Wenn ein neues Spiel von Corey Konieczka auf den Markt geworfen wird, dann sorgt das durchaus erstmal für Neugier. Schließlich stehen in seiner Ludographie so einige Knallertitel. Manche davon finde ich großartig (Mansions of Madness z.B.), von anderen habe ich gehört, dass sie großartig sein sollen – und die jeweiligen BGG-Rankings bestätigen dies auch (und ja, natürlich gibt es auch da Ausreißer nach unten). Was viele seiner Spiele machen ist aber in erster Linie eine tolle Atmosphäre zu erschaffen oder – um es mal Neudeutsch auszudrücken – sie sind oftmals sehr immersiv und zudem nicht unbedingt was für die ganze Familie.
3000 Halunken ist da anders. Zum einen, weil es durchaus ein Familienspiel ist. Und ich denke, daran scheiden sich die Geister. Denn eigentlich ist man „mehr“ gewohnt. Wobei der geringere Anspruch gar nicht verkehrt ist, man sollte halt nur nicht zu viel erwarten, aber dazu später mehr. Zum anderen bekommen wir hier ein recht nettes Setting, dass aber doch irgendwie aufgesetzt wirkt. Wir spielen im Wilden Westen und wollen die Relikte eines mysteriösen Reisenden aus Tresoren stehlen, die in Wahrheit Dinge aus einer späteren Zeit sind. Dementsprechend sammeln wir keine Sieg- sondern Techpunkte. Joar, ganz nett, passt zum Comicstil des Spiels. Im Spiel selbst geht es dann hauptsächlich darum, gut zu bluffen oder die Bluffs anderer zu enttarnen, während man sich selbst eine kleine Engine aufbaut. Und ja, da werden Mechanik und Thema schon zu einer sehr guten Mischung, zumal das Bluffen über kleine Pokerkarten verläuft. Insofern passt die Stimmung schon, auch wenn von „echter Immersion“ keine Rede sein kann. Letztlich könnten es auch Aliens statt Cowboys sein oder Ameisen in ihrem Bau…oder so. Trotzdem ist das gewählte Thema ganz nett und passt irgendwie.
Das Spiel selbst besteht aus einem Haufen Sleeves in drei verschiedenen Farben (= „Leveln“) sowie entsprechenden transparenten Karten mit den gleichen Farben (die sogenannten „Jobs“). Vor der ersten Partie packt man also erstmal nur die Jobs in die passenden Sleeves und zieht dabei noch die Schutzfolie von den transparenten Karten ab. In der gleichen Zeit, die man hierfür braucht, hätte man schon zwei Partien spielen können. Klingt komisch, ist aber so und ist gar nicht wertend gemeint, auch wenn es so klingen mag. Dazu gesellt sich ein Stapel weiterer Karten (die „Eigenschaften“) in zwei Leveln. Je nach Spielendenzahl legt man nun eine bestimmte Zahl an Jobkarten je Level sowie Eigenschaften je Level auf je einen Stapel und die übrigen Vorbereitungen (alle bekommen ein Playerboard, Pokerkarten, Handlanger, etc.) können laufen, bevor es mit dem Spiel losgeht.
Nun folgt der eigentliche Clou des Spiels: Wir brauchen Halunken im Saloon. Also ziehen wir eine Job- und eine Eigenschaftskarte und stecken diese zusammen. Fertig ist unser spezieller Halunke und schon wissen wir, woher der Name des Spiels kommt. Denn es gibt insgesamt 3000 unterschiedliche Möglichkeiten, einen Halunken zusammenzustellen. Gut, wenn man ehrlich ist, könnte man diese auch in deutlich weniger „Rubriken“ zusammenfassen, aber „20 Arten von Halunken mit jeweils vielen unterschiedlichen Eigenschaften im Detail“ (die 20 ist rein zufällig gewählt, ich habe nicht gezählt) würde dann nicht mehr so eindrucksvoll klingen. Sei’s drum. Haben wir den Saloon gefüllt, dürfen wir spielen.
Und zwar Reihum: Zuerst spielt man eine der eigenen vier (von 7) Hand-Pokerkarten verdeckt auf einen „Pokerkartenslot“ (=Aktionswahlslot, wobei hier Pokerkarten auch falsch ist, da es eine 0 gibt, aber sei’s auch da einfach drum). Die Karte kann der Zahl auf dem Spielbrett entsprechen oder nicht, die Aktion des Slots darf man trotzdem ausführen. Anschließend nutzt man noch die Fähigkeiten all seiner Halunken, die ebenfalls den entsprechenden Slot auf ihrer Karte haben (und da man bis zu fünf Stück angeheuert haben kann, ergibt sich hier, bei guter Planung und guter Auslage durchaus mal eine kleine nette Engine, die aber nicht sooo ausschweifend ist) und anschließend darf man einen Halunken aus dem Saloon anheuern oder beim Sheriff um Geld betteln bzw. Handlanger von dort befreien. Von den Handlangern hat jeder vier Stück, wobei einer bereits im Knast startet. Diese Handlanger braucht man aber wiederrum, um andere Mitspielenden des Bluffens zu beschuldigen. Glaubt man nämlich, dass das Gegenüber gar nicht die passende Pokerkarte in den passenden Slot gelegt hat, so wäre das ein klarer Bluff. Und bei lediglich 7 Karten, die man hat, und 6 verschiedenen Slots, wobei man nur 4 Karten pro Runde auf der Hand hat und alle(!) spielen muss….natürlich muss da geblufft werden, was die Westernstadt hergibt. Und natürlich lohnt sich auch das Aufdecken eines Bluffs: Am Ende eines Tages (also wenn alle Karten gespielt wurden) werden die Verdächtigungen überprüft. Hat man einen Bluff aufgedeckt, bekommt man einen Rufpunkt und die bluffende Spielerin verliert einen. Bei einer falschen Verdächtigung wandert lediglich der Handlanger in den Knast.
Die Rufpunkte bringen am Spielende Boni oder Mali auf die angesammelten Techpunkte. Letztere wiederrum erhält man durch das Knacken von Tresoren sowie durch einige Halunken. Tresore kann man mit einer entsprechenden Aktion ausrauben, allerdings hat man pro Durchgang (also pro 4 gespielte Karten) nur einmal die reguläre Möglichkeit, einen zu stehlen. Bestimmte Halunken bringen hier ggf. noch ein paar Gelegenheiten hinzu, aber dies muss nicht der Fall sein. Und natürlich ist nicht jeder Tresorinhalt gleich viel wert. Um hier mehr Planungssicherheit zu bekommen, kann man zwei der Slots nutzen, um einen Safe zu inspizieren. Dann darf man sich die jeweilige Tresorkarte geheim anschauen, muss aber einen Marker mit einem Wert drauflegen. Und auch hier darf wieder geblufft werden. Es dürfen nämlich grundsätzlich mehrere Marker auf einem Safe liegen. Passen ein oder mehrere der Marker zum Techwert der Karte, bekommt die Person, die den Safe knackt, einen Bonuspunkt pro passendem Marker. Wenn ich selbst einen Safe markiere, sind aber immer erst alle anderen dran, bevor ich ihn mit meiner nächsten Aktion stehlen könnte und der Tresor dann noch da ist. Und das macht es durchaus etwas tricky. Außerdem kann man nur so viele Safes mit in die Endrunde nehmen, wie die Anzahl der Durchgänge beträgt. Und nach grade mal zwei (kurzes Spiel) oder drei (langes Spiel) Durchgängen ist Schluss und es wird abgerechnet. Wer die meisten Techpunkte hat, gewinnt.
Das war’s? Ja. Passen Setting und Mechanik zusammen? Ja. Machen die Mechaniken Sinn? Ja, wobei der „Selling Point“ ja das Zusammenschieben der Halunken sein dürfte und ehrlicher Weise nervte mich dies nach einiger Zeit ein wenig, nicht schlimm, aber eben doch. Haut das Spiel einen um? Also mich ehrlich gesagt nicht. Ist es also ein schlechtes Spiel? Das würde ich auch nicht sagen. Macht es also Spaß? Kommt drauf an: Wenn man Spaß daran hat zu bluffen und damit andere in die Irre zu führen, dann durchaus. Wobei man dann definitiv beim langen Spiel bleiben sollte (das laut Anleitung nach der Erstpartie auch empfohlen wird!). Denn bei zwei Runden ist klar: Wer in der ersten Runde schon ein As gespielt hat, hat es sehr wahrscheinlich in der zweiten Runde nicht mehr auf der Hand (da nur eine der vier Karten aus der ersten Runde auch in der 2. Runde ausliegen). Und selbst wenn, hat man in der zweiten Runde meist noch genügend Handlanger, die am Spielende ruhig im Knast versauern können, denn Minuspunkte bekommt man hierfür nicht. Oder anders gesagt: Bei zwei Runden macht das Ganze irgendwie weniger Sinn (dafür ist die Spielzeit, grade zu viert, super!). Bei drei Runden muss dagegen schon ordentlich abgewägt werden, wann man die anderen des Bluffens beschuldigt.
Außerdem gewinnt das Spiel mit zunehmender Spielendenzahl natürlich an Reiz. Während man sich zu zweit die Handlanger nur so um die Ohren wirft, muss im Spiel zu viert schon sparsamer mit Verdächtigungen umgegangen werden. Ähnlich verhält es sich mit den Safes: Die Anzahl dieser skaliert nämlich nicht mit der Spielendenzahl. Zu zweit schaut sich im Zweifel also jeder andere Safes an und das Wegschnappen der Safes spielt dadurch keine ganz so große Rolle mehr, was schade ist. Hier helfen aber Hausregeln weiter. Nachteilig ist allerdings, dass das Spiel zu viert mit drei Runden auch mal etwas länger gehen kann, und das Spiel dann, für das was es sein will, irgendwie ein wenig zu lang wird. Wir haben hier also eine Zwickmühle: Zu zweit sind zwei Runden super schnell gespielt, aber etwas reizarm. Zu viert sind drei runden reizvoll, aber eigentlich zu lange. Liegt die Wahrheit also in der Mitte? Zu dritt 2,5 Runden spielen? Das darf jede/r für sich selbst entscheiden ;) Und um nochmal kurz zum Enginebuilding zurück zu kommen: Dieses ist durchaus schmal und kann mal gelingen, ist aber stark von der Auslage (= Glück)abhängig, die mit drei Karten eher klein ausfällt. Aber auch das spricht für das Familienniveau.
Und noch etwas spricht für diese Einordnung: der Grad an Interaktion. Denn ja, man beschuldigt sich des Bluffens und klaut auch mal einen Safe vor der Nase weg. Aber wären die Halunken noch etwas unterschiedlicher, hätte man hier die Möglichkeit gehabt, noch viel mehr als „nur“ diese beiden Möglichkeiten der Interaktion hinzufügen können. Aber gut, kommt vielleicht mit einer 3000 + 2000 Halunken-Erweiterung(?) oder so.
Und was heißt das jetzt? Es heißt, dass 3000 Halunken ein nettes, aber eben durchaus seichtes Familienspiel ist. Man kann es schnell erklären und es spielt sich locker fluffig runter (wenn man nicht zu viert drei Runden spielt..). Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Kein Volltreffer, aber eben auch kein Querschläger. Nett, ohne dass „nett“ hier als die kleine Schwester von….ihr wisst schon…. gemeint ist. Es hängt halt auch ganz stark davon ab, mit wem man es spielt.
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3000 Halunken von Corey Konieczka
Erschienen bei Asmodee
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 60-90 Minuten ab 12 Jahren
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