01.07.2024

Sabika


Die Alhambra gehört sicherlich zu den imposantesten Sehenswürdigkeiten Spaniens. Da wird es doch Zeit, dass dieses monumentale Bauwerk auch endlich mal in einem Spiel verewigt wird. Ach nee, das gab es natürlich schon und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich das gute alte „Alhambra“ schon unfassbar lange nicht mehr gespielt habe, obwohl ich es damals bei Erscheinen richtig gut fand und sehr gerne gespielt habe. Doch geht es hier ja nicht um den Klassiker von Dirk Henn, sondern um Sabika von Germán P. Millán, der vielen seit Bitoku ein Begriff sein dürfte. Ein Spiel, dass in unserer Blase (zumindest im deutschsprachigen Raum) aber irgendwie niemand so wirklich auf dem Schirm hat und das vermutlich auf vielen Stapeln des Untergangs ruht. Zumindest lag es dort bei mir ein wenig. Das lag auch daran, dass die Optik zwar interessant, aber irgendwie auch sehr nach trockenem Euro aussah. Der Stempel „Expertenspiel“ auf der Packung und die rappelvolle Box taten da ihr Übriges. Und nachdem ich es nun Entstaubt und das erste Mal gespielt hatte, musste ich über mich selbst ein wenig den Kopf schütteln und bekam direkt Lust auf die nächste Partie, und die nächste, und noch eine. Und ich habe sogar, was bei mir eine Seltenheit ist, Partien gegen die/den Automa gespielt und es nicht bereut. Denn das Spiel gehört nicht in irgendeine Gruschelkiste, sondern auf den Tisch. Wenn es also bei Euch rumliegen sollte: spielt es, es lohnt sich!


Warum es sich meiner Meinung nach lohnt, dazu komme ich gleich. Zuerst möchte ich aber etwas zu den Komponenten sagen. Was einem bei Sabika zuerst ins Auge sticht, ist das riesige Spielbrett mit dem (beim ersten Anblick – später relativiert sich das) völlig überdimensionierten Aktionsrondell in dessen Zentrum. Das wirkt erstmal ziemlich erschlagend beim ausklappen und man braucht ordentlich Platz. Das Schöne ist aber: Alles, worum es in dem Spiel geht, ist auch immer auf dem Spielbrett zu finden - außer den Rohstoffe und Baumaterialien, aber das wäre auch albern. Bei den besagten Rohstoffen handelt es sich um Pappplättchen die auf der einen Seite mit dem Rohstoff und auf der anderen Seite mit der Ware bedruckt sind, die aus ihnen produziert werden kann. Diese Plättchen kommen in einen schicken Beutel. Die Baumaterialen (Gips, Holz, Marmor und Keramik) bestehen aus Holz bzw. Resin. Haptisch eine tolle Sache. Alle spielenden Bekommen ein ordentlich dickes Playerboard mit 4 Löchern, in die sie die 4 Startlager einlegen – und man sich somit quasi ein Dual-Layer-Board bastelt. Witzige Idee und es funktioniert einwandfrei. Dazu gibt es noch 4 Holzfiguren (2 Baumeister, 1 Händler, 1 Dichterin) und drei Holzmarker für die drei Leisten (Gunst, Paria und Prestige) des Spiels. Auf das Spielbrett legen wir nun noch die großen Bauwerke (Plättchen), kleinen Bauwerke (Karten), Dinare (Token), kleine und große Gedichte (Karten), eine Handelskarte, die Stadtplättchen, die Wünsche des Sultans, die Siegelplättchen und das goldene Buch Zum Schluss teilen wir noch die Startplättchen aus und es kann „schon“ losgehen. Kling nach unglaublich viel Zeug und ist es auch - und für die erste Partie braucht man einfach Zeit, um sich zu orientieren. Aber: es ist alles so logisch und offensichtlich geformt und designt, dass man schon beim zweiten Spielen alles weiß und der Aufbau verhältnismäßig (für die Masse an Material) schnell von der Hand geht.


Alles logisch trifft auch auf die Anleitung zu. Ich habe einen Regelwälzer mit vielen kleinteiligen Regeln erwartet. Und wurde komplett überrascht. Die Regeln sind kurz und knackig geschrieben, absolut eingängig und sogar anderen Mitspielenden super schnell erklärt. Zum einen, weil alles komplett logisch und sinnig ist und es zum anderen grade nicht kleinteilig, sondern sehr klar und schlicht gehalten ist. Das „Expertige“ an Sabika kommt dann am Tisch zum Tragen, denn in der ersten Partie weiß man zwar, was man machen kann, erkennt es auch alles auf dem Spielbrett wieder (die Ikonographie ist absolut eingängig), aber man weiß nicht, mit welcher Aktion man eigentlich anfangen soll. Und das liegt daran, dass man eigentlich alles machen möchte und irgendwie auch muss. Wir wollen nämlich Prestigepunkte (= Siegpunkte) sammeln. Diese bekommen wir, indem wir über 5 Runden unsere jeweils 4 Arbeitendenfiguren über das Aktionsrondell bewegen und Aktionen ausführen. Das Rondell ist in drei konzentrische Kreise geteilt. Im äußeren Kreis hat jede/r die beiden Baumeister in Aktion, die entweder das eigene Lager ausbauen, kleine oder große Bauwerke errichten, in Steinbrüchen Baumaterialien beschaffen oder sich auf Märkten mit Baumaterial und Rohstoffen eindecken. Im mittleren Kreis ist der Händler unterwegs, der aus unseren Rohstoffen Waren erstellt, diese dann über das Mittelmeer handelt und letztlich Handelbeziehungen zu anderen Städten unterhält. Und im inneren Kreis geht die Dichterin umher. Sie erstellt kleine und große Gedichte, kann Sondereffekte bestehender Gedichte erneut auslösen oder Geld für bereits erstellte Gedichte einsammeln. Zwischen den Kreisen gibt es Bonusfelder, über die man Rohstoffe und Baumaterial zu einem günstigen Kurs bzw. kostenlos erhält. Die Krux: Es sind relativ wenige je Runde vorhanden und kauft jemand etwas auf dem Markt, muss das gekaufte aus dem Rondell gekauft werden, sonst gibt es diese Ware nicht mehr. Schnell sein lohnt sich also. Große Gebäude bringen immer einen Schritt auf der Rufleiste (die Boni bringt) und eine weitere, variable Belohnung. Kleine Gebäude müssen farblich passend zusammen gepuzzelt werden. Je nach Farbe des Mosaiks, das dann entsteht, gibt es eine andere Belohnung. Dies können z.B. Sonderaktionen oder auch die immer dringend benötigten Paria sein. Von diesen muss man nämlich am Ende jeder Runde eine steigende Zahl abgeben können.


Gespielt wird reihum. Ist man an der Reihe. bewegt man eine Figur bis zu zwei Felder kostenlos und jedes weitere Feld, das man ansteuert kostet 1 Dinar. Kommt die Figur auf dem Zielfeld an, kann man die dortige Aktion durchführen. Sind auf dem Feld bereits Figuren, zahlt man je Figur 1 Dinar an den Vorrat. Dinare bekommt man durch das Bauen von manchen Gebäuden, durch das Handeln mit anderen Städten, durch den Markt, die Dichterin, die Rufleiste oder durch die Sonderaktion, mit der man eine Arbeiterfigur aus dem Rondell entfernt, auf dem eigenen Tableau schlafenlegt und einen Prestigepunkt verliert. Im Gegenzug darf man in der nächsten Runde die Figur an einer beliebigen Stelle ihres Rondells wieder ins Spiel bringen. Damit es mit weniger als vier Mitspielenden nicht zu einsam wird, gibt es bei ein bis drei Spielenden spezielle Figuren des Sultans, die sich über die Rondelle bewegen und die Aktionen teurer machen. Eine super simple Mechanik, die super funktioniert. Aber man braucht eben ständig Dinare und das nicht nur zum Laufen im Rondell, sondern auch, um die eigenen Waren über das Mittelmeer zu verschiffen, da die Seewege ebenfalls mit Dinaren bezahlt werden müssen. Damit die eigenen Figuren aber was verschiffen oder bauen können, brauchen sie Rohstoffe, die man erstmal zu Waren wandeln muss und Baustoffe. Und die kosten in der Regel wiederrum Dinare. Dabei sollte man nicht aus den Augen verlieren, dass man jeden der drei Rohstoffe nur einmal haben darf. Bekommt man ihn ein zweites Mal, wird aus dem vorhandenen Plättchen die Ware produziert und der neue Chip wird abgelegt. Waren und Baustoffe kommen ins eigene Lager, dessen Platz anfangs sehr begrenzt ist. Man muss sein Lager also zwingend ausbauen. Und Baustoffe wiederrum braucht man, um Gebäude zu bauen. Hier darf man nämlich bis zu drei Baustoffe abgeben. Es müssen aber unterschiedliche sein und jeder eingesetzte Baustoff bringt einem Prestigepunkte ein.


Im Kern ist Sabika also ein Spiel mit konstantem Mangel. Dadurch aber, dass es an allem mangelt, aber auch alles strukturiert auf einander aufbaut, bekommt man sehr schnell ein Gefühl dafür, was man braucht, um damit was zu machen, wofür man dann wiederrum was bekommt, und dann endlich das Gebäude der Wahl oder die von der Stadt, zu der man möchte, geforderte Ware zu produzieren. Und dann kauft einem eine mitspielende Person das lang geplante Gebäude vor der Nase weg und man überlegt sich ein alternatives Gebäude, denn Möglichkeiten gibt es hier genug. Im Kern fühlt es sich ein wenig an, wie die Warenkreisläufe bei einem Anno (ich meine das PC-Spiel, das Brettspiel liegt noch in der „vielleicht Wishlist“). Wenn man weiß, wo man hin will, dann kann man das sehr gut im Voraus planen. Dabei muss man natürlich beachten, dass man je Runde nur 4 Aktionen und das Spiel nur 5 Runden hat. Zwar gibt es Sonderaktionen, die man durch kleine Bauwerke und kleine Gedichte triggern kann, aber auch die wollen durch Aktionen erspielt werden. Aber entscheidend ist, dass man zwar alles haben möchte, aber sich letztlich doch auf eine Strategie festlegen muss. Und das klappt natürlich besser, je öfter man das Spiel gespielt hat.
Die Interaktion besteht, wie bereits angedeutet, darin, sich gegenseitig etwas vor der Nase wegzuschnappen (Ressourcen, Baumaterial, Lagerplättchen, große und kleine Bauwerke, große und kleine Gedichte), aber eben auch darin, jemandem ein Feld zu blockieren, weil man weiß, dass die Person nicht mehr genug Dinare hat, um auf das Feld zu kommen. Dafür muss man aber erstmal hinter die Strategien der Mitspielenden kommen. Letztlich ist die Interaktion aber durchaus hoch und das bereits ab 2 Spielenden (den Meeplen des Sultans sei Dank). 

Wer nach ein paar Partien Lust auf etwas mehr Komplexität hat, kann die Ereignisplättchen dazu holen, durch welche die Spielregeln für ein bis zwei Runden geändert werden. Hiervon bringt das Spiel 7 positive und 7 negative mit. In einer Partie nutzt man genau drei. Dabei kann man vorher wählen, ob man nur positive ins Spiel nimmt (z.B. dass jede exportierte Ware 1 Paria mehr bringt), die das Ganze dann in Summe leichter machen, oder nur negative (z.B. dass nur noch das erste Feld im Rondell kostenfrei ist), die das Spiel schwerer machen oder ob man sich einfach überraschen lassen möchte.


Und so ist Sabika für mich eine echte Überraschung im positivsten Sinn. Das einzige, was ich hier bemängeln würde ist tatsächlich der Platzbedarf auf dem Tisch (wobei ich nicht finde, dass das Spiel deutlich kleiner hätte werden können, ohne sehr fummelig zu werden) und die Tatsache, dass die Kramerleiste mit den Prestigepunkten nur bis 80 geht. Diese Marke knackten wir nämlich bereits in der ersten Partie und wunderten uns ein wenig, ob wir etwas falsch gespielt hatten. Da es aber auch in anderen Runden so war und auch der Automa (deswegen hatte ich mal gegen ihn gespielt) die Marke knackte, gehe ich mal davon aus, dass es einfach am „Platzmangel“ lag, dass diese Leiste nicht länger wurde…Aber apropos Automa. Dieser kommt mit drei Kartendecks für die drei Arbeitendentypen. Auf den Karten steht, auf welches Feld die jeweilige Figur gesetzt wird und was diese dort macht und wieviel Prestige und Paria der Automa bekommt. Dazu gibt es ein tolles Tableau, auf dem kurz und knapp steht, wie der Automa die jeweilige Aktion durchführt. Ebenfalls gibt es vier Plättchen, die man verdeckt mischt und über die festgelegt wird, in welcher Reihenfolge die Figuren des Automas bewegt werden. Ressourcen, Baustoffe und Dinare bekommt der Automa nicht, wodurch hier keinerlei Mikromanagement nötig ist: Plättchen aufdecken, passende Karte aufdecken, Figur bewegen, Aktion ausführen, Prestige + Paria einheimsen, fertig. Im Spiel ohne Ereignisse ist der Automa keine große Herausforderung, spielt aber sehr gut mit. Die Schwierigkeit lässt sich durch das hinzunehmen negativer Ereignisse aber sehr leicht erhöhen (oder durch positive Ereignisse verringern, wenn man das mag).

Alles in allem also ein tolles Spiel, dass sich lohnt, gespielt zu werden, weil es trotz seiner durchaus vorhandenen Komplexität erstaunlich "fluffig" läuft und sich dadurch gefühlt in der Grauzone zwischen gehobenem Kennerspiel und einfachem Expertenspiel bewegt. Und, wenn ich ehrlich bin, würde ich dem Titel auch gute Chancen in der aktuellen "Awardsaison" einräumen. Das scheitert vermutlich aber an der fehlenden Resonanz, die ich nun - nachdem ich Sabika endlich mal gespielt habe - nicht mehr nachvollziehen kann.

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Sabika von Germán P. Millán
Erschienen bei Strohmann Games
Für 1 bis 4 Spielende in 60-120 Minuten ab 14 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Strohmann Games)
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