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26.05.2023

Encyclopedia


Starten wir heute mal mit einem Quiz für all diejenigen, die in der Schule Latein statt Spanisch oder Französisch gewählt und ihre Entscheidung spätestens beim darauffolgenden Mallorca-Urlaub sogleich wieder bereut haben, wobei am Ende „cerveza“ (Spanisch) und „cervisia“ (Latein) doch sehr nahe beieinanderliegen. Also gut, beginnen wir mit folgender lateinischer Bezeichnung, und ihr müsst raten, um welches Tier es sich handelt – und die Lösungen pack ich euch ans Ende dieser Rezension: 
1) Falco peregrinus. Okay okay, das war wohl doch recht einfach. Nun etwas schwieriger: 
2) Ursus arctos. Immer noch zu leicht? Wie wäre es hiermit? 
3) Phoenicopterus roseus. Im ernst? Ihr wollt es noch schwerer haben? Dann nehmt das ihr neunmalklugen Lateinasse: 
4) Tamiasciurus hudsonicus. Und einfach weil es so viel Spaß macht: hier noch ein letztes Tier: 
5) Loxodonta africana.


Ich muss gestehen, dass ich das Glück (?) hatte, sowohl Latein als auch Spanisch und Französisch in der Schule zu lernen, doch von ersterem ist halt bis auf einzelne Vokabeln mit abstrusen Eselsbrücken nicht allzu viel hängen geblieben (properare = sich beeilen; Meister Proper muss sich beim Putzen beeilen… diese Eselsbrücke werde ich wohl nie vergessen). Hängen geblieben ist bei mir nach der ersten Partie jedoch Encyclopedia, um das es heute hier gehen soll. Denn in diesem gehobenen Familien- oder vielleicht doch eher seichteren Kennerspiel gehen wir als Naturforscher auf Entdeckungsreise, um möglichst viel über noch recht unbekannte Tierarten herauszufinden, um unsere Forschungen schlussendlich möglichst gewinnbringend zu veröffentlichen, damit auch sie Einzug in die große Enzyklopädie des großen Comte de Buffon finden.

Hierfür setzen wir verschiedenfarbige zuvor zufällig gezogene und dann gewürfelte Würfel auf unterschiedliche Aktionsfelder ein, die jedoch von allen Spielern mehrfach genutzt werden können. So können wir in der Botschaft unsere Expeditionen planen und je nach Würfelzahl ein oder mehrere Expeditionssiegel einheimsen, die uns später bei unseren Expeditionen unterstützen. Oder wir machen einen Abstecher in die Universität, um dort verschiedene Experten für unsere Unternehmungen zu begeistern, wobei wir mit einem Expeditionssiegel belohnt werden, wenn die Würfelfarbe mit der Farbe der Expertenkarte übereinstimmt, die wir uns schnappen. Wir haben stets Platz für vier Experten auf unseren Tableaus und die Experten geben uns einmalige oder dauerhafte Vorteile, oder sie geben uns einen Bonus um Ende des Spiels, sofern die Expertenkarte dann immer noch offen liegt und nicht von einer anderen überdeckt wurde. In der Akademie suchen wir uns dann farblich zur Würfelfarbe passende Tiere als zukünftige Forschungsschwerpunkte aus und steigen je nach Augenzahl in unserem Ansehen hoch – ein kleiner Track auf unserem Tableau, den wir hinaufwandern, um zwischendurch verschiedene Boni einzusammeln, und auf dem wir mehrfach im Spiel bis ganz nach oben kommen, um dann wieder von vorne zu beginnen. In der Bank können wir uns unabhängig von Farbe und Augenzahl des Würfels ein wenig Geld als Finanzierungsspritze für unsere bevorstehende Expeditionen schnappen und uns den Startspielermarker sichern. Und dann sollten wir halt irgendwann auch einmal auf Expedition gehen. Hierbei repräsentieren die Würfelfarben fünf verschiedene Kontinente, die wir bereisen können.


Nun forschen wir an den Tieren, die wir in Form von Tierkarten aus der Akademie abgegriffen haben. Jede Tierkarte hat abgesehen vom Kontinentsymbol noch je eines von drei Symbole für die Tierart (z.B. Säugetier), die Ernährungsweise (z.B. Pflanzenfresser), den Lebensraum (z.B. Wald) und das bevorzugte Klima (z.B. gemäßigt). Bei einer Expedition auf einen Kontinent, für die wir ebenfalls wieder im Ansehen steigen, dürfen wir beliebig viele Aspekte (z.B. Tierart oder Ernährungsweise) auf den einzelnen Tieren des entsprechenden Kontinents beforschen, in dem wir Expeditionswürfel auf die entsprechenden Slots der Karte legen und dafür bei manchen Aspekten direkt Siegpunkte einheimsen. Allerdings brauchen wir für die verschiedenen Aspekte auch unterschiedlich viele Expeditionspunkte, und diese setzen sich aus der Augenzahl des Würfels sowie den eingesetzten Expeditionssiegeln zusammen, wobei man mit Geld jederzeit die Augenzahl des Würfels über 6 hinaus pushen kann. Hat man auf diese Weise bestimmte Aspekte auf verschiedenen Tieren eines Kontinents beforscht, kann es eventuell bereits Sinn machen, seine Forschungen zu veröffentlichen.


Dies ist ebenfalls eine der Aktionen und hierbei bestimmt die Farbe des Würfels erneut den Kontinent des Tieres, das man als Referenztier für die Veröffentlichung auswählt, wohingegen die Augenzahl die Art der Aspekten festlegt, die man veröffentlichen darf. Beim Veröffentlichen nehmen wir von unserem Referenztier nach und nach Forschungswürfel von einem Aspektslot runter und dürfen dann dasselbe für denselben Aspekt (z.B. Fleischfresser) auf allen anderen vor uns ausliegenden Tieren machen, wobei wir für unterschiedliche Aspekte sofort unterschiedlich viele Siegpunkte bekommen. Im Anschluss dürfen wir das Referenztier sowie alle anderen Tiere, die demselben Kontinent zugeordnet sind, in unseren Stapel veröffentlichter Tierkarten legen, wohingegen Tierkarten anderer Kontinente, von denen wir Aspekte veröffentlicht haben, einfach abgelegt werden.

Und das ist deshalb ungünstig, weil wir nach insgesamt 6 Runden neben den bereits erhaltenen Siegpunkten am Ende des Spiels vor allem durch Sets punkten. Hierbei zählen Sets aus veröffentlichten Aspekten (z.B. möglichst viele Expeditionswürfel auf dem Aspekt Pflanzenfresser) sowie die Sets für die verschiedenen Kontinente, zu denen die Tiere in unserem Stapel veröffentlichter Tiere zählen sowie auch die Experten entsprechender Farbe, die wir offen oder mittlerweile überdeckt auf unserem Tableau liegen haben.


Außerdem erhalten wir jedes Mal nach der Aktion „Veröffentlichen“ ein Königssiegel, das uns entweder einen Extrazug am Ende einer Runde machen lässt oder uns Geld bzw. Expeditionspunkte gibt. Interaktion kommt zudem vor allem dadurch zustande, dass man neben dem gegenseitigen Wegschnappen von Tier- und Expertenkarten nach dem Ziehen und Würfeln der Würfel zu Beginn einer Runde die Würfel vier verschiedenen Slots mit unterschiedlichen Boni zuordnet, die man aber nur dann bekommt, wenn ein Mitspieler einen der Würfel für sich auswählt. Denn im Grunde hat man immer Zugriff auf alle gewürfelten Würfel und muss sich nur überlegen, ob der Würfel der Begierde den Boni, den der Mitspieler bekommt, aufwiegt.

Ich muss sagen, dass mich das Spiel optisch sowie thematisch extrem abholt. Vor allem die Tierkarten mit den hübschen Illustrationen und den lateinischen Tiernamen sagt mir persönlich halt sehr zu. Auch das Material weiß insgesamt zu überzeugen, bis auf eine Ausnahme: es ist zwar sehr löblich, dass es drei Trays aus Pappe für die verschiedenen Tokens zum Selbstzusammenbauen gibt, doch diese fallen im wahrsten Sinne schon beim Aufbauen auseinander, da sich die Pappschichten viel zu schnell ablösen – zumindest in meinem Exemplar. Da bezahle ich lieber 1-2 Euro mehr und darf dafür im Anschluss an den Spielaufbau drei schicke und stabile Trays betrachten. Abgesehen davon gibt es aber wirklich nichts zu meckern: tolle Illustrationen, Holzcubes, stabile Papptokens, Karten in guter Qualität und ein ebenfalls schön gestalteter Stoffsack für die verschiedenfarbigen Würfel. Daumen hoch!


Ein Minifazit vorweg: Encyclopedia hat ein paar massive Schwächen. Dennoch war ich von Anfang angetan und hatte bisher meinen Spaß mit dem Titel. Ich möchte daher vorweg bei all den Kritikpunkten, die hier halt angesprochen gehören, nochmals betonen, dass mir das Spiel grundsätzlich Spaß gemacht hat und es sich sicherlich nicht um ein schlechtes Spiel handelt. Doch nun das Ganze ein wenig genauer. Und beginnen wir, wie in jedem guten Feedback bzw. jeder guten Rezension, mit etwas Positivem. Abgesehen von der Optik hat mir vor allem auch das Würfelmanipulieren Spaß gemacht. Denn Geld können wir hier ausgeben, um die Augenzahl eines Würfels weit über 6 hinaus zu pushen, Expeditionssiegel erlauben es mir u.a. die Farbe der Würfel zu ändern, und Königsiegel können entweder ebenfalls zum Pushen der Würfelzahl oder für einen Extrazug am Ende einer Runde hergenommen werden. Zudem sind viele der Aktionen sehr schnell gespielt und machen thematisch Sinn: ich setze einen Würfel in der Uni ein und hole einen Experten in mein Team, oder ich gehe zur Bank, um Geld für die nächste Expedition zu beschaffen, denn mit Geld lässt sich der Würfel später entsprechend so manipulieren, dass die Expeditionen erfolgreicher werden. Alles eingängig und mechanisch sowie thematisch schön umgesetzt.


All diese Aktionen bereiten schließlich auf das Publizieren vor, wodurch man die meisten Punkte macht. Doch eben diese Aktion sowie zuvor auch schon die Expeditionsaktion dauert im Schnitt um ein Vielfaches länger als die anderen Aktionen und sie sind zudem doch sehr verkopft, Mathe lastig und nicht ganz intuitiv. Bei den Expeditionen beginnt man schon einmal mit Zahlen im Kopf herumzujonglieren, um das meiste aus der Expedition herauszuholen. Und beim Publizieren ist die Geschichte mit dem Referenztier zwar eine gut funktionierende Mechanik, die mir als Vielspieler auch Spaß gemacht hat, doch ich kann mir sehr gut vorstellen, dass nicht jeder so schnell in die Abläufe einsteigt.

Für Vielspieler könnte jedoch der doch recht hohe Glücksfaktor wiederum ein abschreckender Faktor sein. Denn am Ende des Tages geht es bei Encyclopedia halt vor allem darum, Sets zu sammeln, und vor allem das Sammeln gleichfarbiger Karten (Experte + Tier) sorgt am Ende der Partie für massig Siegpunkte. Da zudem die Größe des Sets nicht gedeckelt ist, würde die perfekte Partie von mir verlangen, nur Karten von einer einzigen Farbe zu sammeln und zu veröffentlichen. Wenn mein Gegenüber sich dann auf ein oder zwei andere Farben spezialisiert und wir uns somit gekonnt aus dem Weg gehen beim Kampf um die ausliegenden Karten, kommt es am Ende dann doch recht stark darauf an, wie die Auslage am Ende einer Runde aufgefüllt wird. Werden Karten mit von mir begehrten Farben nachgelegt oder eben nicht? Und haben die ausliegenden Tiere die Aspekte, die ich gerade sammle, denn auch für die Sets verschiedener Aspekte gibt es ja am Ende Punkte; allerdings erst ab mindestens vier Aspekten (bzw. vier Karten der gleichen Kontinentfarbe), was ein wenig schade ist, da es sich dadurch nicht einmal richtig lohnt in einer Runde, in der die eigene Farbe nicht so stark vertreten ist, auf eine andere Farbe umzusteigen. Zuletzt wird Interaktion hier nicht allzu großgeschrieben, da man sich einerseits relativ gut bei der Kartenauswahl aus dem Weg gehen kann und das Nehmen von Würfeln der Mitspieler diesen zwar Boni zugesteht, die aber beim ständigen Hin-und-hergeben der Boni nicht wirklich ins Gewicht fallen, sodass ich ab der zweiten Partie schon gar nicht mehr allzu sehr darauf geachtet habe, welchen Bonus ich meinem Gegenüber nun herschenke. Und eines noch: das Thema ist zwar großartig, aber das Spiel fühlt sich aufgrund der doch recht verkopften, mathematischen Expeditions- und Publikationsaktionen nicht allzu thematisch an. Das hat mich zwar nicht allzu sehr gestört, aber ich frage mich halt doch, ob ein Darwin’s Journey, welches ja nahezu zeitgleich auf Deutsch bei Skellig erschienen ist, das thematisch besser macht. Das werde ich auf jeden Fall noch ausprobieren müssen, um ein vergleichendes Fazit ziehen zu können.


Und das ist im Grunde auch schon alles, was ich an Encyclopedia auszusetzen habe. Na gut, es war schon einiges, und auch, wenn diese Punkte, meines Erachtens nach, schon mehr oder weniger schwer wiegen, macht mir das Spiel unterm Strich halt doch eine Menge Spaß. Ein wenig paradox, dass ich so viele Schwächen in dem Spiel erkenne und es gleichsam doch immer wieder spielen möchte… Wird das Spiel daher immer in meiner Sammlung bleiben? Sehr wahrscheinlich nicht, zumindest nicht längerfristig, denn nach der fünften oder sechsten Partie ist die Luft sicherlich heraus, da man am Ende des Tages dann doch immer dasselbe macht. Ich bin jetzt bei vier Partien und ich hätte schon noch Bock auf die ein oder andere Partie, auch wenn die anfängliche Faszination bereits so langsam abebbt. Dann wandert das Spiel halt weiter und ich hatte meinen Spaß. Denn nochmals: alldiejenigen, die auf das Einsetzen und Manipulieren von Würfeln stehen, dem Thema generell was abgewinnen können und nichts gegen ein gelegentliches Herumrechnen haben, die können sicherlich Spaß mit Encyclopedia haben.

Vor allem die Entscheidungen, ob ich mir die Publikationen längerfristig über mehrere Runden vorbereite, um dann auf einen Schlag nen ganzen Haufen Punkte zu machen, oder ob ich lieber mehr Aktionen ausgebe, um öfters zu publizieren, dafür jedoch jedes Mal ein Königssiegel extra zu kassieren, ist schon interessant. Und auch die Mechanik mit den Boni durch offenliegende Expertenkarten ist cool. Lasse ich die Expertenkarte mit einem Bonus bei Spielende oben liegen oder lege ich eine andere Karte oben drauf, die mir für die beiden letzten Runden einen dauerhaften Vorteil bringt. Dadurch kommt doch ein wenig Varianz rein, und auch sonst funktioniert das Spiel einwandfrei in allen Spielerzahlen, auch wenn ich persönlich beim Spiel zu zweit am meisten Spaß hatte, da man mehr Kontrolle über die Kartenauswahl hat und der Glücksfaktor sich einigermaßen im Rahmen hält.


Wer gerne Solo spielt, kann dies auch hier bei Encyclopedia gerne tun, denn es gibt die Möglichkeit sowohl für das Solospiel als auch für das Mehrspielerspiel einen KI-gesteuerten Gegner hinzuzufügen. Der KI-Gegner ist wirklich gut gelungen, da er durch verschiedene zuvor zufällig oder gezielt zusammengesetzte Verhaltens- und Wertungskarten immer wieder ein wenig anders funktioniert und alles in allem doch mit relativ wenig Aufwand zu steuern ist. Bedenkt aber, egal mit wie vielen Spielern ihr euch ans Forschen und Publizieren wagt, die angegebenen 25 Minuten pro Spieler sind leicht untertrieben, oder um es in anderen Worten auszudrücken: unsere erste Partie zu zweit dauerte ohne Regelerklärung gute 2 Stunden... knapp daneben ist auch vorbei, oder so ähnlich!?

Ob Encyclopedia nun etwas für euch ist, müsst ihr wie immer selbst entscheiden. Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn die ein oder andere Spielegruppe dem Spiel dann doch eine Chance gibt, denn ich werde es alles in allem in positiver Erinnerung behalten, auch wenn es niemals den Weg in meine Top-Listen finden wird. Für den nun insolventen Verlag Holy Grail Games war es das letzte publizierte Spiel. Und auch wenn der Verlag sich wohl nicht mit einem Opus Magnum verabschiedet, dann doch schon mit einem wirklich soliden Kennerspiel. Ich wünsche jedenfalls viel Spaß beim Forschen und Publizieren!

*Lösung - Latein-Quiz:

1) Falco peregrino = Wanderfalke

2) Ursus arctos = Braunbär

3) Phoenicopterus roseus = rosa Flamingo

4) Tamiasciurus hudsonicus = nordamerikanisches Rot-Eichhörnchen

5) Loxodonta africana = afrikanischer Elefant

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Encyclopedia: Forschungsreise ins Tierreich von Éric Dubus & Olivier Melison
Erschienen bei Holy Grail Games
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 25-100 Minuten ab 12 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Holy Grail Games)
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