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15.10.2023

Disney Lorcana


Selten war der Hype um die Veröffentlichung eines Spiels so groß wie bei Ravensburgers neuem Sammelkartenspiel Disney Lorcana. Angefacht von einer riesigen Marketing-Kampagne gab es auf der US-Spielemesse GenCon in Indianapolis Schlangen vor dem Ravensburger-Stand, die sich quer über das Messegelände zogen und auch hierzulande waren die verfügbaren Karten innerhalb kurzer Zeit vergriffen oder nur noch auf dem Zweitmarkt erhältlich. Doch worum geht es in Lorcana überhaupt und lohnt es sich auf den Hype-Train aufzuspringen?

Als sogenannte Luminari treten wir in Disney Lorcana gegeneinander an, um mithilfe von Tinte Abbilder von vertrauten Disney-Charakteren hervorzurufen und mit ihnen den Gegenspieler herausfordern oder Legenden zu sammeln. Es gewinnt, wer zuerst zwanzig Legenden auf dem Konto hat. Dabei helfen uns neben den Charakteren auch Gegenstände und Aktionen aus der Disney-Welt.


Die Karten haben dabei für Kartenduell-Spiele sehr typische Werte: Tintenkosten zum Ausspielen, Stärke zum Angriff, Willenskraft als Equivalent zur Lebensenergie und ein Legendenwert, der anzeigt, wie viele Legenden gesammelt werden, wenn der Charakter erkundet.

Das Gameplay ist denkbar einfach. Nach dem Aufnehmen einer Starthand ziehen wir zu Beginn unseres Zuges eine Karte aus unserem Deck und können dann Karten ausspielen und mit den bereits ausgespielten Karten Aktionen ausführen. Wir spielen Tinte in unseren Vorrat, nutzen Aktionen oder die besonderen Fähigkeiten der Charaktere, sammeln Legenden oder fordern den Gegner heraus.


Sehr gut gefällt mir hierbei die Mechanik, dass die meisten Karten als Tinten-Ressource gespielt werden können. Es müssen also keine bestimmten Tintenkarten im Deck eingeplant werden. Vielmehr muss immer wieder die Entscheidung getroffen werden, ob eine Karte dauerhaft als Tinte genutzt oder sie im Laufe der Partie mit ihrer Vorderseite und all ihren Fähigkeiten ins Spiel gebracht wird.

Da wir in Lorcana jede Runde nur eine Tinte hinzufügen können, entwickelt gerade der Beginn einer jeden Partie einen besonderen Reiz. Hier gilt es gut zu planen, wie ich Runde für Runde meinen Tintenvorrat vergrößere und welche günstigen Karten mir anfangs weiterhelfen, um in späteren Runden auf Karten zurückzugreifen, die viel Tinte kosten, dafür aber auch wesentlich stärker sind.


Eine Besonderheit bei den Karten, die positiv in Erinnerung bleibt, sind die Lieder: Bestimmte Aktionen, die wir nicht nur über ihre reguläre Tinten-Kosten ausspielen können, sondern die wir auch auf den Tisch bekommen, indem wir Charaktere erschöpfen, um dieses Lied zu singen. Hier werden ganz besonders die Erinnerungen an die Disney-Filme geweckt, von denen der Flair des Spiels lebt.

Beim Deckbau selbst gibt es in Disney Lorcana wenige Einschränkungen. Ein Deck muss immer aus 60 Karten bestehen, jede Karte darf maximal vier Mal im Deck sein und das Deck darf nur Karten von ein oder zwei der insgesamt sechs Tintenfarben enthalten. Die unterschiedlichen Farben legen im Gameplay unterschiedliche Schwerpunkte. So beinhalten etwa rote Rubin-Decks oft sehr aggressive Karten, die auf Angriff ausgerichtet sind, während die violette Amethyst-Gruppe einige Karten beinhaltet, die mich weitere Karten ziehen lassen.


Die Möglichkeit, Karten zu ziehen, bzw. das Fehlen dieser Möglichkeit, ist dabei mein größter Kritikpunkt im Bereich Deckbau und Gameplay. Dadurch, dass ich in den meisten Runden (gerade zu Beginn) immer eine meiner Karten in Tinte umwandele und nur eine Karte nachziehe, schrumpft meine Hand mit jeder ausgespielten Karte. In mehreren Partien kamen wir so an den Punkt, dass wir zum Ende unserer Züge jeweils keine Karte mehr auf der Hand hatten oder nur noch eine. Zu Beginn des nächsten Zugs zogen wir also eine weitere Karte und es blieb uns gar nichts mehr übrig, als diese auszuspielen. Da war dann der Zufall sehr entscheidend, welche Karten gerade oben lagen. Sicher wird es mit der Veröffentlichung weiterer Kartensets die Möglichkeit geben, sich sein Deck so zu bauen, dass man die Karten suchen kann, die man braucht, aber ohne größeres Investment wird man dies kaum passend zusammenstellen können.

Diese Kritik schließt auch die Deckgröße insgesamt ein. Von den 60 Karten habe ich in all meinen Partien maximal die Hälfte gesehen und es ist auch mit einigem Deckbau unrealistisch, dass ich so viele Karten in meinem Deck brauche, um auf das Ziel von zwanzig Legenden hinzuarbeiten. Letztlich scheinen hier kommerzielle Interessen viel mehr im Vordergrund zu stehen, denn je größer das Deck sein muss, desto mehr Karten müssen gekauft werden.


Womit wir zur Gretchen-Frage eines jeden Sammelkartenspiels kommen. Lohnt sich das überhaupt? Verfügbar waren zum Verkaufsstart von Disney Lorcana drei Starter-Decks mit je 60 Karten aus zwei Tintenfarben sowie einem Booster, mit dem die Decks mit etwas Glück punktuell verbessert werden konnten. Diese bieten mit den oben genannten Einschränkungen ein fluffiges Gameplay und lassen sich gut nutzen, um in einigen Partien gegeneinander anzutreten. 
Dazu lassen sich Booster erwerben mit je zwölf Karten zu ca. 6€. Das ist ein stolzer Preis, wenn man bedenkt, dass es sechs Tintenfarben gibt, von denen mich nicht alle gleichermaßen interessieren. Natürlich macht es aber Spaß, die Booster zu öffnen und vielleicht doch einmal eine der begehrten legendären oder gar verzauberten Karten zu finden, die ansonsten für horrende Preise auf dem Zweitmarkt angeboten werden.

Hinzu kommen Lorcana-Begleitprodukte wie Kartenhüllen, Deckboxen, Sammelmappen und Playmats, die ebenso zu den Gesamtkosten beitragen. Weitere Produkte sind ein Geschenkset, bestehend aus verschiedenen Boostern und übergroßen Sammelkarten, die aber weder einen Wert zu haben scheinen, noch für das Spiel genutzt werden können. Auch die englischsprachige Illumineer’s Trove scheint mir kein besonders gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu bieten.


Empfehlen kann ich Disney Lorcana allen, die sich damit begnügen können, nicht alles haben zu müssen. Wer glücklich damit ist, mit den Starter-Decks gegen ein paar Freunde anzutreten und ab und an die Sammlung durch einen Booster erweitert und sein Deck so weiterentwickelt, wird bestimmt Spaß haben am schnellen Gameplay und den taktischen Entscheidungen, gerade zu Beginn einer Partie. 

Auch wer einfach Spaß hat am Sammeln und mit den Disney-Charakteren aufgewachsen ist und diese in Action erleben möchte, findet hier wunderschönes und kreatives Artwork und eine durchaus thematische Umsetzung vieler Karten. Hier muss aber damit gerechnet werden, dass der Geldbeutel ein wenig mehr leidet. Wer schließlich auf Turnieren mithalten will und ein kompetitives Deck bauen möchte, das aus bestimmten Karten besteht, braucht die größten Rücklagen, denn hier gilt: the sky is the limit! Ob man sich hierauf einlassen möchte oder am Ende doch zu Spielen greift wie Radlands oder Mindbug, die ein ähnliches Duell-Gefühl vermitteln für einen Bruchteil des zu investierenden Geldes, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ravensburger wird jedoch sicher nicht müde, uns mit regelmäßigem neuen Content für Disney Lorcana vor die Willensprobe zu stellen.
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Disney Lorcana von Ryan Miller und Steve Warner
Erschienen bei Ravensburger
Für 2(-6) Spielende in ca. 30 Minuten ab 8 Jahren

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Ravensburger)