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27.06.2022

Martial Art


Spielidee

Ryu… E.Honda… Blanka… Ken… Chun Li… Zangief… Dhalsim… Balrog… Vega… Sagat… M. Bison… Die meisten dieser Street Fighter Charaktere konnte ich doch tatsächlich noch aus meinem Gedächtnis hervorkramen; nur auf Balrog und Sagat wäre ich einfach nicht mehr gekommen. Dabei geht es in dieser Rezension überhaupt nicht um Street Fighter. Und doch kommt man beim ersten Blick aufs Cover von Martial Art einfach nicht um Assoziationsketten in Richtung E. Honda und co herum.


Beim zweiten Blick erkennt man dann jedoch auch die Unterschiede, und auch das Spiel selbst hat mit dem jüngst gehypten Street Fighter Miniaturen-Spektakel von Jasco Games nicht allzu viel zu tun, abgesehen davon, dass wir uns auch hier gegenseitig unverfroren auf die Mütze geben. Das geht entweder im 1vs1 als auch im 2v2, und theoretisch auch im 1v1v1… Hierbei hat jeder Charakter eigene Spezialfähigkeiten, die man neben den ganz normalen Attacken dazu nutzt, den Kontrahenten die einzelnen Körperteile so zu demolieren, dass sie nicht mehr weiterkämpfen können. Ob man jedoch versucht ein Körperteil mehrfach zu treffen, um sich auf diese Weise einen direkten KO zu erkämpfen, oder ob man den Gegner durch gut verteilte Angriffe auf verschiedene Körperteile so zermürbt, dass man sich einen technischen KO sichert, ist jedem Kämpfer selbst überlassen. Auf geht’s in den Fight!

Material

Man darf ein Martial Art mit seinen Papp-Kämpfern natürlich nicht mit den doch ziemlich genialen Miniaturen von Street Fighter vergleichen, zumal letzteres um ein Vielfaches teurer ist. Doch alles in allem ist das Material doch stimmig. Die Kampfarena ist zwar optisch wenig aufregend, doch die sechs Charakterboards sind ziemlich cool, und auch die fünf Custom Dice sowie die 33 Effekt- und 23 Aktionsmarker aus Holz greifen sich gut an und passen gut zur Gesamtoptik. Hinzu kommen noch 28 kleine Würfel in drei verschiedenen Farben für die Lebensanzeige und die Chi sowie Rage-Leisten, und auch die insgesamt 30 Fertigkeitsplättchen aus stabiler Pappe sind qualitativ völlig in Ordnung. Die Anleitung hätte ein wenig kompakter und präziser gestaltet werden können, doch das Regelwerk ist schlussendlich doch verständlich und nicht allzu komplex. Und im Regal fällt die Box durch das auffällig farbenfrohe Cover auf jeden Fall auf – und meiner Meinung nach eher positiv, wobei das natürlich wie immer Geschmacksfrage ist.


Ablauf

Jeder Kämpfer hat fünf relevante Körperteile, nämlich das linke und rechte Bein, den linken und rechten Arm sowie den Kopf. All diese Körperteile können für einen Angriff genutzt werden oder Ziel eines Angriffs sein. Und hierbei kommen die Effekt- und Aktionsmarker ins Spiel. Denn diese werden zu Beginn einer Partie je nach Charakter und eigener Vorliebe nach einem bestimmten Muster auf die verschiedenen Körperteile verteilt. Hierbei werden die gelben Aktionsmarker offen hingelegt und die grünen Effektmarker verdeckt hingestellt.

Ist man an der Reihe, wählt man stets ein Körperteil aus, nimmt alle Marker, die auf dem ausgewählten Körperteil liegen auf, aktiviert die grünen Effekte und legt dann die ganzen Marker Stück für Stück auf die nächsten Körperteile im Uhrzeigersinn, sodass bei drei aufgenommenen Markern das ausgewählte Körperteil leer bleibt und die im Uhrzeigersinn darauffolgenden drei Körperteile jeweils einen Marker dazubekommen, wobei gelbe Aktionsmarker immer am Schluss platziert werden müssen. Wird so ein Aktionsmarker platziert, greift man eben jenes Körperteil des Gegners an, indem man mindestens zwei Würfel wirft und auf Treffer hofft. Für jeden Treffer wandert der Marker des getroffenen Spielers auf seiner entsprechenden Körperteilleiste um eines nach unten. Erreicht der Marker das letzte Feld der Leiste, geht der Kämpfer sofort KO. Wandert der Marker jedoch nur in den roten KO-Bereich der Leiste, passiert zunächst nichts, solange sich nicht bereits zwei weitere Körperteilmarker im KO-Bereich befinden, wodurch es zu einem technischen KO käme. Außerdem verliert man je nach Körperteil und Anzahl der Treffer eigene Aktions- oder Effektsteine, was ziemlich schmerzen kann.


Glücklicherweise kann man sich gegen einen Angriff wehren, sofern sich auf dem angegriffenen Körperteil ein grüner Effektmarker mit dem Effekt „Defense“ befindet. Denn jeder dieser Defense-Tokens erlaubt es dem Verteidiger, zwei Würfel zu würfeln, wobei jeder Treffer hier einen Treffer des Angreifers annulliert. Die weiteren Effekte in Martial Art sind „Move“, womit man sich auf ein benachbartes Hexagon in der Arena bewegen darf, und „Energy“, womit man den eigenen Chi- oder Rage-Marker um eins auf der entsprechenden Leiste hinaufsetzen darf. Diese Energie wird entweder für extra Bewegungsschritte (1 Chi + 1 Rage je Schritt) gebraucht, oder um die eigenen Skills zu aktivieren. Jeder Fighter hat eine größere Auswahl an Skills, von denen immer nur drei pro Kampf benutzt werden. Manche Skills erlauben es dem Angreifer nach Ausgabe des benötigten Chis und der benötigten Rage mehr Würfel zu werfen, oder den Gegner bei einem erfolgreichen Treffer auf ein benachbartes Feld zu pushen. Andere Effekte sind auch defensiver Natur und geben dem Verteidiger als „Reaktion“ einen Vorteil. Allerdings werden für viele Skills auch bestimmte Aktionsmarker vorausgesetzt, denn auch die gelben Aktionsmarker zeigen stets einen von vier Symbolen. Der Skill „Uppercut“ kostet zum Beispiel 2 Rage und kann nur aktiviert werden, wenn der Kopf des Gegners angegriffen wird und der platzierte Aktionsmarker eine Hand für „Punch“ zeigt. Ist all dies der Fall, bekommt der Angreifer zwei Würfel zu den zwei Standard-Würfeln hinzu, darf also mit vier Würfeln attackieren.


Und so wechseln sich die Kämpfer immer wieder ab, wählen immer wieder ein eigenes Körperteil, aktivieren immer wieder die grünen darauf liegenden Effekte, verteilen alle Marker auf den darauffolgenden Körperteilen und führen ggf. einen Angriff auf das Körperteil aus, auf dem der letzte Aktionsmarker landet. Eine Extraregel führt schließlich noch die Ausrichtung des Kämpfers ein und besagt, dass man einen Gegner nur auf den drei vor einem liegenden Felder angreifen kann und dass ein Angriff von hinten zu einem automatischen Extrawürfel für den Angreifer führt.

Fazit

Nach der ersten Partie war ich ziemlich überrascht, und zwar davon, wie schnell der Kampf wieder vorbei war. Und das ist gut! Denn ein Würfelspiel dieses Kalibers muss flott gespielt werden können. Dies führt dazu, dass man nach einem Kampf getrost einen zweiten oder dritten folgen lassen kann, und kennen beide Kontrahenten das Spiel, sollten diese drei Kämpfe nicht viel länger als ne Stunde brauchen. Außerdem kann man ja zwischendurch noch die Kämpfer oder zumindest die Skills wechseln, oder man beginnt mit einer anderen Verteilung der Effekt- und Aktionsmarker, um für andere Startbedingungen zu sorgen. Es steckt also schon eine gewisse Abwechslung in Martial Art, auch wenn diese aufgrund der begrenzten Anzahl an Effekten eher überschaubar bleibt.


Der Markerverteilungsmechanismus, der ein wenig an Five Tribes erinnert, sorgt schon für ein wenig Gehirnanstrengung, die sich jedoch in Anbetracht der begrenzten Anzahl an Feldern schlussendlich in Grenzen hält. Vorausplanung ist hier in jedem Fall ein Vorteil, auch wenn der Fight am Ende des Tages höchstwahrscheinlich durch die Würfel entschieden wird. Es ist und bleibt halt ein sehr glückslastiges Würfelspiel, das – wie eingangs erwähnt – zum Glück flott runtergespielt werden kann.

Ein schöner Kniff ist, dass man durch einen technisches KO oder einen wirklichen Knockout gewinnen kann. Allerdings ist das Spiel doch ziemlich fies, da man bei zu vielen Treffern auf ein Körperteil eigene Effekt- oder Aktionsmarker verliert, was die eigenen Handlungsmöglichkeiten deutlich einschränken kann. Man sollte also in jedem Fall eine hohe Frustrationstoleranz besitzen. Ansonsten könnte es schnell zu fliegenden Papp-Fightern kommen…


Schließlich stellt sich noch die Frage nach dem Wiederspielreiz. Die verschiedenen Charaktere und Skills sorgen zwar für eine gewisse Abwechslung. Trotzdem gibt es immer dieselben drei Effekte – „Move, Defense, Energy“ –, und das führt natürlich zu einem immer gleichen Spielgefühl. Doch ich denke, dass die Spieledesigner die richtige Entscheidung getroffen haben, keine weiteren Effekte mit ins Spiel zu nehmen, denn dadurch würde die Komplexität zunehmen, die Downtime wahrscheinlich auch und somit logischerweise auch die Spielzeit. Doch eben die kurze Spieldauer ist – und das erwähne ich nun wohl schon zum dritten Mal… ups… – ein starkes Argument für Martial Art.

Obwohl ich selbst das Spiel eher als ein 2-Personen-Spiel verstehe, ist auch das Team-Battle eine interessante Sache, da sich die Dynamik verändert und die Position der Fighter auf dem Board wichtiger wird. Doch auch die Spieldauer wird durch die größere Anzahl an Spielern erhöht. Hin und wieder hätte ich schon Lust auf ein solches 2v2, doch die Zukunft von Martial Art in meinem Spieleregal sehe ich eher bei einer kleinen Absacker-Partie zwischendurch, wenn nach dem Spieleabend zu viert beispielsweise einer der Spieler noch für eine kurze Prügelei bleiben möchte. Ich werde Martial Art also vorerst behalten und schauen, ob es dann tatsächlich regelmäßig auf den Tisch kommen wird. Diejenigen, die dem Thema zugeneigt sind und sich ein kurzes und knappes Street Fighter mit überschaubarer strategischer Tiefe und einem recht interessanten Mechanismus wünschen, könnten vielleicht mal einen Blick auf Martial Art werfen. Mögen die Würfel euch gewogen sein!

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Martial Art von Franz Couderc
Erschienen bei Jyde Games
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 20-40 Minuten ab 10 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Jyde Games)