Tribes of the Wind hat bislang eine irgendwie merkwürdige Resonanz erhalten. Ab der Spiel 2023 bis in den Januar 2024 gab es ganz viel zu dem Spiel zu sehen und dann schlagartig gar nichts mehr. Nun liegt sowas ja häufig daran, dass ein Spiel viel Vorschusslorbeeren und Hype erhält, obwohl es niemand gespielt hat. Oft schon allein, weil es toll aussieht, aber letztlich wenig dahinter steckt. Und ja, Tribes of the Wind sieht so richtig gut aus. Vincent Dutrait hat das Spiel wirklich rundum schön gestaltet und auch die Materialqualität lässt nichts zu wünschen übrig. Allerdings kann man dem Spiel wahrlich nicht vorwerfen, ein Blender zu sein, denn die Mechaniken sind rund und funktionieren bestens, es gibt sogar eine richtig schöne neue und frisch wirkende Mechanik und das Spiel macht auch wirklich viel Spaß. Soweit schonmal ein vorweg gegriffenes Fazit. Das Spiel hat aber leider ein anderes Problemchen, was vermutlich zum schnellen Abebben des Interesses geführt haben mag, doch dazu am Ende mehr.
Die Schachtel bringt fünf spielbare „Charaktere“ (= Spielendentableaus, beidseitig bedruckt, aber leider beide Seiten identisch) mit je vier unterschiedlichen Spezialfähigkeiten (Karten), die man auf je zwei unterschiedliche Arten während des Spiels freischalten kann (Plättchen in bestimmter Reihenfolge legen oder bestimmte Dinge an bestimmte Orte legen). Jede/r nimmt sich also ein Tableau samt der zugehörigen Karten, 7 Windreiter-Meeple, 4 Tempel-Meeple, 5 Baumhaus-Meeple und 16 Verschmutzung und verteilt alles nach Anleitung auf dem eigenen Playerboard. Dazu kommt ein schicker Kartenhalter - der hier tatsächlich nicht nur schmuckes Beiwerk, sondern wichtig für die Kernmechanik ist - und zieht 5 sogenannte Elementkarten vom entsprechenden Stapel und steckt diese so in den Halter, dass man selbst die Vorder- und alle anderen die Rückseite der Karten sieht bzw. sehen. Nun wird ein Starspielendes bestimmt und dieses bekommt das Startplättchen mit der 1, und dann reihum alle anderen den Rest in der nummerierten Reihenfolge. Diese Plättchen legt man in das 4x3 Raster oben links an und bekommt die aufgedruckten Startressourcen. Wobei Ressourcen nicht ganz passt, denn es gibt nur eine: Wasser. Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass man Verschmutzung vom Tableau entfernen darf oder mit den eigenen Windreitern laufen darf. Nun bekommt jede/r noch eine Dorfkarte. Auf diesen steht, wofür man selbst am Spielende Punkte bekommt. Sind alle bereit, müssen noch die Plättchen, Dorfkarten und Elementkarten auf den Tisch gelegt und in entsprechende Auslagen vorbereitet werden. Das besondere an der Elementkartenauslage ist allerdings, dass die Karten verdeckt ausgelegt werden. Und jetzt geht’s los.
Wer an der Reihe ist, macht genau eine Aktion: Elementkarte spielen, Tempel bauen oder Dorf bauen. In der Regel macht man ersteres. Auf den Vorderseiten der Karten stehen Aktionen, die man machen darf, wie z.B. Wasser nehmen, Windreiter bewegen, Verschmutzung entfernen oder Waldplättchen nehmen/anlegen. Der Clou – und damit auch das besondere an dem Spiel – ist aber, dass jede dieser Aktionen eine Bedingung hat, die erfüllt sein muss. Diese Bedingungen sind bspw. „Du musst 3 Feuer-Karten haben“, oder „Du und deine beiden Nachbarn müsst min. 5 Wasserkarten haben“ und manchmal gibt es auch zwei verschiedene Bedingungen (eine kleine und eine große), die unterschiedliche Sachen triggern. Durch diese Mechanik ist das Ausspielen der Karten durchaus taktisch und man schaut immer, was die anderen an Karten haben. Dies kannte ich so noch von keinem anderen Spiel. Zudem sehr schön gelöst: Bei nur 2 Spielenden wird der fehlende Nachbar durch die Auslage ersetzt. Vom reinen Ablauf her ist es dabei aber immer recht ähnlich, was man eigentlich tun möchte: Verschmutzung beseitigen, Waldplättchen auf die freie Stelle legen und wenn man entsprechende Aufgaben hat: Windreiter auf das Plättchen bewegen und ein Dorf gründen. Zum Gründen eines Dorfes braucht man je Plättchen eine feste Zahl an Windreitern auf diesem Plättchen. Dann darf man das Plättchen drehen, bekommt einen Bonus (oder eine Bonusfähigkeit) und eine neue Dorf-(Wertungs-)Karte. Im Gegenzug erzeugt man aber wieder Verschmutzung an allen orthogonalen Flächen, die kein Plättchen haben. Hier will also geschickt gebaut werden. Das Tempelbauen ist dagegen eine Hilfsaktion für die man 3 Karten abwerfen muss (bzw. darf!) und dafür einen Bonus bekommt. Gleichzeitig sind die Tempel aber auch Teil der Bedingungen auf den Dorfkarten.
Und natürlich will man sowohl die eigenen Wertungen abschließen als auch die Sonderfähigkeiten freischalten und das ist nicht immer ganz so einfach, aber ist im Kern auch nicht übermäßig kompliziert. Sobald jemand das fünfte Dorf gebaut hat, gibt es noch eine weitere Runde und dann ist das Spiel zu Ende und es wird gewertet: Wer das Spiel beendet hat, bekommt 5 Punkte. Jedes Dorf gibt 3 Punkte, hat man alle Tempel genutzt gibt es 7 Punkte, wer die Verschmutzung bereinigt hat bekommt Punkte und wer sein Board möglichst vollgepuzzelt hat auch. Dazu kommen dann die Wertungen der eigenen Dorfkarten. Es gewinnt, wer die meisten Punkte hat.
Nun sagte ich ja Eingangs, dass die neue Mechanik frisch wirkt und das Spiel richtig viel Spaß bringt. Und dazu stehe ich auch. Grade im Bereich der gehobenen Familien bzw. unteren Kennerspiele macht Tribes of the Wind eigentlich alles richtig – und sieht dazu toll aus. Aber, ich muss auch sagen, dass sich das Gefühl der neuen und frischen Mechanik auch schnell abnutzt. Denn man sieht irgendwann die Nachteile des Systems: Ich weiß nie, was ich da für eine Aktion aus der Auslage nehme, sondern nur das Element. Wobei die Aktionen bzw. Bedingungen je Element immer ähnlich bzw. vom gleichen Thema sind. Heißt aber auch: Je öfter man das Spiel gespielt hat und je besser man die Karten kennt, umso besser ahnt man auch, was da liegen könnte bzw. was die anderen so haben. Aber der Glücksfaktor ist hier eben nicht zu unterschätzen. Außerdem ist die Ikonographie anfangs mehr als gewöhnungsbedürftig und alles andere als intuitiv. Das legt sich zum Glück aber schnell. Hinzu kommt: Manchmal kann ich alle meine Karten nicht nutzen, weil alle Bedingungen nicht erfüllt sind. Dann muss ich einen Tempel setzen. Und da gibt es dann auch keine Wahlmöglichkeit und man hat halt auch nur vier. Das kommt zwar nicht oft vor, aber doch regelmäßig genug, dass einem das negativ aufstoßen kann.
Und trotzdem mag ich Tribes of the Wind. Weil zwar jede/r am Tisch vor sich her puzzelt und versucht, die individuellen Wertungskarten zu erfüllen und trotzdem durch die Bedingungen auf den Karten bei jeder Entscheidung alle mit im Boot sitzen und man das Spiel dann eben doch gemeinsam spielt und nicht gemeinsam einsam. Und natürlich, weil die Optik so toll ist, dass unsere Kleine es direkt ins Herz geschlossen hat und immer wieder spielen möchte.
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Tribes of the Wind von Joachim Thôme
Erschienen bei Huch!
Für 2 bis 5 Spielende in ca. 40 - 90 Minuten ab 14 Jahren
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