Was haben Blaubeeren und Haselnüsse eigentlich mit der Holzverarbeitung zu tun? Gute Frage. Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung. Und doch versuchen wir in Vladimír Suchýs neuem Expertenspiel durch geschickte Verarbeitung unserer Hölzer, möglichst viele Blaubeeren zu bekommen, die uns helfen sollen, möglichst viele Haselnüsse zu bekommen. Und das mit relativ überschaubaren Regeln und gewitzten Mechaniken. Ist Woodcraft also eine kreissägenrunde Sache?
Die Antwort auf diese Frage muss erstmal etwas warten, denn ich möchte natürlich mit den Komponenten beginnen. Und ganz ehrlich: Was hier so in der Packung liegt, kann sich wirklich sehen lassen. Große Playerboards (nein, nicht Dual-Layer, aber man kann für den Preis nicht alles haben), ein großes Aktionswahlrad, viele Papptokens, Holzmarker, Würfel, schicke Karten und alles thematisch stimmig designt (ok, die Blaubeeren und Haselnüsse…aber irgendwie schöner als Geld und Ruhm, von daher auch was für die Optik). Sehen lassen kann sich auch das Thema, denn es ist unverbraucht, jeder weiß, worum es geht und die Spielmechaniken machen vor diesem Hintergrund auch meistens Sinn: Das Holz wird durch unsere Würfel repräsentiert. Dieses gibt es in drei Qualitäten (grün, gelb, braun) und in jeweils sechs verschiedenen Längen (Würfelaugen). Ich kann Hölzer zersägen (z.B. aus einem 5er-Würfel einen 3er und einen 2er machen) oder auch zusammenleimen (2+2 = 4 usw.) oder schlicht wachsen lassen und fällen, wenn ich es brauche. Ich kann Holz kaufen und verkaufen (immer mit Gewinn), um Holz in der richtigen Qualität und Länge zu haben, damit ich dann (endlich) die Aufträge erfüllen kann, die ich erfüllen muss, um eine Chance auf den Sieg zu haben. Diese Aufträge brauchen nämlich immer eine bestimmte Kombination von Würfeln, um erfüllt werden zu können. Daneben kümmere ich mich noch um mein Personal (Karten, die Boni und Einkommen generieren) oder baue meinen Dachboden aus (ein Collection-Puzzle-Anteil, der etwas aufgesetzt wirkt).
Von all den gegebenen Haupt-Möglichkeiten darf ich je Runde aber immer nur eine einzige machen. Und nach maximal 14 Runden ist das Spiel auch schon vorbei. Gut, es gibt natürlich „Nebenaktionen“, die nicht als Hauptaktionen gelten, so dass der Schein hier etwas trügt. Aber diese Nebenaktionen sind tatsächlich eher Hilfs- als eigenständige „richtige“ Aktionen (z.B. gehört das Zersägen dazu). Es dürfte somit klar sein: Alles Machen ist hier nicht, man muss sehr genau wissen, was man will und worauf man spielt und sich eine entsprechende Strategie zurecht legen. Diese sollte jedoch noch im moderaten Rahmen flexibel bleiben. Kernmechanik ist nämlich das Aktionswahlrad: Hier liegen die 7 möglichen Hauptaktionen drin. Anfangs sind alle Aktionen gleichwertig. Nutzt man eine Aktion, muss diese in das nächste Viertel des Kreises gelegt werden. Wird dabei die Spitze des Aktionsrads übersprungen, bewegt sich das Rad ebenfalls in 90 Grad-Schritten weiter. Und dann bekommen länger nicht genutzte Aktionen einen Bonus.
Und bewegt sich das Rad nochmal und die Aktionen liegen noch immer da, gibt es sogar noch einen weiteren Bonus und die etwas jüngeren alten Aktionen bekommen ebenfalls einen Bonus. Würde nun das Aktionsrad noch weiter gedreht werden müssen, dürften die Aktionen, die das Rad drehen lassen aber nicht genutzt werden, solange nicht alle „ganz alten“ Aktionen auch mal dran waren. Heißt: Ich habe eigentlich fast immer die freie Wahl an Aktionen, außer einige wenige Aktionen wurden zu häufig genutzt. Dann setzen diese nämlich aus, bis alle vernachlässigten Aktionen auch mal an die Reihe durften. Was auf den ersten Blick etwas kompliziert klingen mag, spielt sich vollkommen intuitiv und logisch. Gleichzeitig ist es durchaus lukrativ, eine Aktion „reifen“ zu lassen und im richtigen Moment zuzuschnappen. Eine spannende Mechanik, die dann auch mal eine zu starre Strategie sabotieren kann.
Trotzdem kommt es bei Woodcraft grundsätzlich in erster Linie darauf an, das Richtige zur richtigen Zeit zu tun und dabei den Fokus auf die eigenen Aufträge nicht zu verlieren (nicht erfüllte Aufträge geben am Ende Minuspunkte). Doch was der richtige Weg ist, das muss man für sich selbst herausfinden. Hier leitet einen das Spiel null Komma gar nicht. Und auch wenn 7 Aktionsmöglichkeiten (plus Nebenaktionen) nicht viel klingen mag, so ist die hierdurch erzeugte Spieltiefe doch immens. Grade in den ersten Partien hat man im wahrsten Sinne des Wortes keinen Plan und spielt erstmal notgedrungen vor sich hin, weiß gar nicht, was man tut und merkt erst hinterher, welche Fehler man gemacht hat und sieht dann erst das sprichwörtliche Brett, das man vorm Kopf hatte.
Und damit ist klar: Der Stempel „Expertenspiel“ ist wörtlich zu nehmen. Trotz der heimeligen Optik steckt hier ein knallhartes Optimierspiel in der Packung. Denn jede Aktion sollte nach Möglichkeit so gewählt werden, dass der maximale Benefit bei rauskommt. Und genau hier muss jede/r für sich selbst wissen, ob Woodcraft den persönlichen Spielgeschmack trifft. Ich persönlich konnte nicht so wirklich warm damit werden, was aber auch daran liegen mag, dass ich spiele mit konstantem Mangel nicht so wirklich mag. Und grade bei den Blaubeeren besteht hier immer ein Mangel.
Das soll nicht heißen, dass Woodcraft kein gutes Spiel ist. Das Gegenteil ist der Fall: Es ist ein richtig tolles Spiel und macht eigentlich alles richtig und ich will es auch wirklich mögen, allein wegen der tollen Mechaniken und ihrer Mischung, wegen des frischen Themas und des durchaus sehr passenden Designs. Aber leider trifft es bei mir nicht den richtigen Nerv und ich kann nicht mal sagen, wieso, denn ich verstehe, warum viele es wirklich toll finden. Schade, aber man kann halt nicht alles mögen.
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Woodcraft von Vladimir Suchy
Erschienen bei Pegasus Spiele
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 60 - 120 Minuten ab 12 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Pegasus Spiele)
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