“Life is a game, where a player must appear ridiculous,” Zitat der Dowager Countess aus “Downton Abbey”. Und wie könnte ein Text über Obsession ohne diesen Querverweis auskommen? Völlig zurecht, denn nicht nur das Hype-Level für die Serie ist ähnlich hoch wie die für dieses Spiel, auch thematisch fangen beide glorreich das viktorianische England ein. Augenzwinkern inklusive. Ist Obsession aber insgesamt dieses Vergleichs würdig oder lockt die 8,2-Bewertung bei BoardGameGeek (Stand: März 2024) auf eine falsche Fährte?
Obsession ist ein Engine-Builder von Dan Hallagan für 1-4 Spieler*innen ab 14 Jahren und dauert circa 30-90 Minuten.
[Spielmaterial: So opulent wie bei den Lords & Ladies]
Obsession macht definitiv einiges her. Schon die schwere Box mit dem schlichten, aber doch stimmungsvollen Design lässt den Duft von Scones und gemähtem Rasen durch die Nase wehen, der Inhalt weiß dann ebenfalls zu überzeugen.
In der Schachtel findet ihr noch jede Menge weitere Schachteln zum Verwahren. Konkret sind dabei 6 Boxen für das Material der einzelnen Familien enthalten - sehr klug, denn so habt ihr schon Platz für die Erweiterungen. In der Basis-Box sind lediglich vier Familien spielbar.
Hinzu kommen sogenannte Adelskarten mit einzigartigen Charakteren aus dem viktorianischen England, verschiedenen “Ausbauplättchen” mit diversen Räumen und Erweiterungen für euer Anwesen, sowie kleinere Gimmicks wie Münzen, Ziel- und weitere Karten. Worker in 6 verschiedenen Formen und Farben, sowie ein Säckchen zum Verstauen und Ziehen der Plättchen und Solo-Material haben auch ihren Platz gefunden.
Zuguterletzt gesellen sich zwei zentrale Spielpläne (ein Rundenanzeiger und ein Plan für die Platzierung der Kartenauslage), sowie vier Spielertableaus dazu. Jede Menge Kram, der aber dank der tollen Boxen bestens Platz findet und nach erstmaligem Sortieren auch immer wieder einfach rausgeholt werden kann. Material & Box bekommen dafür schonmal die adelige Höchstpunktzahl.
[Spielablauf: Definitiv nichts für die Tea Time]
Eine kurze Zusammenfassung des Spielprinzips:
Ihr veranstaltet auf eurem Anwesen (Tableau) verschiedenste Events (Plättchen), indem ihr eure Angestellten (Meeple) zu ihnen schickt und dort verschiedene euch wohlgesonnene Adelige (Karten) zu empfangen. Im Laufe der Partie baut ihr so euer Landgut aus (Tableau-Building), erhaltet mehr Ansehen, Geld und Zielkarten. Nach 16 Tagen (Runden) und verschiedenen Werbephasen (Zwischen-Ziele) gewinnt die Familie mit den meisten erfüllten Bedingungen das Herz der Grafschaft. Und das Spiel.
Schon diese Zusammenfassung zeigt, wie unglaublich thematisch dicht dieses Euro-Game ist. Jedes Detail dieses Spiels harmoniert miteinander und ist mit viel Liebe zusammengestellt. Selbst die kleinsten Bausteine fügen sich ins große Ganze ein, sodass ihr euch auch ohne Tee und viel Geld auf dem Konto wie Royals fühlen werdet.
Aber: Obsession ist trotz des angenehmen Spielgefühls kein Nebenbei-Spiel. Ganz im Gegenteil - im Engine Builder steckt ganz schön viel Tücke. Und das schon in der einfachen Partie. Aber erstmal zu den wichtigsten Punkten:
Wie läuft ein Spielzug ab?
- Ihr macht eure Bediensteten bereit, indem ihr sie auf eurem Tableau zwischen den vorhergesehenen Räumen schiebt. In der letzten Runde verwendete Bedienstete sind in der nächsten Runde nicht verfügbar, da sie sich ausruhen.
- Ereignisse, Monumente und Bedienstetensaal prüfen: Hier führt ihr jeweilige Aktionen, die durch Runden-Ereignisse oder eure Monumente (spezielle Plättchen in eurer Auslage) ausgelöst werden, durch.
- Aktivität ausführen: Nun wählt ihr eins der vor euch ausliegenden Plättchen und schiebt es hoch in das “Aktivität”-Feld eures Tableaus. Ihr müsst, um es ausführen zu können, die angeforderte Bedienstete darauf stellen und euer Ansehen muss mindestens dem geforderten Level entsprechen.
- Gäste einladen: Jedes Plättchen lässt euch eine bestimmte Anzahl an Gästen, also Adelskarten, von eurer Hand ausspielen. Auch diese wünschen sich dabei bestimmte Bedienstete zur Begleitung und auch hier müsst ihr mindestens ihr Ansehenslevel erfüllen.
- Dienst leisten: Nur wenn ihr alle Anforderungen des Aktivitätsplättchens und der Adeligen erfüllt habt, könnt ihr diese Aktion überhaupt auswählen.
- Gefälligkeiten erhalten: Nun erhaltet ihr alle Boni, die euch die Adeligen und Aktivität zustehen lassen. Das sind zum Beispiel neue Adelskarten oder erhöhtes Ansehen oder Geld. Manche Adelige geben euch auch einen Malus in einem Bereich.
- Kauf auf dem Handwerksmarkt: Im (fast) letzten Schritt eures Zuges dürft ihr euch für Geld neue Plättchen aus dem Handwerksmarkt kaufen. Diese liegen in der offenen gemeinsamen Auslage in der Tischmitte und kosten je nachdem, auf welchem Feld sie sich gerade befinden, unterschiedlich viel Pfund. Das erhaltene Plättchen legt ihr an die farblich passende Spalte eures Tableaus (es gibt fünf verschiedenfarbige Raum-Arten) und könnt es ab kommender Runde verwenden.
- Familientableau aufräumen: Ihr verschiebt eure eingesetzten Bediensteten und schiebt euer Plättchen wieder nach unten. Habt ihr die Aktivität zum ersten Mal ausgeführt, dürft ihr sie auf ihre Rückseite umdrehen. Sie ist nun am Ende des Spiels mehr Siegpunkte wert.
Sind alle Mitspielenden einmal diese 8 Schritte durchlaufen, endet eine Runde. Nach einer gewissen Zahl von Runden (diese unterscheiden sich im Basis- und erweiterten Spiel) steht dann die Werbe-Phase an. Hier erhält die mitspielende Person, die in der aktuell geforderten Plättchen-Art (wird durch eine Karte vorgegeben) die meisten Siegpunkte hat, bis zum nächsten Werben eine der beiden starken Fairweather-Karten im Spiel auf die Hand. Außerdem erhält sie verdeckt eine neue Siegpunkt-Karte vom Stapel.
Weitere Spezial-Runden wie das Dorffest bringen euch weitere Möglichkeiten. Insgesamt spielt ihr über 16 Runden und rechnet nach einer finalen Werbephase ab.
Siegpunkte am Ende des Spiels gibt es für:
- Ausbauplättchen: Alle Ausbauplättchen an eurem Anwesen geben so viele Punkte, wie sie aktuell anzeigen.
- Adelskarten: Alle Adelskarten, die ihr bis dahin erhalten habt, werden zusammengerechnet.
- Zielkarten: Am Anfang des Spiels erhalten alle Familien 7 Zielkarten. Am Ende der Partie haben alle noch 3 Zielkarten auf der Hand (die übrigen werden in den Werbephasen nach und nach abgeworfen). Diese Zielkarten geben für unterschiedliche Sachen Punkte, z.B. wenn ihr bestimmte Plättchen gekauft habt oder wenn ihr eine bestimmte Anzahl an Bediensteten habt.
- Ansehen: Basierend auf einer Tabelle in der Anleitung erhaltet ihr Punkte für eure aktuelle Ansehensstufe.
- Bedienstete: Basierend auf einer Tabelle in der Anleitung erhaltet ihr Punkte für die Anzahl an Bediensteten, die ihr am Ende der Partie habt.
- Wohlstand: Pro 200 Pfund auf eurem Tableau bekommt ihr 1 Siegpunkt.
- Siegpunkt-Karten: Die Siegpunkt-Karten aus den Werbephasen werden ebenfalls hinzugezählt.
Die Familie mit den meisten Siegpunkten gewinnt.
[Fazit: Obsession gehört zum Adel der Brettspiele]
Damit macht Obsession etwas unglaublich Tolles richtig: Auch Wenig-Spieler*innen werden diesem Spiel eine Chance geben. Dadurch, dass alle Schritte anschaulich erklärt werden können, bleiben weniger Fragezeichen offen. Hinzu kommt, dass mit Spielerhilfen, einem ausführlichen Glossar und einer Abbildung der Zugabfolge auf dem Tableau auch während des Spiels alle Fragen schnell beantwortet werden.
Wer ein Manko suchen mag, könnte die potentielle Downtime aufzeigen. Für Eurogame-Spiele hält sich diese zwar in Grenzen, aber gerade in den ersten Partien in Vollbesetzung könnte sie die Spannung etwas ablindern.
Trotzdem: Vom großartigen Inlay über das tolle Spielmaterial, von den vielen Spielmodi, die noch in der Box stecken, bis zu der Vielfalt an Karten und Plättchen, von der historischen Genauigkeit über das schöne Spielgefühl bis zum einzigartigen Thema: Obsession hat ein kleines Stück Spielgeschichte geschrieben. Und das auch über England hinaus.
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Obsession von Dan Hallagan
Erschienen bei Strohmann
Für 1-4 Spieler in 30-90 Minuten ab 14 Jahren
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