Ich bin ein großer Fan von “Im Gleichgewicht des Schreckens” (im Original “Twilight Struggle”), aber leider hat das Spiel eine ziemlich hohe Zeithürde, denn eine Partie geht schnell mal ein paar Stunden, auch wenn diese wie im Flug vergehen. Nun gibt es bei GMT allerdings eine Spielereihe die sich “Lunchtime Series” nennt und eine ähnliche Erfahrung in kürzerer Zeit verspricht. Gepaart mit Twilight Struggle wurde ich gleich hellhörig und bin gespannt was uns Autor Jason Matthews bietet und ob sich trotz der kürzeren Spieldauer ein episches Gefühl entwickelt.
Obwohl wir uns ins Jahr 1974 begeben, ist das Thema dieses Spiels leider immer noch sehr aktuell, denn es geht um den Konflikt rund um das Rote Meer, welchen wir derzeit auch wieder erleben und zum Teil davon betroffen sind. Zurück in der Geschichte: Haile Selassie, Imperator Äthiopiens und Verbündeter der USA wurde gestürzt und eine marxistische Koalition übernahm die Macht, was zu einigen Ereignissen führte, die wir hier nun mehr oder weniger nachspielen.
Mechanisch begeben wir uns in bekannte Gefilde, in denen wir Karten entweder für das genannte Ereignis spielen oder für Operationspunkte, mit denen wir dann weitere Aktionen wie Einfluss und Putschversuche unternehmen können. Einfluss in den Großteil der Länder zu erhalten ist essentiell, denn es gibt immer mal Wertungen einzelner Regionen, über die ich Punkte sammeln kann. Sollte es einer Seite gelingen, den Punktemarker auf die 10 zu bringen, gewinnt sie das Spiel, aber wie schon beim großen Bruder, ist es mehr ein Tauziehen. Sollte also z.B. die amerikanische Seite gerade mit 6 Punkten führen und die Russen bekommen Punkte, bewegen wir den Punktemarker zunächst Richtung Null und falls diese überschritten wird, wechselt die Seite und es geht für die Russen ins Positive.
Es gibt aber auch weiterhin den DEFCON-Status, also die Gefahr vor einem Atomkrieg, sollte hier ein Spieler für Status 1 verantwortlich sein, verliert derjenige. Die Kürze des Spiels kommt aber nicht nur von der kleineren Karte, die nur 11 Länder plus See beinhaltet, sondern auch, dass nur zwei vollständige Runden gespielt werden.
Das macht TS: Red Sea zu einem super knackigen Spiel, in dem man sich kaum Fehler erlauben kann, da es kaum Zeit gibt, diese wieder auszubügeln. Optional kann man mit Karten aus dem Grundspiel noch eine dritte Runde hinzufügen. Andersrum kann man die Red Sea Karten auch im Grundspiel verwenden.
Was soll ich sagen, das Prinzip Twilight Struggle gefällt mir auch weiterhin sehr gut und bringt mir Spaß. Red Sea wäre jetzt vielleicht nicht mein persönlicher Top-Pick als herausgehobenes Thema innerhalb des Kalten Krieges, aber das ändert nichts daran, dass man sich hier ein knallhartes Duell liefert. Im Grundspiel war Aufmerksamkeit gefragt, um zu erahnen, in welcher Region eventuell eine Wertung ansteht, das ist hier nicht vorhanden. Hier ist von vornherein klar: zwei Regionen und auch nur zwei Runden, also jedes Land ist wichtig, wobei es natürlich hier noch mal herausgehobene Regionen gibt, wie z.B. Ägypten oder Saudi-Arabien. Man schenkt sich nichts und jede Aktion will gut überlegt sein.
GMT verspricht ein Mittagspausen-Spiel und ja, das wird eingehalten. Das Spiel spielt sich flott runter und bringt einem trotzdem das Twilight Struggle Gefühl und eignet sich auch hervorragend, einem neuen Spieler das Prinzip beizubringen. Also für mich ein Must-Have-Titel, wenn man in diesem Bereich anfangen möchte oder andere dazu bringen möchte. Chapeau, GMT - alles richtig gemacht!