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30.04.2024

Das Streben nach Glück Big Box


Das Streben nach Glück hat nichts mit dem gleichnamigen Film mit Will Smith zu tun, sondern ist im Kern ein neues, modernes und im wahrsten Sinne des Wortes „Spiel des Lebens“. Denn was wir hier tun, ist nichts anderes als ein Leben nachzuspielen. In der Basisversion mit dem, was so das „Grundlegendste“ im Leben ist, und mit den Erweiterungen der Big Box (die fast alles enthält, was es zu dem Spiel gibt, mit Ausnahme einiger Promo-Karten und zweier Karten-Erweiterungen) mit vielem anderen mehr. Doch anders, als im erwähnten uralt-Laufspiel, ist hier gute Planung, vorausschauendes Handeln und jede Menge Ressourcenmanagement gefragt. Oder anders: Das Thema ist hier wirklich Programm!


Aber fangen wir mal ganz vorne an. Die wirklich riesige Box hat ein toll strukturiertes Inlay in das alle Steinchen, Marker, Tokens, Karten und Boards super hineinpassen. Allerdings ist auch noch sehr viel Platz für weitere Karten enthalten. Wir dürfen also gespannt sein, ob und was da noch nachkommt. Für das Basisspiel benötigen wir tatsächlich nur einen kleinen Teil des Schachtelinhalts: Das Hauptboard, vier Kartenstapel (Ziele, Gegenstände/Aktivitäten, Jobs und Partnerkarten), die vier Ressourcen (Geld, Wissen, Kreativität und Einfluss), ein paar Holzwürfel sowie das Spielendenmaterial (jeweils 9 Holz-Sanduhren und ein paar Holzwürfelchen). Alle legen ihren großen Würfel auf Feld 0 der Kramerleiste (hier „Zufriedenheit“), und je einen kleinen Würfel ihrer Farbe auf das mittlere Feld der Glücksleiste (Wert 0) und auf das markierte Feld der Stressleiste (Wert 6) und nehmen sich 6 der 9 Sanduhren ihrer Farbe. Es werden von den Lebenswerkkarten so viele gezogen, wie Personen mitspielen und alle bekommen 2 Innere Kind-Karten und wählen sich eine davon aus. Die Lebenswerkkarten zeigen Bedingungen für Sonderpunkte auf, die Inneren Kinder bringen eine besondere eigene „Fähigkeit“ mit sich und legen die eigenen Startressourcen fest. Dann legen wir noch den Rundenzähler auf die Rundenleiste (von Teenager über Erwachsener bis zu Lebensabend) und sperren drei Felder ab, die man als Teenager nicht nutzen darf. Von den Zielkarten und Gegenständen werden je vier aufgedeckt und offen auf ihre jeweiligen Plätze gelegt. Und schon geht es los. Klingt nach viel Arbeit, ist es aber dank des tollen Inlays nicht.

Und was dann auf dem Spielbrett passiert ist bis ins letzte Fitzelchen vom Thema nur so durchdrungen, dass man es jedem Kind wirklich schnell beibringen kann, ohne dass der Spielablauf zu simpel oder gar belanglos wäre. Die einzelnen Runden (maximal 8) gliedern sich in 4 Phasen: Phase 1 ist die Vorbereitung, die in der ersten Runde übersprungen wird. Der Rundenmarker wird eins vorgerückt und im Lebensabend bekommt man Stress. Alle schauen, wo sie auf der Stressleiste stehen und nehmen sich so viele Sanduhren, wie dort angegeben sind. Je mehr Stress man hat, desto weniger Zeit hat man. Übersteigt der eigene Stress die vorhandene Leiste, stirbt man und spielt nicht mehr mit. Dann werden alle ausliegenden Karten durch neue ersetzt und die neue Runde kann losgehen. Sie beginnt mit der Unterhaltsphase, die zu Beginn ebenfalls übersprungen wird. Hier wird zunächst geschaut, ob man mehr als in Summe 3 Ziel-/Job-/Partnerkarten hat. Ist dem so, gibt es einen Stress für jede Karte, die die 3 übersteigt. Dann schaut man sich an, wie viele Partner man hat. Ist es mehr als 1, gibt es auch hier Stress für jede übersteigende Partner/in. Hat man nun Karten, die „unterhalten“ werden wollen, dann muss man deren Unterhaltskosten jetzt zahlen, oder man verliert die Karte. Oder, um im Thema zu bleiben, hat man ein Boot oder ein Haus oder anderen Schnickschnack, so muss man Geld für die Instandhaltung zahlen, sonst gehen die Sachen kaputt. Hat man einen Job, so muss man Zeit und Ressourcen investieren, sonst verliert man diesen. Hat man eine/n Partner/in oder gar schon eine Familie gegründet, so kostet auch dies Zeit, sonst wird man verlassen. Verliert man eine Karte, verliert man ein Glück und bekommt ein Stress. Ist diese Phase beendet und sind noch mindestens zwei Spielende noch am Leben, geht es in die Aktionsphase. Hier finden wir im Kern klassisches Workerplacement light: Wir nehmen unsere Sanduhren und setzen sie auf die Felder. Steht dort bereits eine fremde Sanduhr, spielt das keine Rolle. Steht dort bereits min. eine eigene Sanduhr, bekommen wir Stress. Zu Spielbeginn können wir mit den Feldern entweder schlicht eine der vier Ressourcen erhalten, uns ein Ziel setzen oder einen Gegenstand/eine Aktivität erwerben/durchführen (also die entsprechenden Karten im Tausch gegen Rohstoffe nehmen). 


Ab der zweiten Runde können wir uns auch einen Job suchen, eine/n Partner/in daten oder Überstunden machen (eine Zeit setzen, um 2 zu bekommen, bringt aber Stress). Alternativ können wir uns mit einer Aktion ausruhen, womit wir 2 Stress verlieren. Aber nur, wenn wir im gleichen Stressabschnitt bleiben. Um einen ganzen Stressabschnitt zurückzugewinnen, brauchen wir Herzen, die es als (ziemlich rare) Belohnungen gibt. Haben wir erstmal eigene Karten vor uns liegen, können wir unsere Zeit (also Sanduhren, also Worker) auch gezielter in diese investieren. Alle Karten sind nämlich in mehrere Abschnitte unterteilt. Je nach Art der Karte beginnt man entweder ganz oben und arbeitet sich mit jeder Aktion weiter runter (so z.B. bei den Zielen und den Jobs) oder man wählt gezielt einen Abschnitt aus (bei den Gegenständen/Aktivitäten, den kurzfristigen oder Gruppen-Zielen). So oder so kann man alle Karten, die man behalten kann (kurzfristige und Gruppenziele wirken nur eine Runde), im Spielverlauf „leveln“. Bei den Partnerkarten beginnt man mit einem Date, geht dann eine Beziehung ein und gründet auf Level 3 eine Familie. Einen Job beginnt man auf unterschiedlichen Leveln (je nach Karte) und kann sich im Job befördern lassen und irgendwann in den Ruhestand gehen (der hier durchaus lukrativ ist, da man Geld ohne Unterhaltskosten bekommt – wobei man grundsätzlich immer nur einen einzigen Job zur gleichen Zeit haben kann). Und bei den persönlichen Zielen kommt man dem Hauptziel am Ende der Karte mit jedem Level näher, bis man es endlich erfüllt (und die Karte dann nicht mehr zum 3er-Limit dazuzählt). Jede Karte bringt beim Erwerben/Leveln/Unterhalten Boni, die von Ressourcen, über Glück, Gesundheit bis hin zu Zufriedenheit (= Siegpunkte) reichen können. Haben alle Mitspielenden ihre vorhandene Zeit im jeweiligen Lebensabschnitt aufgebraucht, setzt die letzte Phase ein. Hier wird der Startspielmarker weitergegeben, das Glück (aber nicht der Stress!) aller wieder auf den Startpunkt gesetzt, erfüllte Ziele zur Seite geräumt und alle Sanduhren abgeräumt. Dann folgt die nächste Vorbereitungsphase. Dies geht so lange, bis alle Mitspielenden ihrem Stress erlegen sind oder eben die achte Runde endet (doch zu letzterem kommt es eher selten, meist ist nach der siebten Runde bzw. zu Beginn der achten Schluss). Dann werden noch offene Lebenswerke gewertet und es gewinnt, wer die meisten Punkte hat. Im Solospiel muss man alle ausliegenden Lebenswerke (mit Solo-Anforderungen) erfüllen und eine bestimmte Anzahl an Punkten erreichen, um siegreich zu sein. Die übrigen Regeln sind die gleichen wie mit mehreren Mitspielenden.


So. Viel Text für eigentlich simple Mechaniken, aber der Flair, der sich vor einem ausbreitet ist wirklich toll. Denn auch wenn man hier natürlich während des Spielens nicht voll im Thema ist - nach dem Motto „ich möchte gern Brettspielerfinder werden und eine Villa besitzen, um anschließend auf der Go-Kart-Strecke meinen Stress abzubauen“ - sondern man durchaus hauptsächlich schaut, welche Karten einem welche Boni bringen und was man dann dafür wiederrum anderes kaufen/erfüllen kann, so ist die thematische Einbettung erstklassig und super geeignet, allen Neueinsteigenden das Spiel schnell zu erklären. Und es hilft auch dabei, während des Spiels alles am Laufen zu halten. Unsere 8jährige bspw. war sofort drin. Und als ihr im Lebensabend die Zeit ausging und sie wählen musste, ob sie lieber ihren Job oder ihren Partner behalten wollte, konnte sie sehr schnell überblicken, was ihr die höchste Zufriedenheit bringen würde und entschied sich natürlich….für den Job, denn sie konnte damit ihre Villa erhalten und hatte sogar noch etwas Geld über, um sich etwas zu kaufen, dass ihr noch mehr Zufriedenheit lieferte. Also ja, die Entscheidungen passen vielleicht nicht immer zum eigenen Weltbild, thematisch erklären kann man sie aber schon. Und dazu trägt vor allem die Liebe zum Detail und die Kreativität sowie der Humor der Karten bei, die hier bereits im Grundspiel stecken: Wenn ich mir das Ziel setze, Gesund zu leben, dann muss ich viel Sport treiben, was mich Extrazeit kostet, aber wenn ich das Ziel erreicht habe, winkt zusätzliche Gesundheit, die mir am Ende vielleicht eine komplette Runde bringt. Diese komplette Runde hat aber meist maximal 3 Sanduhren und ich muss 3 Sanduhren im Erwachsenenalter in das Ziel investieren. Lohnt sich dieser „Tausch“ also überhaupt? Auch das muss jede/r für sich selbst entscheiden, je nachdem, was einem im Spiel mehr bringt.

Und nach all dem vielen Text über ein eigentlich gar nicht so kompliziertes Spiel, klingt es vielleicht schon durch: Ich fand bereits das Grundspiel fantastisch. Grade im Bereich der gehobenen Familien/unteren Kennerspiele, ist das Streben nach Glück in meinen Augen ein echtes Juwel. Kein Expertenkracher, nicht mal ein forderndes Kennerspiel, sondern ein schönes, fluffiges Spiel, das einem durchaus etwas Weitsicht und gute Planung abverlangt (auch wenn man aufgrund der ständigen Wechsel der Kartenauslage eben – wie auch im Leben - nicht alles planen kann) und wirklich richtig viel Spaß macht – und das bei einer moderaten Spielzeit und wenig Downtime, da man sehr schön den eigenen Zug planen kann, während die anderen an der Reihe sind. Das heißt aber natürlich auch, dass man hier eher nebeneinander her als miteinander spielt und die Interaktion lediglich im Karten-vor-der-Nase-Wegschnappen sowie im Rennen um die meiste Zufriedenheit besteht.


So. Viel Lobhudelei für das Basisspiel. Nun kommt die Big Box aber noch mit drei größeren Erweiterungen und unfassbaren vielen zusätzlichen Karten, die zum Teil auch eigene Mini-Mechaniken mit sich bringen. Ich versuche, mich kurz zu halten, denn auch wenn sich die Art und Weise, wie man Karten „abarbeitet“ mitunter ändert, wird das Spielgefühl durch die Erweiterungen nicht anders, sondern breiter, offener, mit mehr Möglichkeiten, seine Spiel-(Lebens-)Zeit zu verbringen. Man könnte sagen, noch thematischer. Und ja, dadurch wird es komplexer, „kennermäßiger“, ohne seine Leichtigkeit einzubüßen. Wobei ich durchaus empfehle, nicht nach der ersten Partie einfach alles in die Partie zu mischen, sondern nach und nach immer etwas mehr dazu zu nehmen, sonst kann es verwirrend werden. Da wären einerseits die drei Erweiterungen, Nachbarschaft, die weite Welt und Nostalgie. Bei der Nachbarschaft kommen neue Karten samt Board ins Spiel. Hier kann ich mit einem zusätzlichen Marker in der Nachbarschaft aushelfen und bekomme am Rundenende Boni sowie Beliebtheit und darf Beliebtheit direkt in Zufriedenheit „umwandeln“. Die weite Welt lässt mich Reisen planen (Karte nehmen) und durchführen (Karte „abarbeiten) und ich kann von der Zukunft träumen. Dabei lege ich bis zu drei der „regulären“ Karten auf ein spezielles Playerboard und sammle dort je Karte spezielle herzförmige Tokens (max. 3). Die Karten kann ich mit den regulären Aktionen von dem Board in meine Auslage legen und jedes Herzchen wird dann in Siegpunkte umgewandelt (sprich: Wenn ich mir meine Träume erfülle, erlange ich Zufriedenheit). Kann ich einzelne Träume bis zum Spielende nicht erfüllen, verliere ich im Gegenzug aber Zufriedenheit (sprich: ihr wisst, was ich meine). Die Nostalgieerweiterung läuft etwas anders, als andere Spielelemente. Hier bekommen alle zu Beginn des Spiels je 8 zufällige Karten und ein kleines Board. Möchte man eine Karte nutzen, spielt man diese mit der Erinnerungs-Seite auf eine der beiden Plätze des eigenen Boards und muss hier erstmal bestimmte Bedingungen erfüllen (ohne Sanduhren nutzen zu müssen), die man mit kleinen Holzhäckchen abhakt. Hat man alles abgehakt, kann man die Erinnerungen realisieren (die Karte umdrehen) und bekommt ganz besondere Belohnungen wie z.B. Zufriedenheit, Rohstoffe, wiederholt levelbare Karten, aber auch Sonderfähigkeiten für den weiteren Spielverlauf.

Und als wären diese Erweiterungen an sich nicht schon genug, kommen noch diverse zusätzliche Module (teils durch die Erweiterung selbst, größtenteils durch die KS-Promopacks, die enthalten sind) ins Spiel, die man einbauen kann, oder auch nicht. So können Spielende mit erlevelter Familie Kinder bekommen oder von Anfang an alleinerziehende Daten, man kann sich Haustiere anschaffen, Freunde finden (kommen auch mit eigenem Board), Ereignisse zu Beginn jeder Runde aufdecken, Trends verfolgen (bestimmte Ziele bringen am Spielende Zusatzpunkte), gemeinsame Freunde (Karten, die jeweils zwischen zwei Spielenden liegen) für sich begeistern, die Verwandtschaft beerben, in die Schule gehen (= als Teenager bereits Jobs oder ganz bestimmte Ziele annehmen), Selbstständig werden, ein Geschäft eröffnen. Daneben bringen die Packs viele neue zusätzlichen Karten für alle anderen Kartenstapel mit, so dass diese mitunter beträchtlich anwachsen.


Ich könnte hier noch lange und ausschweifend auf jedes dieser Module eingehen, aber im Kern sind verändert keine davon den grundlegenden Spielablauf, sie machen nur das Spiel thematisch tiefer und fächern die verfügbaren Möglichkeiten weiter auf. Und nein, man muss diese ganzen Module nicht haben, um mit dem Streben nach Glück Spaß zu haben. Aber es macht eben auch Spaß, immer neue Karten zu entdecken, wenn man das Grundspiel einmal „durch“ hat. Die eigentlichen Erweiterungen dagegen möchte man irgendwann nicht missen, da das Spiel durch diese schlicht eine Schippe komplexer wird und die Entscheidungen nicht mehr so schnell getroffen werden können.

Sehr viel Text für eine riesige Box mit großem Thema und genialer Umsetzung. Wie gesagt, auf oberem Familien-/unterem Kennerniveau in der Basisversion und durchaus ordentlichem Kennerniveau, wenn man alles in die Partie integriert. Ich bin ein echter Fan vom Streben nach Glück geworden und kann es allen empfehlen, die gern ein locker fluffiges Ressourcenmanagement/Workerplacement-Spiel mit gutem Humor und nicht allzu gravierenden Entscheidungen/Konsequenzen spielen möchten, bei denen schlicht der Spaß im Vordergrund steht und nicht die Turbo-Optimierung (wenngleich man das hier sicherlich auch exerzieren könnte).
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Das Streben nach Glück von Adian Abela, Vangelis Bagiartakis, David Chircop, Konstantinos Kokkinis, Theo K. Mavraganis
Erschienen beim Kobold Spieleverlag
Für 1 bis 5 Spieler in ca. 90 - 120 Minuten ab 12 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Kobold)
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