieger mit einem übrigen Lebenspunkt und quasi dem letzten Schlag den Kampf in der letzten Runde noch gewinnen. Hätte er es nicht geschafft, wäre das Spiel hier für uns zu Ende gewesen. Der Hexer durfte also mit 1 Lebenspunkt wiederbelebt werden und wir nutzten die zweite Abenteuerphase zum heilen (ja, das muss man dann selbst machen) und leveln (wobei das eher spärlich war) und um Ausrüstung zu bekommen. Frisch gestärkt ging es in den Kampf von Kapitel 2 und tatsächlich konnten wir auch diesen schweißgebadet überstehen. Na also, ist zwar eine Herausforderungen, aber alles gar nicht so schwer, wie es die Anleitung an diversen Stellen schreibt. Da wir in Kapitel 2 aber schon alle Orte erforscht hatten, blieb uns für Kapitel 3 nur ein Ort übrig – weil wir natürlich noch dazu die Regeln nicht richtig gelesen haben und dachten, das Deck mit den Ortskarten wird nur einmal erstellt; tatsächlich muss man aber für jedes Kapitel ein neues Deck erstellen; schön blöd von uns eben... Dadurch konnten wir uns weder umfassend heilen noch so richtig leveln (gut, dass dafür notwendige Silber hätten wir eh nicht gehabt). Also auf nach Doomrock und zum Endgegner. Und da standen wir dann in unserem kurzen Hemd. Denn dieses Viech hatte plötzlich eine Rüstung von 15. Heißt: Wir müssen mehr als 15 Schaden mit einem Schlag machen, um überhaupt Schaden zu verursachen. Hätten wir einen …-Marker gehabt, hätten wir seine Rüstung auf 6 reduzieren können. Hatten wir aber nicht. Hätten wir das wissen können? Ja, denn das Spiel bietet einem die Möglichkeit, während der Abenteuer die kommenden Gegner zu erkunden. Haben wir in unserem Hochmut natürlich nicht gemacht. Außerdem hätten uns die Marker am Ende auf nichts geholfen. Denn selbst wenn wir die Rüstung zwei Runden lang auf 6 reduziert hätten, konnte keiner unserer Helden mehr als 6 Schaden pro Schlag verursachen. (Und auch aus heutiger Sicht: Selbst wenn wir in Kapitel 3 noch ausreichend Orte gehabt hätten, wären wir trotzdem noch viel zu schlecht gewesen, um siegreich aus der Partie zu gehen.) Was haben wir also gemacht? Richtig. Das Spiel komplett frustriert beendet, ohne überhaupt zu kämpfen. Bis dahin hatten wir zwei Stunden gespielt und letztlich war das Spielerlebnis am Ende eher negativ – obwohl es uns bis hierhin wirklich Spaß gemacht hat. Uns war aber durchaus bewusst, dass wir selbst dran Schuld waren, da wir so ziemlich alle Hinweise, die das Spiel und die Anleitung einem so mitgeben ignoriert haben und dachten, Assault on Doomrock wär „auch nur eine andere Art Dungeoncrawler“. Mmmmm…nein, ist es nicht.
Für alle, die jetzt noch nicht abgeschreckt sind, komme ich nun mal kurz auf den Inhalt der Box zu sprechen. In dieser finden wir viele unterschiedliche Karten, viele Tokens, eine Handvoll Würfel und da es die „Ultimative Version“ ist, eben auch Erweiterungs-Module. Leider werden in der Anleitung auch zwei Module erklärt, die nicht Teil der Schachtel sind (die Roguelike-Erweiterung und die Spezialwürfel), was in meinen Augen das Wort „ultimativ“ ein wenig enwertet. Grade weil in der Anleitung an mehreren Stellen auf die Spezialwürfel eingegangen wird. Aber sei’s drum. Das Material fühlt sich sehr gut an und sieht auch auf dem Tisch super aus. Die Ortskarten sind schön groß und die Kampfkarten übergroß. Ein bisschen verwirrt war ich, weil die Anleitung ständig davon spricht, wie man den Kampfschauplatz aufbauen sollte. Anfangs dachte ich, es fehlt hier irgendwas, weil es keinen Kampfschauplatz gibt, nur zwei Marker, die eine „imaginäre Linie“ ziehen sollen. Und tatsächlich gibt es weder ein Board noch eine Pappe oder ähnliches auf dem gekämpft wird, sondern der Kampf findet unmittelbar auf dem Tisch statt. Sofern man nicht die optionale Neoprenmatte besitzt, versteht sich. Das Wort „ultimativ“ bekommt also noch einen kleinen Schlag ins Gesicht und ich frage mich durchaus, ob das Spiel – rein auf’s Material beschränkt betrachtet – wirklich so teuer sein muss. Ich glaube irgendwie nicht. Aber wie war das eben: sei’s drum, denn die Kosten eines Spiels sollte man ja nie ausschließlich mit dem gebotenen Material vergleichen, sondern auch mit Spielspaß über Zeit. Wie schaut es also damit aus?
Den reinen Spielablauf habe ich oben bereits beschrieben und letztlich ist Assault on Doomrock genau das: für alle, die eine echte Herausforderung suchen, die scheitern möchten, um besser zu werden, die vielleicht auch die Souls-Reihe toll finden, aber vom Souls-Brettspiel enttäuscht sind, für alle, die es lieben die eigene Vorgehensweise in einem Spiel zu optimieren und die Spiele mögen, bei denen man mit jeder Partie immer ein Stückchen besser wird, bis man es endlich schafft, das Ende zu erreichen. Für all jene ist es genau das richtige. Und wer nun etwas abgeschreckt aber doch interessiert ist, darf mal ein Blick auf die Zusatzmodle werfen, die enthalten sind. Denn hier wird es skurril. In „normalen“ Spielen machen Zusatzmodule ein Spiel ja schwerer, herausfordernder. Hier heißt es aber ganz oft „spielt das Spiel erstmal normal, und wenn ihr merkt, dass es zu schwer für Euch ist, nehmt die Zusatzmodule x und y dazu, um Euch das Spiel zu erleichtern“. Und es ist tatsächlich so, dass der Schwierigkeitsgrad der Kämpfe durch die Zusätze sinkt. Gleichzeitig steigt aber natürlich die Komplexität der Regeln und der Spielablauf an sich wird ein wenig umfangreicher. All zu viel ist dafür zwar nicht dabei (da die beiden hauptsächlichen Module, wie bereits erwähnt nicht in der Box sind), aber Haustiere und Spezialterrain helfen durchaus ein wenig weiter. Obendrauf gibt es noch eine Art Automa für das Solo-Spiel (man kann natürlich auch ohne diesen Solo spielen, indem man einfach zwei Helden spielt) und ein paar alternative Spielmodi.
Unterm Strich ist mein Eindruck von Assault on Doomrock nun zwiegespalten. Ich mag die Mechaniken. Ich finde die Abenteuer-Phase macht wirklich Spaß, auch wenn hier die Vorbereitung auf den nächsten Kampf im Mittelpunkt steht und nicht etwa das Erkunden an sich. Und die Kämpfe sind schlicht der Hammer. Grade wegen der Mechaniken, auf die ich hier noch einmal eingehen möchte: Jede Figur im Spiel kommt mit einer Spezialfähigkeit, einer Standard-Bewegenfähigkeit und zwei Klassenfähigkeiten daher. Im weiteren Spielverlauf kann man neue Fähigkeiten erwerben. Für jede Fähigkeit, die eine Figur hat, bekommt sie für den Spielverlauf einen Würfel. Auf jeder Fähigkeit steht drauf, wie oft man diese im Kampf aktivieren darf. Für jede Aktivierung wird ein Würfel mit einer bestimmten Augenzahl benötigt. Vor jeder Kampfrunde dürfen alle ihre Würfel bis zu 3x würfeln und müssen dann die Würfel für diese Kampfrunde fest auf die eigenen Fähigkeiten verteilen. Dann sind aber erstmal die Gegner an der Reihe und erst dann kommen die Helden dran. Hierdurch kann es natürlich passieren, dass meine „programmierten“ Fähigkeiten nun nicht mehr zu 100% der Situation angemessen sind. Die Gegner handeln derweil auf Basis eines eigenen Decks, das vor jedem Kampf individuell zusammengestellt wird. In diesem Deck sind bis zu sechs unterschiedliche Karten enthalten. Jede dieser Karten verweist auf eine bestimmte Fähigkeit des jeweiligen Gegners. Diese Fähigkeiten wiederrum stehen auf dem individuellen Kampftableau jedes Gegners.
Ziel eines Kampfes ist es entweder alle Gegner zu besiegen oder „nur“ ein Spezialziel (z.B. den Boss), wobei dieser eigentlich nie allein ist. Die Lebenspunkte der Gegner werden dabei durch gestapelte Tokens dargestellt und entsprechende Pokerchips gab es natürlich in der Kampagne extra zu kaufen. Die Krux am Kampf: Wir haben exakt 4 Runden Zeit, um einen Kampf zu gewinnen. Schaffen wir es nicht innerhalb von vier Runden, das Ziel zu erreichen, ist das Abenteuer gescheitert. Sterben alle Helden, ist das Abenteuer gescheitert. Nicht der Kampf, nein, das Abenteuer. Man muss also wirklich richtig gut planen, wann man was macht. Und wie ich mittlerweile weiß, gilt das nicht nur für den Kampf, sondern auch schon für das vorgelagerte Abenteuer. Oder anders gesagt: Es geht hier eben nicht um Glück, denn dieses spielt eine eher untergeordnete Rolle. Es geht im Kern darum, vor jedem Kampf die richtigen Ressourcen in der richtigen Menge parat zu haben und dann mit den Eventualitäten, die einem das Spiel bringt (eigene erwürfelte Fähigkeiten + Aktionen der Monster – die ich aber alle in Art und Anzahl vorab kenne) richtig umzugehen. Und ja, damit ist Assault on Doomrock im Herzen ein Eurospiel, auch wenn man das auf den ersten Blick kaum glauben mag. Ein kooperatives und verdammt schweres zwar, aber eben doch ein Euro-Titel.
Mich triggern solche Spiele ja durchaus, solange sie nicht allzu schwer sind. Und aktuell schwanke ich noch, ob Assault on Doomrock dauerhaft in meiner Sammlung bleiben wird. Im Moment macht mir die Herausforderung noch Spaß und glücklicherweise sind wirklich viele Orte und Gegner dabei. Es gibt tolle Momente, aber es gibt auch Dinge, die mich stören. Mal sehen, wo der Weg des Spiels noch hinführt.
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Assault on Doomrock: Ultimate Edition von Tom Stasiak
Erschienen bei Grimstpire
Für 1 bis 4 Spielende in ca. 60 Minuten ab 13 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Grimspire)
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