Mit The Grand Carnival bringt uns Spieleautor Rob Kramer den Jahrmarkt in die Stadt. 2020 bei Uproarious Games auf Englisch erschienen ist der Titel dank Skellig Games nun auch auf Deutsch erhältlich und lädt uns dazu ein als Jahrmarktbetreiber zu wetteifern. 1-4 Personen bauen bei The Grand Carnival jeweils ihren eigenen Jahrmarkt auf und versuchen dabei erfolgreicher zu agieren als die Mitspielenden. Mechanisch ist The Grand Carnival dabei ein Lege- und Aktionsauswahlspiel leichten bis mittleren Gewichtes, welches mit etwas erfahreneren Familienspiele-Freund*Innen gespielt werden kann. Die Regeln von The Grand Carnival sind übersichtlich und schnell erklärt. Weiterhin lässt sich der Titel auch in 45-60 Minuten spielen. Ganz banal sind die beim Jahrmarktbau an uns gestellten Anforderungen aber nicht und können ein wenig hirnverzwirbelnd wirken. Doch dazu später mehr.
Gespielt wird The Grand Carnival über sieben Runden, denn der Jahrmarkt ist sieben Wochentage in der Stadt. In jeder dieser Runden führen alle Mitspielenden reihum jeweils 5 Aktionen aus, so dass man bis zum Spielende auf 35 Aktionen kommt. Begonnen wird dabei stets bei der /dem Startspieler*in und dann geht es im Uhrzeigersinn weiter. Zur Auswahl stehen drei verschieden Aktionen:
- Fundament platzieren
- Attraktion bauen
- und Gäste bewegen
Jede*r Spieler*in hat ein eigenes Playerboard. Auf diesem wird zum einen der eigene Jahrmarkt aufgebaut aber auch die Stärke (1-5) der gewählten Aktion ausgewählt. Die Fläche für den Jahrmarkt besteht aus 4x4-Feldern, welche Platz für Fundamente bieten sowie zwei Eingängen am unteren Ende und einem Zeltdach am oberen Ende. Jede Aktionsstärke kann pro Runde nur ein einziges Mal genutzt werden.
Mit der Aktion Fundament platzieren wählt man aus einer Auslage ein Fundament aus und plaziert es dann im eigenen Jahrmarkt. Mit der genutzten Aktionsstärke bestimmen sich die Auswahlmöglichkeiten bei den ausliegenden Fundamenten. Umso größer die Stärke, umso mehr Auswahl haben wir. Durch die Platzierung von Fundamentteilen entstehen auf unserem Jahrmarkt Bauplätze und Wege. Jedes Fundamentteil ist viergeteilt und hat einem Mix aus 0-4 Bauplätzen bzw. Wegen.
Mit der Aktion Attraktion bauen, tun wir dann auch genau dies. Wir wählen aus der Auslage eine Attraktion aus und platzieren diese auf einem oder mehreren Bauplätzen. Die Aktionsstärke bestimmt dabei wie groß die Attraktion sein darf. Es gibt dabei Attraktionen in den Größen 1-5 Felder. Die Einer- und Zweierattraktionen sind dabei immer gleich geformt. Die größeren Attraktionen haben unterschiedliche Formen. Bei den Fünfer-Attraktionen ist sogar jede Attraktion unterschiedlich geformt. Abhängig von der Anzahl der Mitspielenden werden zu Spielbeginn eine bestimmte Anzahl von Attraktionen aus dem Spiel genommen.
Mit der Aktion Gäste bewegen, werden Gästefiguren vom Eingang aus über unseren Jahrmarkt bewegt. Die Aktionsstärke bestimmt die Laufweite des zu bewegenden Gastes. Am Endpunkt seiner Bewegung steht der Gast im Idealfall neben einer oder mehreren Attraktionen. Dann darf man Tickets auf diese Attraktionen legen. Dies ist wichtig für die Wertung. Neue Gäste erhält man, wenn auf den Eingängen keine Gäste mehr stehen. Weiterhin erhält man dann auch einen Carnival Barker (sofern noch im Vorrat). Diese erhöhen die Laufreichweite von Gästen. Frühe Bewegung wird also ein wenig belohnt. Da Gäste nur über Wege laufen können, merkt man bei dieser Aktion gut wie wichtig das wohlüberlegte Platzieren der Fundamente bzw. auch deren Auswahl ist. Leicht kommt man in die Situation, dass man Sackgassen baut. Mit der Aktion Gäste bewegen kann man Gäste über Wege auch ins Zeltdach bewegen. So punkten sie am Spielende ein weiteres Mal.
Zu diesem und damit der Wertung kommt es, wenn am Ende der siebten Runde alle ihre fünfte Aktion durchgeführt haben. Sodann gibt es Punkte. Belohnt wird wer viele Attraktionen der selben Größe gebaut hat, wer Attraktionen aller Größen gebaut hat und wer mehr als 15 Tickets eingesammelt hat. Weiterhin gibt es Punkte für Gäste im Zeltdach sowie für Carnival Barker. Abzüge gibt es für unbelegte Fundamentplätze sowie ungenutzte Bauplätze.
An diesem kurzen Regelüberblick lässt sich sicher eines gut erkennen: The Grand Carnival ist von den Regeln her kein kompliziertes Spiel. Regelmäßig spielenden Menschen wird es in Minuten eingängig sein. Der Betrieb des Jahrmarktes bei The Grand Carnival fällt aber ein wenig in die Kategorie "easy to learn, hard to master". Dies beruht darauf, dass die Angelegenheit einiges an räumlichen Vorstellungsvermögen bedarf: Für die Fundamentteile ist nur eine Ausrichtung erlaubt. Weiterhin ist man ja aus Gründen der Effizienz versucht eher große Attraktionen zu bauen, schließlich baut man mit jeder Aktion nur eine Attraktion. Alle großen Attraktionen haben aber wiederum Formen, welche sich nicht so leicht ablegen lassen. Man muss also gut überlegen wie man die Fundamente plaziert. Als letztes kommt dann noch hinzu, dass man ja auch die Gäste im Blick haben muss und deren Bewegung möglichts effizient gestalten will. Auch jede Gästebewegung ist ja eine eigene Aktion und somit will man damit auch gerne gleich auf mehrere Attraktionen Tickets legen. Es hilft also nichts: Es gilt mehrere Aktionen im Voraus zu planen damit man als Jahrmarktbetreiber*in eine Chance hat. Dies macht das Spiel dann aber wiederum ein wenig Analysis-Paralysis-anfällig. Bis jetzt noch nicht erwähnt wurden zudem die drei ausliegenden Trick of the Trade. Diese Karten geben Bedingungen vor, welche man erreichen will. Schafft man eine Bedingung zu erfüllen, so ändern sich für einen selbst bis zum Spielende leicht die Regeln weil einem ein auf der Karte vorgegebener Vorteil gewährt wird. Da diesen aber nur diejenigen bekommen, welche die Bedingung in der gleichen Aktion wie der oder die Ersterfüllende erreichen, entsteht um die Tricks of the Trade ein ziemliches Wettrennen. Dies führt dazu, dass man bei der Aktionsplanung noch weitere Parameter im Blick haben muss. Der Anfang einer Partie ist folglich am denklastigsten. Sind alle Tricks of the Trade nicht mehr erreichbar, wird es wieder ein wenig übersichtlicher.
Von der Ausstattung her bekommt man bei The Grand Carnival einiges geboten. Das comichafte Design von Ryan Goldsberry (Burgle Bros) ist stimmig und macht einiges her. Für ein Spiel mittleren Kalibers ist es auch wirklich gut ausgestattet. Alle Meeple sind aus Holz und entsprechend der Typen unterschiedlich geformt. Das komplette Papp- und Papier-Material hat weiterhin Linen Finish. Auch finden sich auf den Attraktionen viele unterschiedliche Attraktionen. Nicht ganz sicher bin ich mir wie robust die filigranen Meeple sind. Bei meinem Exemplar war ein zerbrochener Carnival Barker enthalten.
Empfehlenswert finde ich The Grand Carnival für etwas erfahrener Familienspieler*Innen. Als Spiel zusammen mit Kindern würde ich es nur sehr bedingt empfehlen. Die Kinder müssten wirklich spielerfahren sein. Die Aktionsplanung ist einfach ein wenig tricky. Man bekommt mit The Grand Carnival einen Titel, welcher optisch einiges her macht sowie schnell erklärt und gespielt ist. Dabei ist das Spiel im Bereich der Aktionsplanung und dem räumlichen Vorstellungsvermögen durchaus anspruchsvoll und bietet auch für erfahrenere Spieler*innen Anreize. Im Grundspiel enthalten ist weiterhin noch eine Solo-Variante. Dieses orientiert sich weitgehend an den normalen Regeln und ist auf einer Anleitungseite dargestellt. Man spielt in ihr gegen Zielwerte. Der Wertungsmechanismus unterscheidet sich dabei vom Mehrpersonenspiel, das Spielgefühl ist aber sehr ähnlich. Man muss auch nicht mit einem Automa einen Gegener mitspielen, sondern spielt einfach nur den eigenen Jahrmarkt. Dadurch geht das Ganze flott von der Hand und erfordert fast keinen Verwaltungsaufwand. Weit von der Mehrpersonenspielerfahrung entfernt ist das Solo-Spiel insofern auch nicht weil sich diese im Grunde auch ein wenig nach Multiplayer-Solitär anfühlt. Es gibt auch im Mehrpersonenspiel sehr begrenzte Reibungspunkte: Man konkuriert um die Carnival Barker, die Tricks of the Trade und knapp werdende Attraktionen. Allerdings ist es wirklich schwer neben dem eigenen Brett auch noch die Mitspielenden im Blick zu haben. Folglich kapriziert man sich eher darauf, dass bei einem selbst alles möglichst rund läuft.
Erweiterung: The Grand Carnival: On the road
Mit On the Road liegt auch schon die erste Erweiterung für The Grand Carnival vor. Ab Juli 2024 wird diese in der deutschen Version über den Fachhandel erhältlich sein. Diese enthät sieben Module, zusätzliches Material wie ein Scoring Board, weitere Tricks of the Trade und einen Kampagnenmodus. Besagter Kampagnenmodus führt in die Module ein und besteht aus zehn Etappen, welche nach amerikanischen Städten benannt wurden. Man spielt diese Städte in Reihe durch und lernt damit die Module der Erweiterung kennen. Für das Solospiel geeignet sind acht dieser Szenarien/Städte. Diese sind auch explizit gekennzeichnet. In Verbindung mit diesen bietet On the Road eine neue Vairante The Grand Carnival solo zu spielen. Die Wertung wird dadurch ein wenig komplexer als im Grundspiel. Abhängig vom Szenario hat man vorgegebene Scoring Tresholds für Wertungskategorien zu überschreiten. Schafft man dies nicht, so gibt es Punktabzüge. Weiterhin kann man nun auch zwischen vier Schwierigkeitagraden für jedes Soloszenario wählen. Abhängig vom Spielerfolg bekommt man dann am Spielende Titel wie "Acknowleged Charlatan" oder "Legendary Genius" verliehen.
Doch was erwartet uns in den Modulen?
- Mit dem Hinzunehmen des Clown-Moduls wird das Überbezahlen der Bau-Attraktion attraktiver. Die Diskrepanz erhalten wir in Clowns, welche Siegpunkte wert sind.
- Doppelte Fundamte beschleunigen das Spiel da wir mit Ihnen bereits zu Spielbeginn zwei Fundamentplätze belegt haben
- Mit großen 6er-Attraktionen wird eine zusätzliche Kategorie Attraktionen eingeführt, welche Auswirkungen auf die Diversitätswertung hat
- Goldene Tickets belohnen uns mit Punkten dafür, wenn wir Gäste neben einem Carnival Barker enden lassen
- Grand Finales sind im Grunde Spielendekarten auf welche wir hinarbeiten
- Mini Foundations erlauben es uns Wege oder Bauplätze nochmal zu verändern.
- Und mit Erdnüssen wird eine Währung eingeführt, welche es uns ermöglichen von der gewählten Aktionspunktezahl auch nach oben abzuweichen. So sind dann auch auch 6er-Aktionen möglich, welche auch die 6er-Attraktionen ermöglichen
Die Erweiterung bietet also jede Menge Abwechslung und Möglichkeiten an Stellschrauben des Spieles zu drehen. Dadruch wird das Spiel nicht nur komplexer, sondern an manchen Stellen auch ein wenig gnädiger (Clowns und Erdnüsse). Auch die doppelten Fundamente beschleunigen den Spielstart ein wenig. Ich bin kein großer Fan modularer Erweiterungen. Oft habe ich das Gefühl, dass das Spiel ein wenig in Beliebigkeit abdriftet und es auch schwerer wird sich darauf zu einigen wie man das Spiel nun spielen will. Meines Ermessens wählt Rob Kramer mit der Städte-Kampagne hier aber einen guten Weg um in die Module einzuführen. Für Fans von The Grand Carnival bieten die sieben Module und der Kampagnenmodus in jedem Fall jede Menge Spielraum um sich weiter auf dem Jahrmarkt auszutoben, ohne dass dabei Langeweile aufkommen könnte.
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Autor: Rob Kramer
Erschienen
bei Uproarious Games/Skellig
Für 1-4 Spieler*innen ab 12 Jahren.
Spieldauer
etwa 45-60 Minuten