Hamburg, meine Perle - du wunderschöne Stadt, du bist mein Zuhause, du bist mein Leben - du bist die Stadt, auf die ich kann. Leser aus der Hansestadt werden sofort die passende Melodie im Kopf haben und evtl. mitsummen. Wenn ihr uns schon länger verfolgt, werdet ihr wissen, dass meine Wenigkeit aus dieser wirklich schönen Stadt kommt und umso erfreuter war ich auch, als es damals hieß das Queen Games den Spieleklassiker “Brügge” von Stefan Feld neu auflegt und das ganze nach Hamburg verlegt. Warum genau Brügge nun besser als Hamburg ist, kann ich auch nicht sagen, aber für mich als Hamburger das deutlich spannendere Thema.
Die Vorschusslorbeeren sind zunächst immens, denn Brügge war lange Zeit ein heiß gehandelter Titel in der Brettspielsammler-Szene mit guten Kritiken, ich kann aber schon mal vorwegnehmen, dass ich da leider keinen Vergleich ziehen kann, denn Brügge kam mir nie auf den Tisch.
Zurück nach Hamburg - wir befinden uns im Jahr 1890 und allem Anschein nach gibt es mehrere Bürgermeister in der Stadt und wir suchen nun den einzig wahren ERSTEN Bürgermeister der Freien und Hansestadt! Dafür müssen wir Punkte sammeln und wer das am besten getan hat, der gewinnt natürlich und kann sich dann den einzig wahren ERSTEN Bürgermeister nennen!
Ein guter Bürgermeister zeichnet sich darin aus, dass er viele tolle und spannende Dinge in der Stadt errichten lässt und das spiegelt sich im Spiel anhand eines immens großen Kartenstapels wider, die wiederum Gebäude, Zootiere oder Parkanlagen zeigen. Generell sind die Karten in fünf Kategorien bzw. Farben eingeteilt und zu Beginn einer Runde dürfen wir völlig wahllos auf fünf Handkarten nachziehen. Ganz wahllos ist es natürlich nicht, denn es muss gut überlegt sein, von welcher Farbe man wie viele Karten nimmt, denn im folgenden Teil einer Runde bestimmt die Farbe zum Teil, was ich tun kann.
Bevor wir aber soweit sind, werfen wir noch Würfel, die u.a. ebenfalls die Farben der Karten entsprechen und bestimmen somit ob es evtl. akute Gefahren, wie Feuer oder Krankheiten in der Stadt gibt und wie teuer es wird mit seiner Figur auf der Rathausleiste emporzusteigen, welche mir am Spielende viele Siegpunkte bescheren kann. Der schwarze Würfel bestimmt, an welcher Stelle ein Geistlicher im Hamburger Michel platziert wird und sorgt dafür, dass bestimmte Gebäudearten am Spielende noch mehr Siegpunkte bringen. Wenn man mit den mitgelieferten Modulen spielt, hat es auch Einfluss auf die Schiffe im Hafen.
Es folgt das Herzstück des Spiels und zwar kann man nun die gezogenen Karten auf vielfältigste Weise verwenden. Ich kann sie z.B. als Grundstück platzieren, denn ohne Grundstück kein Gebäude, aber ohne farblich passenden Arbeiter zum Grundstück gibt es kein Grundstück! Also kann ich natürlich auch eine Karte ablegen und mir in dieser Farbe drei Arbeiter nehmen. Wie erwähnt kann ich natürlich auch das Gebäude selbst bauen, dafür muss ich eigentlich nur Geld abgeben. Bekomme aber entweder Sofortboni, dauerhafte Effekte oder Endspielwertungen für mich dazu. Kein Geld in der Kasse? Kein Problem! Lege eine Karte ab und du erhältst soviel Mark wie der Würfel der passenden Farbe als Wert anzeigt! Last but not least geht es auch um Schutz, also muss eine Mauer her. Ein Mauerteil gibt eine Farbe und einen Geldbetrag vor und schon steht die Mauer! Schützen muss ich aber auch vor den bereits erwähnten Gefahren - also Karte weg und schon senke ich die passende Gefahr und erhalte als Belohnung einen Punkt dazu.
Denn eins lasst euch gesagt sein, niemand möchte, dass eine solche Gefahr wirklich passiert, denn die sind wirklich super schmerzhaft, so kann man z.B. sein komplettes Geld verlieren oder muss ein Grundstück bzw. Gebäude wieder abgeben. Tut weh und kann vermieden werden!
Sobald jeder vier mal dran war, endet die Runde und es kommt eine Wertung zustande, in der stets verglichen wird, wer am weitesten fortgeschritten ist auf der Rathaus- und Punkteleiste. Und wer hat die meisten Gebäude? Wer hat die meisten Zootiere gesammelt? Wie sieht es mit der Mauer aus? Der Spieler, der dann jeweils vorne liegt, kann dann auf seinem Tableau das passende Plättchen umdrehen und hat am Spielende weitere Punkte sicher! Später kann sich das drehen und jemand anderes ist weiter vorne. Keine Panik, die Plättchen bleiben umgedreht, aber nun darf eben auch dieser andere Spieler sein Plättchen drehen. Also stets auch immer im Auge behalten, was die anderen Mitspieler so tun, damit man entsprechend agieren kann.
Nach insgesamt sieben Durchgängen endet das Spiel und es gibt noch eine Endwertung.
Das der Wechsel von Brügge nach Hamburg relativ einfach gegangen sein wird, wird relativ schnell klar, denn die Ort und Karten sind alle relativ gemein gehalten, wobei es für mich als Hamburger schon schön zu sehen ist, wenn man den Geistlichen zum Michel stellt oder auf dem Rathausmarkt vorwärts kommt. Der Rest ist allerdings neutral gehalten, sei es Hafen oder Börse (die durch ein Modul dazu kommt und manche Aktionen stärker oder schwächer machen). Auch auf dem eigenen Tableau sieht es ziemlich generös aus, bis auf den kleinen Hinweis zum Zoo “Hagenbeck”. Ach ja, und wenn man die Mauer besonders gut gebaut hat, kann man sich Extrapunkte in Form von Hans Hummel holen. Alles ganz nett auf jeden Fall, aber im Endeffekt hätte man wohl auch bei Brügge bleiben können.
Kommen wir zum Spiel selbst. Ui ui ui - was für ein Überangebot an Symbolen auf den Karten - JEDE Karte ist in der Symbolik unterschiedlich und bringt andere Vorteile, wobei die Grafik sich selbst hin und wieder wiederholt. Und in den ersten Partien verbringt man mehr Zeit im Glossar, in dem jede Karte nochmal erklärt wird, als auf dem Spielbrett oder im Tableau. Daraus folgt, dass die ersten Partien sich recht zäh spielen, denn den Start einer Runde verbringt man damit die Karten zu verstehen, um dann zu überlegen, was man mit welcher Karte machen möchte. Das klingt nun recht negativ, aber kann auch positiv gesehen werden, denn so spielt sich jede Partie erstmal anders und wenn man die Grundsymbole verstanden hat, dann “lesen” sich die Karten auch flüssiger und besser. Manche Symbole sind auch dahingehend einfacher, während andere schon recht kryptisch daherkommen und man lieber doch noch einen Blick ins Glossar werfen sollte.
Hamburg bedeutet also zunächst Arbeit, aber wer diese Arbeit in Kauf nimmt und diese Hürde hinter sich lässt, den erwartet ein wirklich spannendes Stefan Feld Spiel - man möchte am liebsten jede Karten behalten und bauen und es tut einem zum Teil im Herzen weh, die für andere Dinge zu verschwenden, aber manchmal geht es nicht anders. Aber ganz Feld-typisch fühlt sich doch alles auch belohnend an, denn man bekommt was - sei es Punkte, Geld oder eben andere Vorteile. Man knobelt viel herum und will an jeder Stelle vorn dabei sein und werkelt an einer perfekten Engine mit den Gebäuden, was bei der schier riesigen Auswahl an Karten aber eine wirkliche Herausforderung darstellt. Also klar gehobenes Kennerspiel, wenn nicht sogar Expertenspiel.
Die “Glückselemente” mit den Würfeln lockert das ganze deutlich auf und macht dadurch den Eindruck, dass man eben nicht alles planen kann, sondern sich auf die Gegebenheiten einstellen muss. So ist es dann richtige fies, dass man erst die Karten ziehen muss und dann gewürfelt wird - die Feuergefahr geht z.B. durch den orangenen Würfel hoch aber wenn du keine orangene Karte gewählt hast, kannst du diese Gefahr auf KEINEN Fall senken. Solche Dinge muss man eben als guter Bürgermeister auch im Kopf haben.
Hamburg ist für mich ein tolles Spiel, welches ein wenig Anlaufzeit benötigt, aber wenn man mit dem Spiel gewachsen ist, dann entwickeln sich tolle Partien daraus. Immer noch sehr schade, dass die Titel dieser Reihe nur wenige Spieler begeistern werden, da die Verfügbarkeits- und Preishürde deutlich zu hoch liegen. Denn auch wenn das Material soweit wirklich gelungen ist, sehe ich da keinen Grund für einen Preis von 90€ und mehr…
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