Als kürzlich Sea Salt & Paper bei mir hereinsegelte, dachte ich mir nicht wirklich was dabei. Die Optik sprach mich auf den ersten Blick nicht wirklich an, da es mich an diese Papierfalt-Zeichentrickfilme aus der Sendung mit der Maus erinnerte. Und da war ich auch als Kind schon kein echter Fan von. Faszinierend finde ich allerdings, wie klein und kompakt die Schachtel ist. Denn die beigelegten Karten sowie die Anleitung (die auf Kartengröße gefaltet ist), passen perfekt hinein und es ist praktisch keine Luft im Karton. Das ist vorbildlich und super gelöst. Und dank der Optik auf dem Cover, fällt das Spiel einem im Regal trotzdem sofort ins Auge. Es braucht also nicht immer größer werdende Spieleverpackungen, um aufzufallen. Aber nun gut, anderes Thema. Ich wusste ja schonmal, dass es ein schnelles fröhliches Kartenspiel sein soll und da werde ich ja ohnehin immer hellhörig (bringe aber auch entsprechende Erwartungen mit, was es dem Spiel nicht grade leichter macht). Und dass hier Duell-König Bruno Cathala (mit) am Werk war, führte dazu, dass mein Interesse letztlich doch geweckt war.
Die Schachtel beinhaltet offensichtlich das, was man erwartet. Viele Spielkarten und ein paar Übersichtskarten. Die Anleitung gibt es leider nur auf Englisch und Französisch, aber da das Spiel selbst sprachneutral ist und mittlerweile die deutsche Übersetzung der Anleitung auf BGG zu finden ist, ist das nicht so wild (auch wenn der Ausdruck nicht in die kleine Schachtel passt, hehe). Letztlich sind die Regeln auch recht simpel: Die Übersichten werden verteilt, der Rest gemischt und zwei Karten werden aufgedeckt. Wer am Zug ist nimmt sich nun entweder die oberste Karte von einem der Ablagestapel oder zieht vom verdeckten Stapel zwei Karten, wählt eine aus und legt die andere ab. Hat man von bestimmten Karten zwei Stück (z.B. zwei Fische oder einen Schwimmer und einen Hai), darf man diese „Duo-Karten“ ausspielen und einen Sondereffekt nutzen. Die Sondereffekte sind bspw. eine Karte vom Ablagestapel aussuchen oder einen Zusatzzug durchführen oder anderen Spielenden eine Karte stehlen. Und natürlich darf man in seinem Zug mehr als ein Duo ausspielen.
Als letzten Schritt kann man die Spielrunde für beendet erklären, sofern man mindestens 7 Punkte besitzt und man die Runde auch beenden möchte. Zum Beenden einer Runde gibt es zwei Methoden. Entweder man sagt „STOP“ und alle bekommen die Punkte, die ihnen ihre Karten aktuell geben oder man sagt „LETZTE CHANCE“ und wettet damit darauf, am Ende der Runde die meisten Punkte mit den eigenen Karten zu haben. Die Krux: Bei der letzten Chance sind alle anderen noch einmal am Zug. Hat der Rundenbeender anschließend seine Wette gewonnen und tatsächlich die meisten Punkte mit Karten generiert, erhält er seine Punkte sowie einen Farbbonus. Hier wird dann geschaut, von welcher Kartenfarbe er die meisten Karten hat und jede der entsprechenden Karten bringt ihm einen Sonderpunkt. Die Gegner erhalten gar keine regulären Punkte und nur ihren persönlichen Farbbonus. Hat er aber seine Wette verloren, erhält er selbst keine regulären Punkte und nur den Farbbonus, während alle anderen ihre Kartenpunkte – aber ohne Farbbonus erhalten.
Wenn ihr jetzt einen kleinen Knoten im Kopf habt, dann willkommen im Club, denn so ging es uns in der ersten Partie auch. Spielt man aber 2-3 Spiele, geht einem diese Logik in Fleisch und Blut über und man denkt in der Regel gar nicht mehr drüber nach. Wurden nun alle Punkte entsprechend verteilt, schreibt man diese auf und es beginnt eine neue Runde. Es wird so lange gespielt, bis jemand die für die aktuelle Anzahl an Mitspielenden festgelegte Punktezahl erreicht hat (40 bei einem Duell, 35 bei 3 und 30 bei 4 Spielenden) und das Spiel somit gewinnt. Dabei kann eine Runde auch außerplanmäßig enden, wenn der Nachziehstapel leer ist. Und ein Spiel kann komplett enden, wenn jemand gleichzeitig 4 Meerjungfrauen besitzt. Da es aber nur 4 Stück im ganzen Spiel gibt….ist dies eher unwahrscheinlich. Das Spielende an dieser Stelle kommt dann auch eher daher, dass dieser Mensch punktemäßig kaum noch einzuholen sein dürfte.
Und da kommt nun das Herz des Ganzen ins Spiel: Wofür gibt es denn überhaupt Punkte? Wir spielen ja hier kein Rommé, bei dem einfach nur die Zahlen zählen…oder? Richtig! Die Duokarten bringen einfach einen Punkt pro Pärchen (das man nicht ausgespielt haben muss, aber kann), Meerjungfrauen bringen einen Farbbonus als Kartenpunkte (bei 2 Meerjungfrauen müssen verschiedene Farben gewertet werden), Muscheln bringen je nach Anzahl 0 bis 10 Punkte bei 1 bis 6 Muschelkarten, Oktopusse bringen 0 bis 12 Punkte (bei 1 bis 5 Karten), Pinguine 1 bis 5 Punkte (bei 1 bis 3 Karten) und Anker entweder 0 oder 5 Punkte (bei 1 oder 2 Karten). Außerdem gibt es noch Karten, die Sonderpunkte für andere Karten bringen. So bringt die Pinguinkolonie 2 Punkte pro Pinguinkarte oder der Leuchtturm 1 Punkt pro Boot oder der Kapitän 3 Punkte pro Anker oder der Fischschwarm 1 Punkt pro Fisch. So. Man sammelt also irgendwie alles, weil alles Punkte bringt, muss sich aber immer gut entscheiden, was man eigentlich sammelt, weil bei 7 Punkten geht es definitiv in den Endspurt. Hier wird also Hand Management/Set Collection auf die Spitze getrieben. Einerseits will man Duos sammeln, weil die Sonderaktionen liefern, andererseits will man bestimmte Karten für die Punkte haben, eine Meerjungfrau geht eh immer und eigentlich sollte man immer auch drauf achten, eine bestimmte Farbe mit Prio zu sammeln, damit man entweder selbst eine Letzte Chance starten und punkten kann oder für den Fall, dass das jemand anderes macht und auch noch Erfolg damit hat.
Puh. Klingt anstrengend und ehrlicherweise ist die erste Runde auch ein kleiner Hirnzwirbler. Aber ist man durch diesen Punktemischmasch erstmal durchgestiegen, bekommt man mit Sea Salt & Paper ein wirklich richtig tolles, spaßiges, in allen Konstellationen schnell gespieltes und im wahrsten Sinne des Wortes kleines feines Kartenspiel serviert, bei dem nach einem Spieldurchlauf noch lange nicht Schluss ist, weil die Jagd nach der besten Punktekombination schlicht süchtig macht. Wobei „schnell gespielt“ fast gelogen ist, denn man sitzt schon mindestens gute 30 Minuten dran. Doch es fühlt sich viel kurzweiliger an. Und wie gesagt, der Einstieg ist etwas holprig, aber es lohnt sich hier absolut, am Ball zu bleiben. Und schrägerweise finde ich mittlerweile auch die Optik richtig toll. So ist das manchmal mit den Erwartungen und der Oberflächlichkeit, oft steckt mehr drin, als es scheint. Und hier ist es definitiv so. Für mich eine der ersten echten Überraschungen des Spielejahres und mit einem deutschen Verlag – meiner Meinung nach – auch ein Kandidat für zumindest die Empfehlungsliste des SdJ. Ich bin gespannt, ob es innerfamiliärer auf lange Sicht auch gegen unseren Set Collection Dauerbrenner TEN bestehen kann.
Sea Salt & Paper von Bruno Cahtala und Théo Rivière
Erschienen bei Bombyx (in deutsch bei MM-Spiele)
Für 2 bis 4 Spielende in ca. 30-45 Minuten ab 8 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Bombyx)
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