Mit den Familien-Kennerspielen aus dem Hause Schmidt hatte ich die letzten Jahre stets ganz gute Erfahrungen. Quacksalber von Quedlinburg oder Tavernen im Tiefen Thal sind bis heute Spiele, die mich begeistern und regelmäßig auf den Tisch kommen. Zur SPIEL 2021 wurde dann Mille Fiori angekündigt, der Autor, der Stephen King unter den Brettspiel-Autoren: Reiner Knizia. Und ich meine damit nicht, dass alles Horror ist, sondern dass Dr. Reiner Knizia einen so hohen Output hat, dass dabei viel Licht und viel Schatten entstanden ist. Ganz wie bei Stephen King, oder?
Mille Fiori ist für 2-4 Spieler ab 10 Jahren und ein Partie dauert ca. eine Stunde.
[THEMA & MECHANIK]
Wir befinden uns in DER Lagune, welche genau, weiß ich nicht, denn es wird nicht näher benannt und diese Lagune ist jedenfalls bekannt für die Glasherstellung. Wir übernehmen nun die Rolle eines Glasherstellers und fertigen Glas, Handeln und sichern uns die Unterstützung der Bewohner dieser Lagune.
Jeder Spieler bekommt dafür 30 transparente Rauten in seiner Farbe, wovon drei als Reserve zur Seite gelegt werden. Dazu gibt es noch ein (Glas-)Schiff und einen Punktemarker. Gut erreichbar für alle gibt es einen Spielplan, welcher wiederum die Lagune zeigt und die dort vorhandenen Bereiche. Die Karten werden gemischt, eine vorgegebene Anzahl (je nach Spieleranzahl) offen ausgelegt und in jeder Runde erhält dann jeder Spieler fünf von diesen Karten auf die Hand.
In einer Runde sucht man sich nun eine Karte aus, legt die restlichen Karten vor den linken Nachbarn. DRAFTING ist also angesagt. Hat das jeder getan, wird in Spielerreihenfolge die gewählte Karte angewendet. Die Karten repräsentieren die verschiedenen Bereiche, die wir auch auf dem Brett wiederfinden und wir dürfen dort nun eines unserer Rauten platzieren. Was gibt es da genau? Schauen wir mal:
Die Werkstätten - hier befinden sich die Rohstoffe, die man zur Herstellung von Glas benötigt, also Quarz, Asche, Kalk und Pigmente. Die Karte zeigt nun eins dieser Rohstoffe und dort darf ich eine Raute hinlegen. Setze ich damit eine Kette meiner Farbe fort, erhalte ich für jedes Glied dieser Kette einen Punkt, falls ich Pigmente gesetzt habe, erhalte ich sogar 2 Punkte je Glied. Einen Bonus gibt es, wenn ich alle Rohstoffe einmal belegen konnte und manche Bereiche umkreisen ein Symbol, schließe ich das Symbol komplett ein, darf ich eine Karte aus der offenen Auslage wählen und somit eine weitere Aktion sofort ausführen.
Die Häuser - dies ist eine einfache Kette an Felder mit verschiedenen Zahlenwerten und beim belegen mit der Raute bekomme ich die angezeigten Punkte. Bild ich damit eine Kette meiner Farbe, erhalte ich die Punkte diesen Kettenglieder noch einmal! So kann man heftige Werte erreichen, wenn die Mitspieler nicht aufpassen. Hab ich 3 und 5 verschiedene Zahlen besetzt kann ich weitere Aktion ausführen. Bei vier verschiedenen Zahlen gibt es den Bonus.
Die Personen - hier gibt es zwei Bereiche mit je drei Symbolen. Die Nobili mit dem Löwen, der Münze und dem Kreuz und die Populi mit den Fischen, der Muschel und dem Krebs. Diese sind jeweils pyramidenförmig angelegt und je nach Ebene gibt es unterschiedliche Punkte. Bonus wenn man jeweils alle drei Symbole hatte und Extraaktionen gibt es wenn man die obersten Stellen erreicht.
Der Handel - hier kann man bis zu vier verschiedene Handelswaren belegen, wie Gläser, Karaffen, Schmuck und Schwäne. Es gibt Sofortpunkte je nachdem wie häufig die Handelsware schon gewählt wurde, die Punkte erhält jeweils der Besitzer der Raute, wodurch ich in meinem Zug meinem Mitspieler mehr Punkte bringen kann als mir. Mach ich sowas, werde ich mit einer Extra-Aktion belohnt. Den Bonus gibt es, wenn man alle vier Handelswaren einmal belegt hat.
Der Hafen - hier belege ich Schiffsfelder und sobald in einer Reihe drei Schiffe belegt sind, fahren diese mit den Handelswaren der entsprechenden Reihe los. Jeder Schiffseigner bekommt dann je nach Anzahl der Waren Punkte. Zusätzlich geben diese Karten auch noch Felder vor, die ich mein Schiff auf der Seeroute fortbewegen kann. Die Felder auf der Seeroute bringen ebenfalls Punkte und Extraktionen.
Generell kann ich immer eine Karten nur für die Seeroute spielen.
Das Spiel endet sobald ein Spieler keine Rauten mehr hat oder nicht mehr ausreichend Karten zum Start einer neuen Runde vorhanden sind. Da Punkte immer sofort vergeben werden, gewinnt der Spieler, welcher am Ende die meisten Punkte hat.
[MATERIAL, DESIGN & ANLEITUNG]
Das Material von Mille Fiori ist guter Durchschnitt. Das Brett und die Karten sind vollkommen in Ordnung, die Plastik-Materialien hingegen sind eher so unterdurchschnittlich. Sie erfüllen komplett Ihren Zweck, wirken haptisch aber eher billig.
Das Design find ich persönlich ganz ansprechend, auch die Symbolik funktioniert gut.
Schade, die Anleitung in der ersten Auflage hat einen großen Fehler im Spielaufbau, so dass sehr schnell viel zu viele Karten offen ausliegen. Hier also dringend online nachsehen und sich die aktualisierte Fassung ansehen. Sowas ist immer sehr schade, da viele Spieler, gerade die Gelegenheitsspieler, wohl eher weniger online nach Updates schauen. Ansonsten ist die Anleitung aber vollkommen in Ordnung.
[FAZIT]
Leser unseres Blogs und Hörer unseres Podcasts wissen, dass ich ein Freund von Ketten bin. Kettenreaktionen schütten bei mir Glückshormone aus und somit hat Mille Fiori bei mir schon mal einen gewissen Vorsprung, denn hier kann man im Laufe des Spiels ganz hervorragend Ketten bilden. Erst hier eine Raute, damit Extra-Aktion freigeschaltet, nächste Raute und evtl. wieder eine Extra-Aktion und dann noch einen Bonus… bam… 40 Punkte!
Apropos Punkte: Mille Fiori vergibt in jedem Zug Punkte, fühlt sich damit natürlich sehr zufriedenstellend an, ABER warum im Gottes Namen gibt es kein Plättchen mit +100 oder +200, wenn eine Runde auf der Leiste geschafft wurde?? Bei vielen Spielen liegen die bei und ich frage mich, wann man jemals soweit kommen soll. Hier liegen keine bei und schon nach der Hälfte des Spiels, wird man wahrscheinlich die erste Runde schaffen und eine zweite Runde ist auf jeden Fall möglich, aber dass muss man sich nun irgendwie merken. Find ich sehr schade.
Das Thema ist natürlich recht austauschbar, ob nun Glas oder andere Produktionen ist hier eigentlich nebensächlich, aber es funktioniert und gibt dem ganzen einen Rahmen. Man merkt halt dass Herr Dr. Knizia das wahrscheinlich komplett ohne Thema entwickelt hat.
Alles in allem gefällt mir Mille Fiori sehr gut, es spielt sich flott runter und stellt die Spieler vor spannende Entscheidungen. Es hat mich auf jeden Fall positiv überrascht, da ich zunächst nicht viel erwartet habe. An Quacksalber und Tavernen kommt es aber nicht ran, dafür fehlt es dem Spiel ein wenig an Abwechslung auf Dauer.
[FAKTEN-CHECK]
Thema: 3 von 5 (ist vorhanden, aber sehr austauschbar)
Mechanik: 4,5 von 5 (gelungener Mix aus vielen Dingen die ich mag)
Material: 3,5 von 5 (alles in allem guter Durchschnitt)
Regal-Präsenz: 4 von 5 (ich finde die Schachtel recht ansprechend, auch wenn man sich nicht viel darunter vorstellen kann)
Tisch-Präsenz: 4 von 5 (die bunten Rauten sehen auf dem Tisch schon einladend aus)
Anleitung: 3 von 5 (klarer Fehler enthalten in der ersten Version - schade)
Zielgruppe:
Mille Fiori ist ein Spiel für Familien, die schon ein wenig Erfahrung mit Brettspielen gemacht haben. Die Regeln sind schnell erklärt und das Spiel ist schnell gespielt und kann daher auch mal zwischendurch auf den Tisch. Schönes Einsteigerspiel für etwas mehr als die Klassiker.
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Erschienen bei Schmidt Spiele
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 60 bis 90 Minuten ab 10 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Schmidt Spiele)