La Granja: Deluxe-Ausgabe

Wer an Mallorca denkt, hat wahrscheinlich gleich Bilder im Kopf von Touristen im Bierkönig mit Anglerhut und weißen Socken in den Adiletten, Sangria aus Eimern trinkend und Jürgen Drews auf der Bühne bejubelnd. Doch Mallorca ist so viel mehr, vor allem im Westen, der vom Tramuntana-Gebirge bestimmt wird. Dort liegt das Landgut La Granja, ein uralter Gutshof, der bereits vor über tausend Jahren landwirtschaftlich genutzt wurde und in 2014 als komplexes Eurogame La Granja verewigt wurde.

Das Landgut in Form des Spiele-Klassikers erhielt nun 2023 einen neuen Anstrich und wurde als La Granja: Deluxe-Ausgabe auf Englisch mithilfe von Kickstarter und auf Deutsch in der Spieleschmiede finanziert und veröffentlicht. Eine umwerfend schöne Big Box mit neuem Artwork von Agnieszka Dabrowiecka, die man sich ohne Probleme als Poster an die Wand hängen könnte. Dazu dreilagige Spieler-Tableaus, siebbedruckte Holzkomponenten, Inlays für einen erleichterten Aufbau und nicht zuletzt einen neuen Solo-Modus und zahlreiche Module, die das Spiel erweitern.

Doch zunächst die Basics in aller Kürze: Im Kern ist La Granja ein Aufbauspiel mit einem durch Würfel getriebenen Aktionsauswahlmechanismus, bei der wir unsere Farm bewirtschaften und so die meisten Siegpunkte versuchen zu erhalten. In der Hofphase spielen wir Karten in unseren Hof und legen sie entweder links, rechts, oben oder unten an, wobei sie auf jeder Seite einem anderen Zweck dienen (oben beispielsweise als Marktkarren, den wir mit Ressourcen zu befüllen versuchen). Anschließend erhalten wir Einkommen, unsere Schweine zeugen Nachwuchs, Oliven, Getreide und Weintrauben wachsen auf unseren Feldern und wir können Dachplättchen erwerben.

In der anschließenden Ertragsphase wählen wir mithilfe der dazugehörigen Würfel Aktionen aus und erhalten so weitere Ressourcen, können diese transportieren oder aufwerten. In der Transportphase dann liefern wir unsere Hofgüter auf unsere Marktkarren oder zu Handwerksgebäuden im Dorf, den zwei Hauptquellen der Siegpunkte in La Granja. Zuletzt werden in der Wertungsphase einige Siegpunkte zwischen den Runden verteilt und nach der 6. Runde gibt es eine Endwertung.

So weit ist inhaltlich noch nichts neu an der Deluxe-Ausgabe von La Granja und wer das Spiel genauso spielen möchte und dabei keinerlei Wert auf die Gestaltung legt, kann dies auch problemlos in der 2014er-Ausgabe tun. On top bietet die Deluxe-Ausgabe jedoch noch satte 12 Module, teilweise von den Autoren des Grundspiels, teilweise aber auch von namhaften anderen Autoren. Diese reichen von ganz kleinen zusätzlichen Elementen wie den „Löchrigen Dächern“ bis hin zu neuen Marktgebäuden in der „Quirligen Stadt“ oder „Ratgebern & Banditen“, mit denen Stefan Feld mehr direkte Interaktion ermöglicht hat.

Teilweise steigern diese Module die Komplexität des ohnehin bereits komplexen Grundspiels noch einmal enorm, was besonders Liebhaber von La Granja ansprechen dürfte. Andere Module wie die weiteren Hofkarten, die die Deluxe-Ausgabe mitliefert, kann man beim ersten Spiel getrost hineinmischen, ohne das Spielerlebnis viel komplexer zu machen. Alle Module werden in einer zweiten Anleitung ausführlich dargestellt. Diese Aufteilung der Anleitung in separate Hefte für Grundspiel, Module, Glossar und schließlich den Solo-Modus hilft enorm dabei, den Überblick beim Einstieg zu bewahren.

Als Solo-Spieler habe ich mir auch den neuen Solo-Modus von La Granja angeschaut. Im Original konnte man dabei relativ unbehelligt Punkte sammeln und wurde vor keine wirkliche Aufgabe gestellt. Eine kleine Beschränkung bei den Ertragswürfeln machte uns das Landleben etwas schwerer, aber ansonsten farmten wir 6 Runden lang vor uns hin und konnten uns allenfalls mit uns selbst in vorherigen Partien vergleichen. Der neue Solo-Modus, designt von David Turczi und John Albertson führt nun einen Esel-Automa ein, der uns das Leben in jeglicher Hinsicht schwer macht. Gesteuert durch Esel-Karten macht er kontinuierlich Punkte und uns das Leben schwer. Mir persönlich gefällt der alte Modus, trotz der fehlenden Herausforderung, letztlich besser als der „Leons Herde“-Automa. Wenn ich ein Spiel solo spiele, möchte ich mich ganz auf meine Strategie und meine Züge konzentrieren können. Der neue Automa ist allerdings so spiel-intensiv, dass ich mich zwischen meinen Runden zu sehr mit ihm beschäftigen muss und seine Aktionen nachhalten muss. Da schaffe ich es nicht, noch gleichzeitig meine Planung gänzlich im Kopf zu behalten. Wer jedoch eine größere Solo-Herausforderung sucht und wem das zusätzliche Management von Karten nicht ausmacht, dürfte sich damit wohler fühlen.

Ich habe La Granja zum ersten Mal in genau dieser Deluxe-Ausgabe kennengelernt. An der 2014er-Version wäre ich vermutlich vorbeigegangen ohne sie eines Blickes zu würdigen. Insofern ist es großartig, dass diese Big-Box-Ausgabe das immer noch fantastische Spiel wieder einer breiten Masse verfügbar gemacht hat. Die Aktionsauswahl über die Würfel, der Markt-Mechanismus mit Area Control-Elementen (diesen hatte ich in der Übersicht der Einfachheit halber ausgelassen zu beschreiben) und insbesondere die Multifunktionskarten, deren Gebrauch ich optimiere, haben es es mir schwer angetan. 

Aber Mannomann, ist das eine große Box! Natürlich ist sie wunderschön, das Spiel ist großartig und hat es ja auch verdient, so wunderbar neu aufgelegt zu werden und dennoch hadere ich sehr mit dem Kasten in meinem Regal. Braucht es diese Fläche wirklich für ein einziges Spiel? Diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Vielleicht wird La Granja euer Go-To-Game und ihr freut euch, jedes Modul raus und runter zu spielen. Sicherlich lohnt es sich dann in der Anschaffung und Lagerung. Seid ihr nur auf der Suche nach einem interessanten und komplexen Euro. das ihr in eher unregelmäßigen Abständen mal auf den Tisch bringt, ist es vielleicht nichts für euer Regal. So oder so: La Granja ist ein großartiges Spiel mit großartigem Design und Material, das wenige Wünsche offen lässt. Für mich dürfte es aber eine Nummer kleiner sein. Dann könnte ich es vielleicht auch mit nach Mallorca nehmen und dort stilecht mit einem Glas Rotwein und einer Schale Oliven in der Abendsonne mit Blick auf die Sierra di Tramuntana genießen!