Wie überall und mit allen Dingen ist es auch in unserem Hobby so, dass es hin und wieder Spiele gibt, die einfach nicht genügend Aufmerksamkeit bekommen – oder die schlichtweg nicht genügend gewürdigt werden. Warum das so ist, ist klar, denn letztlich gibt es viel mehr Spiele, als ein Mensch jemals wirklich ausufernd spielen kann und die eigene Freizeit ist nun mal begrenzt. Da kann eben nur „das Beste“ auf den Tisch kommen. Auch wenn man dann nicht selten merkt, dass das, was unsere Blase als „das Beste“ hypt, nicht immer auch in den eigenen Augen das Beste sein muss. Und so kommt es vor, dass so manch gutes und auch sehr gutes Spiel einfach in der Masse untergeht. 80 Days ist für mich so ein Titel. Ja, ich war als Kind Jules Verne Fan, aber das tut hier eigentlich nicht viel zur Sache. Und ja, ich fand als Kind Europareise echt toll und fühle mich durch 80 Days irgendwie daran erinnert (auch wenn 80 Days viel mehr mitbringt als das gute alte Roll & Move…zumal hier nix rolled wird, aber ich schweife ab). Und ja, 80 Days ist ein astreines Familienspiel, kein Experte, nicht mal Kenner, einfach ein Spiel für alle Generationen an einem Tisch. Quasi das, was früher mal ein Spiel des Jahres „können“ sollte. Und ich glaube, das ist der Grund, warum ich das Spiel so toll finde. Denn zu den toll gestalteten Komponenten reiht sich eine Mechanikmischung, die einerseits schnell zu erklären und leicht zu verstehen ist, die aber trotzdem Hirnschmalz und vor allem ganz viel Voraussicht von den Spielenden fordert. Oder anders gesagt: Hier wird niemand überfordert, aber eben auch niemand unterfordert. Ich schließe also mein Fazit damit ab, dass ich 80 Days….sorry, das kommt später, ihr wollt vielleicht erstmal erfahren, was man hier eigentlich macht.
Im Kern, wie schon gesagt, recht simpel: Der Spielplan besteht aus einer Weltkarte, auf der diverse Städte markiert sind. Manche mit einem blauen Dreieck, manche mit einem roten Quadrat und manche mit einem Kreis in beiden Farben. Die Städte sind durch Wasserstraßen, Zugstrecken oder Spezialwege mit einander verbunden. Unser Ziel: Innerhalb von 5 Runden von London (auf der linken Spielplanseite) nach London (auf der rechten Spielplanseite) gelangen und dabei mindestens 4 Abenteuer erleben. Abenteuer erleben wir, in dem wir bestimmte Gegenstände sammeln und an bestimmten Orten (von der Form her, nicht vom Namen) abgeben. Gegenstände wiederrum können wir in den einzelnen Städten kaufen. Je nach Farbe/Form der Stadt sind dies andere Gegenstände, wobei in den Kreisstätten alles gekauft werden darf und wir grundsätzlich auch immer den Schwarzmarkt besuchen können, bei dem wir würfeln müssen, was wir bekommen. Da Zeit Geld und Geld Zeit ist, wird gewissermaßen beides in Form von grauen Scheiben („Münzen“) symbolisiert, die ich für Reise oder Einkauf ausgebe. Die drei Reise- und die drei Einkaufsmöglichkeiten werden dabei von Spielfeldern symbolisiert. Bin ich der/die erste Spielende, der/die ein entsprechendes Feld nutzt, kostet dies eine Münze. Weitere Mitspielende müssen jeweils eine Münze mehr setzen, als der letzte Mensch, der das Feld genutzt hat. Oder anders: alles wird schnell ganz schön teuer. Hinzu kommt, dass ich die Gegenstände nicht nur für meine Abenteuer brauche, sondern auch für das weiterkommen auf der Welt, da man für manche Strecken eben auch Gegenstände (oder Münzen) abgeben muss. Erschwert wird die Sache dadurch, dass ich immer genau planen sollte, welche Gegenstände ich wirklich brauche, da mein Koffer nur einen begrenzten Platz aufweist. Und da jedes Teil eine andere Form und Größe hat, muss man sich seine Sachen erstmal zurecht puzzeln.
Der Ablauf der 5 Runden ist dann immer der Gleiche: Zuerst wird eine Zeitungskarte aufgedeckt. Auf dieser steht, wieviel Münzen jede/r bekommt und welche Sonderregel in dieser Runde gilt. Dann machen alle reihum jeweils eine Aktion bis alle kein Geld mehr haben oder freiwillig gepasst haben und die nächste Runde beginnt. Mögliche Aktionen sind Reisen oder Einkaufen, wobei man Abenteuer jederzeit im eigenen Zug bestehen darf, da sie nicht als Aktion zählen. Wer ein Abenteuer besteht, bekommt immer Siegpunkte (am Spielende) sowie manchmal einen Bonus. Für 2 Münzen darf man das Abenteuer auch ablegen und zwei neue ziehen und eines behalten. Und wer ein Abenteuer besteht darf sich ebenfalls neue ziehen und auswählen. Darüber hinaus ist es wichtig, mit welcher Spielplanseite man spielt. Auf Seite A (der „leichten“) gibt es einen Jongleur, der einige wenige Münzen verteilt, die man sich als Aktion nehmen darf. Auf Seite B gibt es diesen nicht. Hier gibt es Plättchen, die diejenigen Spielenden, die passen auswählen dürfen. Diese Plättchen bringen immer einen Bonus sowie manchmal auch Münzen mit sich. Seite B ist also etwas „taktischer“ und grundsätzlich – meiner Meinung nach – die bessere Wahl. Das war es eigentlich auch schon mit den Regeln. Wem das nicht reicht, kann noch das Modul der Assistenten hineinnehmen. Hier bekommt jede/r eine zusätzliche Karte mit einer Spezialfähigkeit, um etwas Asynchronität ins Spiel zu bringen.
Wer zuerst in London ankommt, darf sich eine der gestaffelten Punktekarten nehmen und von da an, wenn noch Zeit ist, die besonderen London-Abenteuer bestehen. Diese verlangen fortan nur noch Gegenstände und nicht mehr, dass man sich an einen bestimmten Ort begibt. Oder anders: je früher man in London ist, um so mehr Punkte kann man scheffeln. Nach 5 Runden ist auch schon alles vorbei und es wird gezählt: Siegpunkte der bestandenen Abenteuer plus Londonkarte plus Siegpunkte durch die Assistenten (selten) minus 5 Punkte für jeden Ort, den man von London entfernt ist. Oder anders: Wer es nicht nach London schafft hat eh schon verloren. Man hat also im Spiel folgende Ziele: Schnellstmöglich 4 Abenteuer bestehen, dann schnellstmöglich London erreichen und dort so viele Aufträge wie möglich erfüllen. Aber um Euch nichts vorzumachen: In der Regel werdet ihr die 5 Runden brauchen, um überhaupt nach London zu kommen.
So. Nun zurück zum Wesentlichen: Ich schließe also mein Fazit damit ab, dass ich 80 Days eigentlich all jenen ans Herz legen kann, die gern ein locker fluffiges Spiel, das regeltechnisch leicht aber spielerisch nicht zu simpel ist, schick aussieht und einfach mal Spaß macht, mit allen möglichen Spielegruppen spielen möchten. Ok, Hardcore-Experten-Strategen wird 80 Days langweilen, deswegen ist das „alle möglichen“ vielleicht etwas zu hoch gegriffen, aber wer einfach mal Bock auf ein richtig gutes Familienspiel hat, sollte mal einen Blick auf 80 Days werfen. Es könnte sich lohnen (wenn ihr früher auch Jules Verne und Europareise mochtet *lach*).
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80 Days von Emanuele Briano
Erschienen bei Piatnik
Für 2 bis 4 Spielende in ca. 45-75 Minuten ab 10 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Piatnik)
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