Ich bin selten euphorisch, was neue Spiele angeht. Nein, fast richtig. Ich bin selten euphorisch, was neue Spiele angeht, wenn ich über den ersten Wow-Effekt der Erstpartie hinweg bin. Woran mag das liegen? Wird man nach all den Jahren im Hobby abgestumpfter? Hat man alles schon einmal irgendwie gesehen? Ein kleiner Teil hat sicherlich damit zu tun, ja. Wirkliche Innovation passiert nur noch selten auf dem Markt. Und selbst wenn doch, muss es ja auch meinen persönlichen Geschmack treffen, dass ich vollends überzeugt bin.
Beyond the Sun ruft daher ungewohnte und fast vergessene Gefühle in mir hervor. Auch nach nun bei mehr als einer Hand voll Partien reizen mich weitere Partien und ich bin weiterhin begeistert. Begeistert von der Schlichtheit des Designs, begeistert von der Varianz, begeistert von den Optionen – trotz simpler Aktionen. Beyond the Sun hat das Zeug in meine Top 10 zu stürmen. Gut, oder?
Die Mechanismen hinter Beyond the Sun sind simpel. Wie sicherlich einige bereits wissen, mag ich Zivilisationsspiele. Einen Punkt, den ich dabei stets liebe, ist der Technologiebaum. Sich darüber den Kopf zerbrechen, welche Technologien ich als nächstes erforsche und mich am Ende über die stetig andauernde Entwicklung freuen. Beyond the Sun dachte sich: Mache ich halt mal ein ganzes Spiel über einen Techtree. Warum auch nicht?!
In Beyond the Sun sind wir Konzerne, die das Weltall kolonisieren. Oder so ähnlich jedenfalls. Dabei ist die Mechanik ein Worker-Placement. Jedoch mit der Besonderheit, dass neue Einsetzfelder anhand neuer Technologien freigeschaltet werden. Dabei arbeiten wir alle am identischen Techtree, auf welchem ich mich ganz individuell fortbewegen kann, aber diesen gleichzeitig auch mitgestalten möchte. Dabei kann ich ganze Äste des Technologiebaumes frei gestalten, wenn ich als Erster in eine noch unentdeckte Verbindung des Baumes vorstoße. Das bringt nämlich gleich zweierlei Vorteile. Erstens bekomme ich ein lohnenswertes Event und zweitens darf ich aus einem ganzen Stapel an Technologiekarten aus zwei gezogenen, eine auswählen und installieren. Mir doch egal, ob meine Mitspieler Interesse an Robotik haben. Mich muss es ja weiterbringen.
Der Reiz in Beyond the Sun besteht also darin den Baum nach seinen eigenen Wünschen bestmöglich mitzugestalten und damit auch die Einsatzfelder für meine Arbeiter so lukrativ wie möglich zu machen und auf meine Taktik bestmöglich angepasst. Blöd nur, dass meine Gegenüber dasselbe im Sinn haben. So entwickelt sich ein spannendes Tauziehen in diesem Bereich, was noch durch viele weitere Details verfeinert wird. So gibt es beispielsweise feste Verbindungen auf dem Technologiebaum, welche bestimmte Voraussetzungen mit sich bringen. Erforsche Technologie A, um B zu erforschen etc. Dadurch und dass alle Technologien auch stets an unterschiedlichen Stellen im Baum liegen, da von den Spielern selbst gewählt, bringt Beyond the Sun eine enorme Varianz mit sich.
Als zweites großes „Ding“ in Beyond the Sun ist noch der Kampf um die Planeten im Sonnensystem zu sehen. Hierbei handelt es sich um eine klasissche Mehrheitengeschichte. Durch unterschiedliche Technologien können wir Raumschiffe in den Orbit senden, die wiederum dann auf diversen Planeten Mehrheiten schaffen können, zusätzliche Ressourcen freischalten und schlussendlich gegen Siegpunkte kolonisiert werden können. Auch das ist zwar spannend, aber nicht innovativ und bahnbrechend.
Ähnlich spannend und lohnenswert ist die Ressourcenverwaltung in Beyond the Sun. Bei dieser haben wir nämlich ein vorgefertigtes Tableau, welches es zu managen gilt. Ich will Euch an dieser Stelle nicht mit Details langweilen, aber stellt es Euch in etwa so vor: Durch die begrenzte Anzahl an Ressourcenwürfeln auf meinem Tableau gilt – je mehr Raumschiffe ich auf Planeten habe, umso schwieriger ist es, neue Bevölkerung zu generieren, um neue Technologien zu erforschen. Umgekehrt gilt: Je mehr Technologien ich erforsche, umso weniger Ressourcen stehen mir für den Wettkampf um die Planeten zur Verfügung.
Somit bin ich in Beyond the Sun in einem ständigen Dilemma, dass ich einersets auf allen Hochzeiten gleichzeitig mitspielen will, aber andererseits eine feine Balance finden muss meine Ressourcen hauszuhalten und klug entscheiden muss, welche Technologien für mich wirklich sinnvoll sind und welche ich nicht zwangsläufig brauche.
Alles in allem belohnt Beyond the Sun opportunistisches Handeln. Ein kluger Matchplan ist natürlich von Vorteil, aber aufgrund des sich ständig entwickelnden Techtrees bleibt es nicht aus, auf Situationen spontan zu reagieren und seine Strategie anzupassen. Dazu ist Beyond the Sun zu interaktiv. Große Empfehlung!
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Beyond the Sun von Dennis K. Chan
Erschienen bei Strohmann Games
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 75 Minuten ab 14 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Strohmann Games)
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