Wenn man Books of Time beim öffentlichen Spieletreff spielt, dann hat man schnell interessierte Menschen um sich versammelt. Das Spielmaterial von Books of Time ist nämlich wirklich ungewöhnlich. Bei Books of Time schreiben wir Geschichte. Genauer gesagt: Wir haben Bücher, welche wir mit Seiten Seiten zur Handels-, Wissenschafts- und Industriegeschichte füllen. Genutzt werden hierfür stabile Ringbinder, welche als Einbände zwei Pappseiten haben. Jede*r Mitspielende hat so drei Bücher, welche im Laufe des Spieles mit Seiten gefüllt werden. Das macht wirklich etwas her und ist meines Ermessens bisher so noch nicht als Material genutzt worden.
Ziel des Spieles ist es in 16 Runden möglichst effizient vorzugehen und über unsere Aktionen Siegpunkte zu generieren. Die Spielenden kommen in einer Runde reihum an den Zug und dürfen dann jeweils eine Aktion ausführen. Zur Auswahl stehen dabei sechs Möglichkeiten. Weiterhin kann man noch eine Aktion aus der Chronik nutzen. Diese zusätzlichen Aktionsmöglichkeiten werden ebenfalls in einem Buch angezeigt, welches Runde für Runde weiterbegelättert wird. Die Seiten der Chronik und ihre Reihenfolge werden zu Spielbeginn zufällig bestimmt. Die Chronik liegt während dem Spiel auf einem Podest aus und hat neben der Bonusaktion auch noch die Funktion des Rundenzählers.
Siegpunkte werden bei Books of Time unmittelbar über Kartenaktionen generiert aber auch über ein Zivilisationstableau sowie Zielteile. Das Zivilisationstableau hat drei Spalten, wie es auch für jede Person am Tisch drei Stapel Zielteile gibt. Jeweils eine Leiste, ein Buch und ein Stapel gehören dabei zusammen und stellen bspw. den Bereich Wissenschaft dar. Dies ist auch farblich markiert. Im Fall der Wissenschaft ist dies die Farbe Rot. Für Industrie wurde Grün gewählt und für Handel Gelb. Ein wichtiges Element sind neben den eigentlichen Aktionen der Karten Symbole, welche die Karten zusätzlich tragen können. Diese Symbole können zum einem beim Aufstieg auf den Zivilisationsleisten Punkte einbringen. Weiterhin fordern die Zielplättchenstapel Konstellationen von Symbolen in den jeweiligen Büchern um zu Punkten. Hierbei sind die Anforderungen jeweils unterschiedlich. Während im gelben Buch Symbole in vorgegebenen Reihenfolgen nötig sind, werden für das grünen Buch unterschiedliche Symbole gefordert.
Im Verlauf der Partie sucht man sich Seiten aus einer allgemeinen Auslage aus, platziert sie über dem eigenen Playerboard von links nach rechts und schreibt sie in Bücher. Auch die ausliegenden Seiten sind farblich jeweils Büchern zugeordnet und dürfen nur in das passende Buch geschrieben werden. Hierfür zahlt man dann die Kosten, welche jeweils an der Stelle des Playerboards angegeben sind über welcher die entsprechende Karte liegt. Währungen bei Books of Time sind dabei leere Seiten, Füllerspitzen und Ordner, welche jeweils in Plättchenform entrichtet werden.
Als eine der sechs möglichen Aktionen kann man eine Doppelseite eines Buches aktivieren und damit die abgebildeten Aktionen in beliebiger Reihenfolge ausführen. Dafür muss man wissen, dass schon auf die Einbandseiten der Bücher Aktionen aufgedruckt haben - wenn auch eher schwache. Bei den zu schreibenden Seiten ist es so, dass die Aktionen auf Vorder- und Rückseite jeweils ähnlich sind. Auf der Rückseite ist die Aktion aber stets ein wenig abgeschwächt. Nach Aktivierung der Seite blättert man dann eine Seite weiter, so dass eine neue Aktionskombination offenliegt. Zurückblättern ist nicht möglich. Wenn man die letzte Seite eines Buches aktiviert, so wird dieses aber geschlossen und auf der ersten Doppelseite erneut geöffnet.
Wir sind also darum bemüht unsere Buchseiten so zu schreiben, dass wir Handlungsketten haben mit denen wir effizient agieren können. Wir haben schließlich nur 16 Aktionen bis zum Spielende plus die Bonusaktionen der Chronik. Mit den augedruckten Aktionen machen wir Dinge wie Ressourcen oder Siegpunkte generieren, Karten aus der Auslage nehmen, Seiten schreiben oder auf den Leisten des Zivilisationstableaus aufsteigen. Letzteres kann auch als eine der sechs Aktionen gewählt werden. Wie das Schreiben von Seiten ist das Aufsteigen auf dem Zivilisationstableau eine Aktion, welche - wenn gewählt - so oft durchgeführt werden kann wie wir es mit unsereren Ressourcen bezahlen können. Die anderen vier Aktionen führt man jeweils nur einmal durch. Beim Aufsteigen auf dem Zivilisationstableau haben wir immer die Wahl den Bonus des erreichten Feldes zu nehmen oder das oberste Plättchen des zugehörigen Zielstapels abzuwerfen. Damit wächst die Symbol-Anforderung an das dazugehörige Buch. Es winken am Spielende aber auch mehr Siegpunkte. Erreicht man die neue Anforderung am Schluss jedoch nicht, so geht man in dieser Kategorie komplett leer aus.
Noch nicht erwähnt wurde, dass auf jeder Vorderseite einer Karte auch noch ein Einmaleffekt abgebildet ist. Diesen erhält man in folgenden Situationen: Beim Schreiben der Seite, Beim Durchführen der Aktion Blättern und sofern ein Buch geschlossen wird. Bei Letzterem erhält man nämlich noch einmal alle Einmaleffekte bis zur vor dem Schließen zuletzt offenen Seite des Buches. Wenn man bereits weit in einem Buch gekommen ist, dann kann es eine gute Option sein dieses mit der Aktion Buch schließen zuzumachen und wieder von vorne zu beginnen. So erhält man die Einmaleffekte und hat auch die Chance in den vorderen Teil des Buches noch einmal Seiten zu schreiben. Gerade für das gelbe Buch mit der vorgegebenen Symbolreihenfolge kann dies wichtig sein. Beim Schreiben einer Seite darf man nämlich nicht blättern und muss die Seite an der offenliegenden Stelle des Buches einfügen.
Books of Time ist meiner Einschätzung nach ein Spiel im gehobenen Kennerspielbereich. Dies ist weniger den Spielregeln als den Anforderungen des Spieles geschuldet. Aktionsmöglichenkeiten und Rundenablauf sind vielspielenden Menschen wirklich sehr flott und problemlos zu erklären. Die Anforderung liegt eher im Spielen selbst. Es ist ein Optimierspiel der Kategorie: Easy to learn - hard to master. Es ist einfach irgendwelche Seiten in die Bücher zu schreiben. Die Kunst ist es es so hinzubekommen, dass Synergien entstehen. Da rauchen dann schon mal die Köpfe und dementsprechend Analysis-Paralysis-anfällig ist das Spiel. Zu Gute kommt dem Spiel dabei, dass Books of Time auch deutlich ein Multiplayer-Solitär-Spiel ist. Es gibt wenig womit man sich, außer den Symbolen, ins Gehege kommt. Bei diesen ist es aber eh recht unkalkulierbar wie sie in die Auslage kommen. Soll heissen, wenn man nicht plant Karten aus der Auslage zu nehmen, dann kann man den eigenen Zug schon gut vorplanen während die anderen am Tisch noch am Zug sind. Trotzdem ist es ein Spiel bei dem ein höherer Player-Count unweigerlich zu deutlich höherer Spielzeit führt. Egal wieviele Personen mitspielen. Stets werden die Mitspielenden je 16 Aktionen machen. Folglich vervielfacht sich auch die Spielzeit und Books of Time und wird mit voller Besetztung durchaus abendfüllend. Zu Zweit hingegen sind 60-90 Minuten Spielzeit nach ein paar Partien nicht unrealistisch.
Filip Glowacz (Mandala Stones, Founders of Teotihucan) hat nach meinem Empfinden mit Books of Time ein wirklich innovatives Spiel vorgelegt. Die Idee mit den Ringbindern finde ich wirklich grandios. Das von Board & Dice produzierte Spielmaterial tut sein übriges. Es macht wirklich Spaß die Bücher zu gestalten und zu optinieren. Ein wenig negativ in meinen Runden wurde empfunden, dass man die Auslage nur begrenzt beinflussen kann und somit beim Spielen auf Symbole sehr davon abhängig ist was kommt. Einzelne Mitspielende hätten sich auch noch mehr Engine-Building gewünscht. Ich persönlich sehe es mit den Symbolen oder Zielplättchen eher so, dass es etwas ist wo man nicht von Beginn an zwanghaft drauf spielen darf, sondern im späteren Spielverlauf eher an Hand der Bücher entscheidet wohin die Reise geht. Ebenso denke ich, dass mehr Engine-Building dem Spiel keinesfalls gut getan hätte. Während der Züge der anderen Mitspielenden kann man bei Books of Time nur zuschauen und den eigenen Zug vorplanen. Ketteneffekte würden nur zu noch höheren Wartezeiten führen und das Spiel episch bis kaum mehr spielbar machen. Meines Ermessens hat Filip Glowacz mit der Beschränkung auf sechszehn Aktionen und Bonusaktionen genau die richtige Entscheidung getroffen. Hieraus entsteht auch imho der eigentliche Spielreiz: Möglichst viel aus den überschaubaren Akionen zu machen. Für Solospieler sei auch erwähnt, dass Dávid Turczi dem Spiel eine Solo-Variante beigesteuert hat. Diese orientiert sich stark an den normalen Regeln. Man versucht eine bestimmte Punktzahl zu erreichen und dabei vorher festgelegt Challenges zu erfüllen. Per Zufall werden dabei immer wieder Karten aus der Auslage entfernt. Das Ganze ist auf etwas mehr als einer Regelseite erklärt. Gut gefällt mir daran, dass man nicht aufwendig einen Automa spielen muss und sehr nah am Spielerlebnis des Mehrpersonenspiels ist.
Books of Time ist ein Spiel des 2023-Jahrgangs, welches man als Vielspieler meiner Meinung nach im Blick haben sollte, wenn man auf Ressourcentausch- und Optimierspiele steht. Es bietet einen so noch nicht gesehenen Mechanismus verbunden mit sehr ansprechendem Spielmaterial. Einzig ein wenig mehr Flavour hätte ich mir auf den Karten gewünscht. So ist nur eine unbenannte Abbildung sowie die Aktion darauf abgebildet. Positiv gesehen ist das Spiel, abgesehen von der Spielhilfe-Karte, so aber komplett sprachneutral. Die sechs möglichen Aktionen sind zudem superschnell verinnerlicht. Wer sich also nicht bis zur bei Giant Roc erscheinenden deutschen Version gedulden kann, der kann auch problemlos zur englischen Version von Board & Dice greifen.
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Books of Time
Autor: Filip Glowacz
Erschienen
bei Board & Dice
Für 1-4 Spieler*innen ab 14 Jahren.
Spieldauer 45-90 Minuten