Als Spieler begeistern mich natürlich vor allem Spiele mit Themen, die mich persönlich interessieren, weil sie eine wichtige Rolle in meiner Lebenswirklichkeit einnehmen oder positive Assoziationen meiner Vorstellungskraft hervorrufen. Bei Kräutern spielen meine Synapsen zwar nicht unbedingt verrückt, doch als recht leidenschaftlicher Hobbykoch bin ich dem Thema auch nicht vollends abgeneigt. In Kräutergarten haben wir es mit einem Kartenspiel rund um das aromatische Grünzeugs zu tun und dürfen hier verschiedene Kräuter wie Lorbeer, Salbei, Lavendel und Dill sammeln und möglichst gewinnbringend eintopfen, wobei verschiedene Töpfe in unserem Besitz verschiedene Möglichkeiten des Eintopfens vorgeben. Nachdem alle Karten ausgespielt wurden und niemand mehr eintopfen kann oder bereits alle Töpfe befüllt sind, endet die Partie und derjenige mit den meisten Siegpunkten gewinnt.
Zu Beginn unseres Zuges dürfen wir immer einen unserer Töpfe aussuchen und dort Kräuter aus unserem persönlichen sowie aus dem Gemeinschaftsgarten eintopfen, wobei ein einmal befüllter Topf für den Rest der Partie nicht mehr angerührt werden darf. Hierbei gibt es einen Topf, der bis zu 7 gleiche Kräuter, ein weiterer der bis zu 7 verschiedene Kräuter, einer, der Paare von gleichen Kräutern und einer der bis zu 3 beliebige Kräuter tragen kann, wobei nur in letzterem die drei selten vorkommenden Spezialkräuter Thymian, Schnittlauch und Minze eingetopft werden dürfen, die zudem noch Zusatzpunkte abwerfen. Na gut, der letzte Topf ist eigentlich ne Vase, aber das tut wohl nicht allzu viel zur Sache (?)
Hat man bereits Kräuter eingetopft und möchte darauf verzichten, zieht man anschließend nacheinander zwei Karten vom Kräuternachziehstapel und entscheidet sich bei der ersten, ob diese in den persönlichen Garten gelegt werden soll, auf den die Mitspieler keinen Zugriff haben, oder ob sie in den Gemeinschaftsgarten wandern soll, auf den alle Spieler zu jederzeit Zugriff haben. Egal, wie man sich entscheidet, die zweite gezogene Karten muss in den jeweils anderen Bereich gelegt werden. Danach ist der nächste Spieler an der Reihe, überlegt, ob das Eintopfen von Kräutern bereits Sinn macht, und verteilt anschließend wieder zwei Kräuterkarten auf seinen bzw. den Gemeinschaftsgarten. Das Ganze geht so lange weiter, bis alle Karten aufgebraucht sind und niemand mehr irgendwas eintopfen kann. Allerdings gibt es noch eine Extrapunktekarte, das Kräuterbrötchen, die nur derjenige bekommt, der zuerst alle drei Spezialkräuter in seine gläserne Vase eingetopft hat.
Das wäre regeltechnisch bereits alles, was es zu Kräutergarten zu sagen gibt, wobei sich die Entwickler noch einen Team-Modus haben einfallen lassen, in dem immer drei Karten nacheinander gezogen werden, die dann in den eigenen, den Gemeinschafts- und den Teampartnergarten verteilt werden; und in einem „Experten“-Modus fällt bei diesem Teamspiel noch die Kommunikation weg und nur die Punkte vom schwächeren Teammitglied zählen am Ende.
Doch das war es nun tatsächlich zu den Regeln. Werfen wir nun lieber mal einen Blick aufs Material sowie den Spielspaß, den das gemütliche Kräuteranpflanzen und -eintopfen bringt, oder halt eben nicht bringt. Die Anleitung ist übersichtlich und gut geschrieben, die Karten sind schlicht, aber nett gestaltet (doch was will man bei Kräutern auch großartig anders machen!?), und die länglichen Pappmarkierungen für den eigenen Garten waren zwar nicht zwingend nötig, greifen sich aber gut an. Insgesamt beinhaltet Kräutergarten im Übrigen 72 Kräuterkarten und 16 Behälterkarten, also jeweils vier für bis zu vier Spieler. Das Material ist also dem Spiel durchaus angemessen und ich habe an dieser Stelle nicht wirklich was zu meckern.
Hat mich Kräutergarten nun jedoch in imaginäre Aromawelten entführt? Hat es ein Gleichgewicht zwischen dem beschleunigten Alltag und meiner inneren Seelenruhe geschaffen? Nein. Und nein. Aber es war doch recht witzig. Der größte Reiz des Spiels besteht darin, das richtige Timing fürs Eintopfen zu finden. Denn topft man zu früh ein, werfen die einzelnen Behälter am Ende zu wenige Siegpunkte ab. Topft man jedoch zu spät ein, reichen die übrigen Karten vielleicht nicht mehr aus, um genügend Siegpunkte einzusammeln, zumal das Gegenüber vielleicht zuvor das ganze Rosmarin aus dem Gemeinschaftsgarten für seinen großen Topf weggeerntet hat. Es kann schon ziemlich ärgerlich sein, genau einmal zu lange zu warten, um dann dabei zuzuschauen, wie ein Mitspieler die für einen selbst sehr wichtigen Kräuter aus dem Gemeinschaftsgarten stibitzt. Andererseits hat sich derjenige vielleicht auch verschätzt und meine Geduld wird am Ende doch noch belohnt. Denn in meiner Erstpartie war es dann tatsächlich so, dass ich recht früh alles eingetopft hatte und somit keine Kräuter mehr aus den Gärten verwenden durfte. Lediglich beim Ziehen und Verteilen durfte ich weiterhin mitmachen, während mein Gegenüber versucht hat, aus den noch übrigen Kräutern irgendwie meinen Vorsprung einzuholen. Zu meinem Glück hat es am Ende dann tatsächlich nicht ganz ausgereicht für ihn.
Das Timing ist hier der Clou und daher spiele ich Kräutergarten auch am liebsten zu zweit (oder vielleicht im Team), denn je mehr Spieler mitmachen, desto weniger Einfluss habe ich darauf, welche Kräuter zwischenzeitlich weggeschnappt werden, wodurch auch die Sache mit dem Timing an Bedeutung verliert. Nichtsdestotrotz hat mich Kräutergarten jetzt auch nicht völlig vom Hochbeet gerissen. Dafür ist es am Ende des Tages für mich dann vielleicht doch eine Nuance zu banal. Doch diejenigen, die ein gemütliches Kartenspiel suchen, etwas mit dem Thema anfangen können und den beschriebenen Reiz des Spiels ebenfalls reizvoll finden, die sollten durchaus einmal einen Blick auf Kräutergarten werfen. Und wer auf die Timing-Geschichte steht, aber kleine Steinchen statt Karten ausspielen will, der kann alternativ einen Blick auf No Return werfen, einem abstrakten Steinchenauslegespiel, das ich vor Ewigkeiten mal auf unserer Website rezensieren durfte. War jetzt auch kein absoluter Knaller, aber auch hier war das richtige Timing fürs Punkten entscheidend.
Und es soll ja sogar Menschen geben, die Gartenarbeit als meditativ empfinden – wie auch immer das mit dem Dreck an Knien und Händen sowie dem von der Stirn heruntertropfenden Schweiß möglich sein soll!? Da bevorzuge ich dann doch die gemütliche, trockene und weniger dreckige Variante am Tisch und schnappe hier und dort einfach genüsslich den anderen Spielern den Safran vor der Nase weg. Wie lange sich Kräutergarten jedoch in meiner Sammlung halten wird, ist fragwürdig, denn sobald die Sonne rauskommt, zieht es mich dann wahrscheinlich doch wieder in den Garten. Denn am Ende des Drecks und des Schweißes wartet vielleicht kein innerer Seelenfrieden, aber doch ein schöner Garten und eine Menge leckerer Kräuter, die ich dann vielleicht in einem leckeren Kräuterbrötchen verarbeiten werde?
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Kräutergarten von Steve Finn, Eduardo Baraf & Beth Sobel
Erschienen bei Quality Beast
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 20 Minuten ab 8 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Quality Beast)