Wir befinden uns auf den Kanarischen Inseln: angenehme Temperaturen, ein blauer Himmel, wunderschöne, endlos scheinende Strände, und idyllisch, in sich ruhende Vulkane. Leider schreiben wir nicht das Jahr 2023, sondern durchleben in Tindaya als Ureinwohner die gefährlichen Schattenseiten der Inselgruppe im 15. Jahrhundert. Werdet ihr zusammenhalten, wenn ihr nicht nur den herannahenden und alles einnehmenden und zerstörenden Konquistadoren, sondern zugleich auch gewaltigen Vulkanausbrüchen, verheerenden Tsunamis und dem erbarmungslosen Zorn der Götter ausgesetzt seid?
In Tindaya spielt man entweder kompetitiv (bzw. semi-kooperativ) oder kooperativ und versucht sich über drei Zeitalter hinweg auf der Inselgruppe auszubreiten, den eigenen Stamm weiterzuentwickeln und durch die richtigen Opfergaben die von den Göttern unvermeidlich heraufbeschworenen Katastrophen am Ende eines Zeitalters zu mildern. Hierbei hat man pro Zeitalter jeweils eine gewisse Anzahl an Aktionen zur Verfügung, wobei man im Laufe des Spiels weitere Aktionssteine sowie einmalig einsetzbare Extraaktionssteine durch das Weiterentwickeln des eigenen Stammes (z.B. im Bereich Viehzucht oder Fischerei) hinzubekommen kann. Mit den Aktionen kann man sich mit seinen Ureinwohnern auf den einzelnen Inseln oder auch von Insel zu Insel bewegen, wobei man für letzteres zunächst unter Abgabe von Ressourcen ein Kanu bauen muss, dass man dann jedoch mehrfach benutzen kann; man kann verschiedene Rohstoffe wie Holz, Lehm oder Minerale einsammeln, wobei diese innerhalb der Partie i.d.R. nicht mehr nachkommen; man kann Siedlungen errichten, je nach Kenntnisstand des eigenen Volkes Tiere einfangen, mit Hörnern oder Obsidianen bewaffnet gegen die Konquistadoren vorgehen und Opfergaben am Gipfel eines Vulkans erbringen, um die Götter zu besänftigen – und ja, auch die gefangengenommenen Konquistadoren lassen sich als Joker-Ressource sehr gut opfern…
Bei all diesen Aktionen steht das Ressourcenmanagement im Vordergrund. Um eine Partie Tindaya zu überleben, muss man sich vor allem auf dem Spielplan wohl überlegt ausbreiten, geschickt Ressourcen einsammeln, den eigenen Wissensstand des Volkes weiterentwickeln und alle Ressourcen parat haben, um sie am Rundenende an die Götter zu opfern. Doch auch die eigenen Leute müssen am Rundenende ernährt werden, dafür können sie sich aber auch vermehren, wenn sie sich am Rundenende gemeinsam in einem Dorf befinden. Schließlich hat man mit dem Stammesführer auch noch eine Extra-Spielfigur, die als einzige in der Lage ist, Opfergaben zu erbringen, und wenn diese sich am Ende des Zeitalters auf einem von einem Mitspieler kontrollierten Dorf befindet, bringt er das dort erlernte Wissen mit zu seinem Volk, sodass dieses den entsprechenden technologischen Fortschritt, z.B. in der Viehzucht, ebenfalls nutzen kann. Aus diesem Grund starten auch alle Völker mit unterschiedlichen Entwicklungsvoraussetzungen, sodass man schlussendlich voneinander lernen muss, um weiterzukommen und dadurch u.a. mehr Aktionssteine zur Verfügung zu haben.
Ein kurzes Zwischenwort: ihr merkt schon, dass es in Tindaya einiges zu tun gibt und es ist schlichtweg unmöglich in einer Rezension wie dieser das doch sehr komplexe Regelwerk übersichtlich darzustellen, da dieses hierfür viel zu kleinteilig und mit viel zu vielen Regeldetails daherkommt. Doch fahren wir fort…
Am Ende eines Zeitalters geht es dann so richtig los. 10 Positionen gilt es hier nacheinander durchzugehen, wodurch sich die Karte teils drastisch wandelt. Denn neben der Vermehrung und Ernährung der eigenen Bevölkerung, dem Managen des Abfalls und dem Lernen von anderen Völkern wird die Inselgruppe von einigen teils verheerenden Ereignissen getroffen. Die Katastrophen der Göttin Moneiba in Form von Tsunamis und anderen Gemeinheiten kommt vom Meer, während der Gott Acora in Form von Vulkanausbrüchen und ebenfalls fiesen Gemeinheiten, wie dem vollumfänglichen Abschlachten allen Viehs in einem bestimmen Umkreis, vom Land her das Verderben mit sich bringt. Während der Vulkan neue Landmassen erschafft und alles Leben in seinem Umkreis auslöscht, verwandelt der Tsunami bestimmte Landmassen wieder in Wasserfelder, sodass sich das Spielbrett immer wieder zwischen den Zeitaltern umformt. Wie groß die Reichweite des Vulkanausbruchs, der Tsunamis und der anderen Göttereffekte ist, hängt davon ab, ob man es vorab geschafft, die nötigen Ressourcen an die entsprechenden Gottheiten zu opfern. Außerdem können wir nun noch Brennmaterial an die Hellseher liefern, damit diese uns mit ihren Prophezeiungen vorauszusagen vermögen, wo die Katastrophen die Inseln im kommenden Zeitalter treffen werden. Ach ja, und natürlich landen auch neue Konquistadoren auf dem Festland und nehmen die sich dort befindlichen Forts in Beschlag.
Am Ende gewinnt man kooperativ, wenn man gegenüber den Konquistadoren insgesamt noch die Kontrolle über die Inselgruppe hat und die zu Beginn ausgeteilten Missionsanforderungen erfüllt, und natürlich zwischenzeitlich nicht bereits ausgelöscht wurde…
Spielt man jedoch gegeneinander gewinnt von den Überlebenden, die die obigen Voraussetzungen zum kooperativen Sieg erfüllen, derjenige, der Mehrheiten bei Rohstoffen hat, allgemeine sowie geheime Ziele erfüllt und über Solidaritätspunkte, die man durch das Ausspielen von Idolen – oh man, es gibt hier echt so viel Zeugs… – und auf andere Art und Weise erhält. Und als wäre das noch nicht genug, gibt es in semi-kooperativer Manier auch noch die Möglichkeit mit Verrätern zu spielen, die sich zu Spielbeginn mit ihrem Stammesführer in einem Fort den Konquistadoren ergeben. Im Laufe des Spiels wird ein solcher Verräter versuchen die anderen Völker gezielt zu schwächen und selbst mit den Konquistadoren zu wachsen. Und den Solomodus, der es ebenfalls in die Schachtel geschafft hat, habe ich nie ausprobiert und kann dazu daher also auch nichts vom Besten geben.
Wow, das war eine Menge Stuff, mit der Tindaya aufwartet. Tatsächlich war ich schon beim Regellesen leicht überfordert und musste am Ende das Spiel aufbauen und anspielen, um zu verstehen, was die Regeln da von mir wollen. Hat man den Ablauf nach einer ersten Lernpartie jedoch einmal verstanden, bleibt am Ende ein gar nicht allzu komplexes, aber ziemlich schwieriges Spiel auf einem sehr hohen Kenner- oder leichten Expertennieveau übrig. In vielen anderen Rezensionen bin ich auf Vergleiche mit Robinson Crusoe und Spirit Island gestoßen. Auch wenn sich meiner Meinung nach alle drei Spiele komplett anders anfühlen und spielen lassen, verstehe ich aufgrund des Schwierigkeitsgrades den Vergleich zu Robinson Crusoe und thematisch irgendwie auch den Vergleich zu Spirit Island. Dennoch bringt Tindaya ein komplett eigenes und irgendwie auch einzigartiges Spielgefühl mit sich.
Hier gibt es einiges zu entdecken und es gibt viele interessante und wirklich coole Aspekte, die ich hervorheben möchte. Neben der echt tollen und spielerisch sinnvoll eingebundenen Thematik, finde ich es auch echt cool, dass alle Völker mit unterschiedlichen Startvoraussetzungen starten und voneinander lernen müssen; dass sich das Spielfeld durch die Katastrophen immer wieder verändert; dass alle zusammen verlieren – auch im kompetitiven bzw. semi-kooperativen Modus –, wenn sie nicht auch zu einem bestimmten Grad zusammenarbeiten; und dass es so viele verschiedene Spielmodi für mehr Abwechslung gibt. All das macht aus Tindaya ein wirklich spannendes und sehr interessantes Abenteuerspiel.
Aber…
Tindaya hat meiner Meinung nach ein großes Problem, mit dem zumindest ich bis zum Ende nicht warm geworden bin und über das ich einfach nicht hinwegsehen kann; und dieses Problem heißt „Willkür“. Die Katastrophen der Gottheiten sowie das Einfallen der Konquistadoren kann wirklich absolut verheerend sein und die Herausforderung für die ganze Spielgruppe nahezu unmöglich machen, oder die Katastrophen betreffen die Gruppe oder einzelne Spieler in zwei von drei Zeitaltern überhaupt nicht, solange man die Gottheiten durch Opfergaben hier und dort besänftigt, da ansonsten die Reichweite der Effekte zu groß wird und diese schließlich alles vernichten. So kam es, dass wir ausgerechnet in unserer ersten (kooperativen) Partie das letzte der drei Zeitalter nicht mehr ausspielen mussten, da wir durch die Prophezeiungen bereits zu Beginn des Zeitalters wussten, wo die ganzen Katastrophen eintreffen würden und diese uns kaum betrafen. Wir mussten daher nur kurz überschlagen, ob unsere Ressourcen ausreichen würden und konnten das Ganze dann auch guten Gewissens aber recht enttäuscht abbrechen. In anderen Partien schlugen die Katastrophen so beinhart ein, dass wir nach dem zweiten Zeitalter im Grunde auch schon hätten abbrechen können. Doch in anderen Partien wurde es hinten raus dann doch noch echt spannend. Vielleicht macht für einige genau das auch den Reiz des Spiels aus, dass man halt nie sicher sein kann, was als nächstes passiert, bzw. sich nach erfolgreichem Aktivieren der Prophezeiung möglichst gut darauf auf alles vorbereiten muss. Mir persönlich ist das dann aber doch zu viel des Guten und ich habe keine Lust, länger auf spannende Partien warten zu müssen, falls die Götter einem einmal nicht gewogen sind.
Außerdem ist mir Tindaya vom Aufbau her und auch von den Regeln ein gutes Stück zu kleinteilig. Ich habe das Gefühl, dass das Spiel zu viel auf einmal will und dadurch am Ende keine rote Linie mehr zu erkennen ist. Was für mich bleibt, ist am Ende ein sehr interessantes Spielerlebnis mit vielen coolen Ideen mit viel Liebe zum Detail, das jedoch auch sehr frustrieren kann und mit zu vielen Schritten, Regeldetails und halt mit zu viel Willkür daherkommt. Schade, denn ich möchte Tindaya wirklich mögen, werde es aber schweren Herzens gleich wieder ausziehen lassen.
Ich hoffe, die Götter sind euch mehr gewogen, wenn ihr nach dem Lesen dieser Rezension die Lust verspürt, euch von Tsunamis überfluten und von Vulkanen zerschmettern zu lassen. Dabei wünsche ich euch in diesem Fall viel Spaß! Und grüßt mir den Dämon Guayota, der als Acoras Katastrophe in einer Partie nahezu mein ganzes Volk auf einmal ausgelöscht hat. Aber glaubt nicht, die anderen Katastrophen hätten es weniger in sich. Also nochmals viel Spaß! 😉
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Tindaya von Lolo Gonzáles
Erschienen bei Taverna Ludica Games
Für 1-4 Spieler in ca. 30-120 Minuten ab 13 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Taverna Ludica Games)
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