Ist es ein Roller? Ist es ein Flugzeug? Nein, es ist Die Turbine! Voller Bewunderung blicken die Bewohner der Großstadt in Neue Helden…braucht das Land! auf die junge Dame mit ihrem gelben Helm und dem roten Overall, die in atemberaubender Geschwindigkeit angedüst kommt, um die Welt vor Dr. Übel zu retten. So stellt es sich Die Turbine jedenfalls selbst vor, denn momentan ist sie noch eine Möchtegern-Heldenanwärterin und ihre ersten Missionen bestehen erst einmal darin, den Müll rauszubringen, den Rasen zu mähen und eine Oma über den Zebrastreifen zu begleiten.
Neue Helden…braucht das Land! ist ein Familienspiel von Robert Heller, das bis zu acht angehende Superhelden bei ihrer Ausbildung begleitet. Dabei hat jeder Held eine individuelle Fähigkeit und drei verschiedene Werte in Bewegung, Kraft und IQ, die wir benötigen, um uns über den Stadt-Spielplan zu bewegen und an verschiedenen Orten Missionen zu erfüllen. Wer dadurch am schnellsten 50.000 Fans erlangt, gewinnt das Spiel.
Der Spielablauf: Bewegen und Missionen erfüllen
In unserem Zug wählen wir eine der drei ausliegenden Missionskarten, die jeweils an einem bestimmten Ort auf der Karte erfüllt werden müssen. Anschließend bewegen wir unseren Helden entsprechend seines Bewegungswertes. Falls wir schon am Ort unserer Mission angekommen sind, können wir versuchen, diese zu erfüllen. Dazu müssen wir den vorgegebenen Kraft- und IQ-Wert erreichen. Falls unser Charakter diese Werte nicht schon mit sich bringt, würfeln wir jeweils mit einem Würfel und addieren den Wurf zu unserem Wert. Erreichen wir die notwendige Voraussetzung, ist die Mission geschafft.
Für erfolgreiche Missionen erhalten wir in Neue Helden Fans (also Siegpunkte) und Heldenpunkte. Letztere können wir im nächsten Schritt ausgeben, um dauerhafte Ausrüstung und einmalige Werkzeuge zu kaufen oder ansparen, um uns bei künftigen Missionen zu helfen. Erreichen wir keine Mission oder fühlen uns dazu noch nicht bereit, können wir ein Training absolvieren. Dabei entscheidet ein Würfel zufällig, ob das Training erfolgreich war und wir einen unserer Werte dauerhaft um 1 steigern oder ob wir scheitern und künftig sogar einen Punkt weniger als unseren Ausgangswert haben.
Schließlich folgt im Zug jeden Spielers eine Phase, in der alle anderen Helden sich um ein Feld bewegen können. Diese Mechanik sorgt dafür, dass man immer mal wieder außer der Reihe etwas zu tun hat und auch etwas größere Strecken in der Stadt zurücklegen kann.
Eine notwendige Abwechslung: Die Helden-Rangelei
Eine weitere Möglichkeit, in Neue Helden Fans / Siegpunkte zu erlangen, ist die Helden-Rangelei. Treffen sich zwei Helden in der Stadt, würfeln sie ihren Kraft-Wert gegeneinander und der Gewinner erhält Fans, deren Anzahl vom jeweiligen Fortschritt der Beteiligten auf der Fan-Leiste abhängt. Die Sonderfähigkeiten einzelner Helden beziehen sich sogar direkt auf die Rangelei und lassen uns mehr Fans errangeln oder diesen sogar ganz aus dem Weg gehen.
Meiner Meinung nach bringt die Helden-Rangelei auch eine absolut notwendige Dynamik in Neue Helden…braucht das Land!, das sich ansonsten recht stringent und ohne große Höhepunkte spielt. Das Problem dabei: Der Stadtplan ist so groß, dass man sich mit wenigen Spielern zu gut aus dem Weg gehen kann und es kaum bis gar nicht zu Rangeleien kommt. Im Spiel zu sechst (das Spiel ist mit bis zu acht Spielern spielbar, was für diese Rezension nicht ausgetestet werden konnte) gab es deutlich mehr Begegnungen. Für einige Helden war aber durch den fehlenden Wert auf Kraft klar, dass sie den Rangeleien eher aus dem Weg gehen. Andere mussten sich entscheiden, ob sie ihre Bewegungspunkte dann verbrauchen, um ihre nächste Mission zu erreichen oder eine einzelne Rangelei für weitaus weniger Fans verursachen.
Ein weiteres Problem mit der hohen Spielerzahl war die lange Wartezeit zwischen den Zügen. Zwar kann man am Ende jedes Zuges der Mitspieler seine Figur um ein Feld bewegen, aber dies ist erstens nicht immer nötig und erfordert zweitens keine nennenswerten Überlegungen. Dadurch ist man doch die meiste Zeit im Zug der anderen mit all seinen Schritten sehr inaktiv und uninteressiert. Das Problem: Mit deutlich weniger Helden auf dem Brett werden die Rangeleien seltener und das Spiel insgesamt uninteressanter. Aus diesem Grund sieht die Anleitung auch eine Team-Variante vor, die jeden Spieler auch mehrere Helden steuern lässt. Dies wird aber schnell unübersichtlich und die eigenen Team-Mitglieder rangeln dann ja doch nicht miteinander.
Hoher Zufallsfaktor
Ein weiterer Kritikpunkt an Neue Helden ist der hohe Zufallsfaktor. Bei den Missionen gibt es noch einige Möglichkeiten, mit schlechten Würfen umzugehen (bspw. durch Heldenpunkte oder Ausrüstung), aber insbesondere beim Training heißt es hopp oder topp. Dabei verstehe ich überhaupt nicht, warum eine misslungene Trainingsprobe auch noch den eigenen Wert verschlechtert. Ich habe doch bereits einen Zug geopfert und nichts erhalten, braucht es denn dann noch die zusätzliche Strafe? Diese Misserfolgs-Regelung führte zu einigem Frust in meinen Proberunden. Immerhin möchte man einen Wert trainieren, um das Bestehen von Missionen wahrscheinlicher zu machen. Meint es der Zufall schlecht mit uns, brauchen wir mehrere Runden, um hier voranzukommen.
Die Helden sind allesamt witzig gestaltet und mir persönlich gefallen besonders die einfallsreichen Missionskarten, die die Spieler durch Titel und Gestaltung immer wieder schmunzeln lassen. So kann man sich gut vorstellen, dass Der Kolibri (nachdem er zum Beginn seines Zuges Taschengeld von Mutti kassiert hat) mit seiner Spezialfähigkeit leichtfüßig zum nächsten Missions-Hotspot flattert, dort eine Dose Spinat als Werkzeugkarte zu sich nimmt und so als Mission eine Grippewelle stoppt. Insbesondere an der Gestaltung und thematischen Einbindung dieser Karten spürt man, wie viel Herzblut des Autoren in Neue Helden…braucht das Land! geflossen ist.
Fazit: Angehende Superhelden nur für angehende Brettspieler
Bei allem Herzblut bleibt bei mir allerdings der Eindruck, dass Neue Helden…braucht das Land! etwas aus der Zeit gefallen ist. Es fühlt sich beim Spielen an wie ein Roll & Move-Spiel mit hohem Zufallsfaktor und Wartezeiten alter Schule. Das Spiel macht nichts so richtig neu obwohl wir unsere Helden mit Training, Ausrüstung und Werkzeug verbessern können, fühlen sich spätere Missionen nicht viel belohnender an als frühere. So ergibt sich im Laufe einer Partie kaum eine spannende Entwicklung zum Ende hin. Gerade in den Partien mit höherer Spielerzahl waren einige Mitspieler schon mehrere Runden vor Schluss punktemäßig so weit hinter den anderen, dass sie schnell die Lust am Spielen verloren. Empfehlen kann ich daher Neue Helden…braucht das Land! nur Familien, die die ersten Schritte in Richtung etwas anspruchsvollerer Brettspiele gehen und sich dabei von dem Superhelden-Thema und seiner witzigen Umsetzung abholen lassen möchten. Für Hobby-Spieler ist es am Ende vielleicht dann doch nicht so interessant, den Müll rauszubringen.
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Neue Helden...braucht das Land! von Robert Heller
Erschienen bei Spiel das!
Erschienen bei Spiel das!
Für 2-8 Spielende in 60-90 Minuten ab 8 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Spiel das!)