Für Brettspiel-Fans ist wohl nichts so enttäuschend wie das Gefühl, wenn ein lang erwartetes Brettspiel nicht so zündet wie erhofft. Nur selten habe ich das so stark empfunden wie bei den ersten Partien von Photosynthese, diesem wunderschönen Spiel mit tollem Thema und noch viel schönerem Spielmaterial. Unangenehm umständlich spielte sich dieses doch gleichzeitig auch nicht hochkomplexe Spiel, der Spaß war dann doch nicht so groß wie gedacht. Dabei war diese Idee von gepflanzten Bäumen und Sonnenstrahlen doch so schön. Umso größer die Freude, dass Hjalmar Hach mit Evergreen nun einen Nachfolger auf den Markt bringt, der einiges besser machen soll. Klappt das auch?
Evergreen ist ein Spiel mit Puzzle-Mechanismus, sowie Tableau- & Engine-Building-Anleihen für 1-4 Spieler*innen und dauert knapp 45 Minuten.
[Spielregeln & Spielmaterial: erstklassig abgeliefert]
Sagte ich gerade, dass Photosynthese schön aussieht? Dann verdient Evergreen erst recht jeden Design-Preis. Die Komponenten aus Tableaus mit Einstanzungen, schönen Farbgebungen, hübsch gestalteten Karten und vielen Holzelementen ist erstklassig und macht mit der Tischpräsenz direkt Lust auf ein paar Partien. Hier also ein großes Chapeau an die Designerin Wenyi Geng.
Anders als bei Photosynthese erhalten hier alle Mitspielenden ein eigenes Tableau, auf dem die Pflanzen, Steine und Seen nach und nach gepflanzt werden. Auf diesem ist zentral ein Planet mit verschiedenen Einkerbungen zum Platzieren zu sehen, darum herum wiederum die Punkteleiste. Auch kleine Leisten für die verschiedenen Aktionen sind darauf enthalten.
Die gemeinsame Auslage besteht derweil aus Karten, die in der Anzahl je nach Spielerzahl variieren – es gilt: Spielerzahl +1.
Die Spielregeln sind super erklärt und die Anleitung kann mit vielen Beispielen die ersten auftretenden Fragezeichen direkt eliminieren. Der Verlag hat damit schonmal ein tolles Paket geliefert, was allen Anforderungen gerecht wird. Jetzt muss nur noch das Spiel stimmen.
[Der Spielablauf: Naturkraft – ja, bitte]
Bei Evergreen gestalten alle Spielenden ihren eigenen Planeten mit Pflanzen und Seen. Punkte gibt es zum einen für zusammenhängende Waldgebiete, zum anderen für Sonnenschein, der Bäume trifft. Die Person mit den meisten Punkten gewinnt. Im Solo-Spiel gilt es derweil, Punktzahlen zu schlagen.
Wer am Zug ist, darf zwei Aktionen durchführen, die wiederum beide von der Karte bestimmt sind, die sie oder er in dieser Runde gezogen hat. Diese Karten bestehen aus a) einer der Farben der sieben Gebiete (oder eine Joker-Farbe) und b) aus einem Symbol für eine Aktion.
Die Farbe bestimmt, in welchem Bereich ihr eine der vier Standard-Aktionen durchführen dürft. Die sind:
1. Drei Samen setzen
2. Zwei Bäume wachsen lassen
3. Einen Samen setzen und einen Baum wachsen lassen
4. Einen Baum wachsen lassen in einem Bereich eurer Wahl
Das Symbol wiederum bestimmt, auf welcher Aktionsleiste ihr auf eurem Tableau nach vorne gehen dürft. Und genau diese dürft ihr zusätzlich durchführen. Diese Leisten bieten weitere Möglichkeiten – ein Symbol gibt beispielsweise nur Punkte, ein anderes lässt euch ein oder mehrere Seen legen, wiederum andere lassen euch ebenfalls Pflanzen wachsen lassen und so weiter. Wichtig: Diese Aktionen sind alle immer überall auf eurem Planeten durchführbar und nicht durch die Farbe der Karte bestimmt.
Die Reihenfolge dieser beiden Aktionen dürft ihr euch aussuchen. Eine Runde geht so lange, bis alle eine Karte ausgewählt haben, dann werden neue Karten ausgelegt. Die übrig gebliebene Karte wird jeweils zur Seite gelegt und ist am Spielende wichtig. Je nach Jahreszeit – man spielt alle vier Jahreszeiten – werden unterschiedlich viele Runden gespielt. Die erste dauert noch fünf Runden, die zweite vier und so weiter.
Ist eine Jahreszeit beendet, wird gewertet. Dafür zählen a) die größten Waldgebiete und b) die Punkte durch Sonnenstrahlen. Als Waldgebiet zählen alle Bereiche, in denen ihr Büsche und Bäume angrenzend gebaut hat – jedes Feld ergibt einen Punkt. Wasser zählt hier nicht als Verbindung.
Sonnenstrahlen wiederum geben Punkte für alle Pflanzen, die sie erreichen. Genau wie bei Photosynthese werden die Bäume auch hier ihre Schatten, die Berechnung ist aber sehr einfach. Die größten Bäume verdecken zwei Felder hinter sich, die kleinen eins. Genau so gibt jeder große Baum, der erleuchtet wird, zwei Punkte und die kleinen einen. Büsche geben hier keine Punkte, genauso wenig wie Seen oder Sprösslinge.
Ist eine Jahreszeit beendet, wandert die Sonne auf allen Tableaus einmal mit dem Uhrzeigersinn, so dass die Punktewertung im nächsten Abschnitt komplett andere Pflanzen betreffen könnte. Sind wiederum alle Jahreszeiten beendet, ist das Spiel vorbei.
In der finalen Endwertung kommen dann die jeweils zur Seite gelegten Karten ins Spiel. Denn auf ihnen sind entweder Pflanzen-Symbole oder Dürre-Symbole zu sehen. Dürrekarten verdecken die jeweils vorher gelegte Karte derselben Farbe, die übrig gebliebenen Pflanzen-Symbole wiederum bestimmen, wie viele Punkte große Bäume im jeweiligen Gebiet am Ende des Spiels wert sind. So kann schon während des Spiels etwas taktiert werden, wo sich große Bäume besonders lohnen.
[Fazit: Steigerung um 100%]
Zwischen Photosynthese und Evergreen liegen glücklicherweise viele bunt bepflanzte Welten. Hjalmar Hach hat mit diesem Spiel jedenfalls jegliches Vertrauen wieder eingefahren und aus einer grundsätzlich ohnehin tollen Idee auch ein tolles Spiel gemacht. Angefangen von der großartigen Produktion über den angenehm kniffligen Puzzle-Mechanismus bis zum immer wieder anderen Spielablauf stimmt hier alles.
Durch den thematischen Punktefaktor der Sonne bringen die Runden unterschiedliche Herausforderungen mit sich. Der Kartenmechanismus wiederum verhindert, dass hier jede Runde mit derselben Strategie gewonnen werden kann – und doch sind durch die verschiedenen Leisten auch ein paar Standard-Fähigkeiten unabhängig vom Kartenglück möglich.
Für alle Freund*innen der Kennerspiel-Welt ist Evergreen also der schönste grüne No-Brainer der Saison. Für die Zukunft könnte das Spiel mit ein paar individuellen Fähigkeiten oder kleinen Aktionskarten auch noch etwas aufgepimpt werden. Aber das ist natürlich Meckern auf hohem Niveau. Und man braucht ja auch noch Raum für Erweiterungen!
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Evergreen von Hjalmar Hach
Erschienen bei HeidelBÄR Games
Für 1 bis 4 Spieler in 45 Minuten ab 8 Jahren
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