Mittwoch, 21. Oktober 2015, 16:29 Uhr kalifornischer Zeit. Ein Junge aus dem Jahr 1989 reist an, um seine zukünftigen Kinder auf den richtigen Weg zu bringen. Dass ein Sportalmanach bei seiner Reise eine wichtige Rolle spielen wird, konnte er vorher nicht wissen. Gleichzeitig reist in einer anderen Realität ein junger Mann allein Kraft seiner Gedanken durch seine eigene Lebensgeschichte und verändert diese immer wieder, um seine Freundin zu retten, und verstrickt sich dabei in den Konsequenzen seines Tuns.
Vielleicht habt ihr die beiden Filme erkannt, wenn nicht solltet ihr mal einen Blick auf Zurück in die Zukunft II und The Butterfly Effect wagen. Was beide gemein haben ist, dass sie eigentlich nichts mit Takyon zu tun haben – außer das Thema: Ändere die Vergangenheit, um die Zukunft zu beeinflussen.
Wenn ihr Euch jetzt aber fragt, was Takyon eigentlich ist, dann kann ich Euch beruhigen. Ging mir genauso. Takyon ist ein Spiel eines kolumbischen Verlages, das dort vor kurzer Zeit über die Plattform vaki.co im kleinen Rahmen gefounded wurde. Uns lag ein Prototyp zur Begutachtung vor, wobei uns nicht bekannt ist, ob es das Spiel auch noch auf andere Plattformen schaffen wird oder gar, ob dies überhaupt geplant ist.
Aber nun zum Spiel: Aufgrund des Prototyp-Charakters lässt sich über die Qualität der Komponenten nichts Abschließendes sagen. Die Plastikteile sind ok, die Karten recht dünn aber zweckmäßig gestaltet, das Board noch ein wenig „instabil“ und vom in der Anleitung erwähnten Würfel fehlt jede Spur. Unterm Strich sieht das Spiel aber doch ganz nett aus. Anders als der Zeitreise-Hit „The Loop“ aber nicht knallbunt und psychedelisch, sondern in ruhigen Erdtönen gehalten. Und es gibt hier auch nicht den einen Bösewicht, sondern die gesamte Menschheit hat mal wieder die Erde zerstört und wir versuchen nun, die Vergangenheit zu ändern, damit alle wieder ein glückliches und zufriedenes Leben in der Zukunft leben können. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen alle am Tisch gemeinsam 12 Missionen erfüllen, wobei am Ende nur ein Gewinner gekürt wird. Wird aber die Zahl der verursachten Paradoxa ist so hoch, dass die Erde ausgelöscht wird….also auch aus der Geschichte….dann verlieren alle. Das Raum-Zeit-Kontinuum ist da eben gnadenlos.
Die genannten Missionen bestehen daraus, bestimmte Technologien durch Raum und Zeit zu bewegen und so beispielsweise die Hubschraubertechnologie in die Zeit der Dinosaurier zu bringen. Denn jede Änderung der Vergangenheit, ändert bekanntermaßen auch die Zukunft. Dabei muss man immer eine bestimmte Technologie (= Chip) aus einer bestimmten Zeit besitzen was auf dem Playboard kenntlich gemacht wird. Hinzu kommt, dass jede Mission noch zwei weitere optionale Technologien (aus anderen Zeiten) anzeigt, die man ebenfalls sammeln kann, um mehr Punkte zu bekommen.
Dies läuft wie folgt ab: Wer an der Reihe ist, bewegt die eigene Zeitmaschine (= Worker) auf ein Aktionsfeld (=placement ;), führt die Aktion aus und schon ist der nächste Mensch am Tisch dran. Die Aktionen sind einerseits Zeit manipulieren und/oder Technologien sammeln, andererseits noch Möglichkeiten, um nicht benötigte Technologien zu verkaufen oder optional benötigte Technologien zu kaufen. Außerdem lassen sich durch Aktionen neue Missionen erhalten und Paradoxa auflösen. Sammelt man mit einer Aktion eine Technologie, muss man diese auf dem eigenen Playerboard in den Abschnitt der Zeit legen, in der man sich grade befindet (als Kennzeichen dafür, dass die Technologie aus dieser Zeit stammt). Ganz ohne geplaceten Worker darf man Missionen abschließen und/oder Anomalien (= Aktionskarten) kaufen oder nutzen.
Um eine Mission abzuschließen muss man eine (oder bis zu drei) Technologien aus der richtigen Zeiten auf seinem Playerboard besitzen und aktuell in der Zeit sein, die auf der Missionskarte als Ziel abgebildet ist. Außerdem muss der eigene Time Agent auf dem geforderten Kontinent sein.
Für das Erfüllen einer Mission gibt es dann Siegpunkte (je nachdem wie viele Technologien man hat) und sehr wahrscheinlich auch eine Paradoxie….Apropos Paradoxie. Löst man eine aus, dann muss der Paradoxie-Würfel geworfen werden. Der dort erwürfelte Kontinent erhält einen Token und der Kontinent wird solange gesperrt, bis das Paradoxon gelöst wurde. Ist es der zweite Token, ist der Kontinent für immer verloren.
Das Spiel endet wie schon gesagt bei zu vielen Paradoxa oder nach dem Erfüllen von 12 Missionen. Bei einem Sieg der Spieler gibt es dann noch einige Bonuspunkte für gewisse Technologien und für abgeschlossene - aber auch Minuspunkte für nicht fertiggestellte - Missionen und die Siegerin wird gekürt.
Kommen wir zum Fazit. Ich mag ja Zeitreisegeschichten. Und ich mag auch die Idee, die hinter dem Setting von Takyon steckt. Technologien zu nehmen und sie in die Vergangenheit zu schleusen, um damit die Erde der Gegenwart/Zukunft zu einem besseren Ort zu machen. Keine neue Idee, aber für ein Brettspiel ganz schick. Sehr schön finde ich auch die Idee, dass die Anomaliekarten, von denen 4 ausliegen, je nach Veränderung der Jahreszeit mit verändert werden. Das ist vielleicht nur ein Gimmick, aber von der Idee her mal ganz nett. Aber konnte mich Takyon nun in seinen Zeit-Raum-Sog ziehen? Ehrlich gesagt, nicht so wirklich. Trotz des überall sichtbaren Themas, fühlt sich Takyon eigentlich eher wie ein abstraktes Puzzlespiel an (was per se ja nicht schlecht sein muss). Ich muss immer schauen, dass ich in der richtigen Zeit auf dem richtigen Kontinent bin, um Technologien einzusammeln und gleichzeitig muss ich in einer anderen Zeit auf einem anderen Kontinent wieder die Sachen abladen. Ja, passt zum Thema, aber die Technologien sind leider nur abstrakte Marker die ich sammle und dass es bspw. grade die ein Helikopter ist, den ich durch die Zeit schleuse, fühlt sich nicht so an. Das wird durch die optionalen Technologien noch verstärkt, bei denen man gar nicht erfährt, welche Technologie das überhaupt sein soll. Da geht das Thema dann schon ganz schön flöten.
Was dabei dann aber irgendwie nicht zu einem Puzzlespiel passt ist, dass der Spielablauf für ein Puzzlespiel im Kern zu wirr und dadurch zu kompliziert ist. Das Problem ist nämlich: Manipuliert jemand die Zeit, gilt das automatisch für alle anderen mit. Klar, hoch interaktiv und wir sollen ja als Gruppe die Erde retten, aber mit der Zeit auch hochgradig nervig, wenn man versucht, in die richtige Zeit zu kommen und alle anderen wo anders hin wollen. Mit einer einzigen Aktion kommt man so im Zweifel ewig lange nicht zum Ziel. Erschwerend kommt hinzu, dass manche Missionen nicht nur Ära und Ort festlegen, sondern auch noch die Jahreszeit (quasi eine zweite Zeitschiene, die mit den gleichen Aktionen verändert wird). Taktieren wird da bei mehr als zwei Spielenden zur Qual und man ist sehr darauf angewiesen, was die anderen am Tisch machen. Hm. Schwierig. Und die Anfangs nette Idee mit dem Verändern der Anomaliekarten ging bei uns ehrlich gesagt völlig unter, was auch daran lag, dass die meiste Zeit über die Karten ohnehin zu teuer waren, um sie sich laufend kaufen zu können.
Es bleibt also ein durchwachsener Eindruck zurück. Tolles Thema, eigentlich nett umgesetzt und mit vielen stimmigen Ideen, aber so richtig überspringen wollte der Zeitreisefunke bei mir leider nicht. Was aber nicht heißt, dass Takyon ein schlechtes Spiel ist. Ich glaube, man kann damit schon Spaß haben, wenn man sich drauf einlässt, dass man ein Puzzlespiel spielt, bei dem man für die (nicht vorhandenen) "Puzzleteile" ein wenig ackern muss und gleichzeitig auch Glück (und bestenfalls keine Mitspielenden) braucht.
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Takyon von Javier Velásqiez
Erschienen bei Azahar Juegos
Für 2 bis 5 Spieler in ca. 90 - 120 Minuten ab 13 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Azahar Juegos)