Zum Zeitpunkt wo ich diese Preview anfange zu schreiben, liegt die Bundestagswahl einen Tag hinter uns und wie nie zuvor hat ein Thema diesen Wahlkampf besonders geprägt: Klimaschutz. Alle Parteien sprechen davon, wie wichtig dieses Thema sein wird und wie sehr es in der politischen Arbeit Einfluss nehmen wird.
Auch in unserem geliebten Hobby ist das Thema mehr und mehr zugegen. Es gibt z.B. neu gegründete Verlage wie Deep Print Games, die sich auf umweltschonende Produktionen spezialisieren und auch passende Themen in Ihren Spielen einfließen lassen. Generell schauen die Verlage mehr darauf, an welchen Stellen man umweltfreundlich denken kann. Das ist löblich und auch wichtig!
Igan Mich Games möchte uns nun das ALL-IN-Paket anbieten und hat mit Terraternity gleich zwei Spiele rund um das Thema “CO2 Reduzierung” in der Pipeline, wobei der zweite Titel schlicht eine abgespeckte Kartenspiel-Variante ist und ich daher beides in der gleichen Preview behandeln werde. Ihr lest es schon: es handelt sich um eine Preview, denn diesen Titel könnt ihr nun bei Kickstarter unterstützen und ob sich das lohnt, wollen wir uns jetzt mal zusammen ansehen.
Hier ein paar “Hard Facts”: Autor ist Udo Neumann, der hiermit sein Erstlingswerk veröffentlichen will. Gestalterisch umgesetzt wurde es von Peter Varga. Das Spiel ist für 1-4 Spieler ab 14 Jahren und eine Partie kann 1-2 Stunden dauern. Das Kartenspiel geht dagegen deutlich schneller mit 20-60 Minuten und kann von 1-6 Spielern gezockt werden.
[THEMA & MECHANIK]
Terraternity bietet zwei Modi: kompetitiv und kooperativ, wobei sich das am Spielverlauf kaum auswirkt, sondern nur die Zielsetzung ein wenig angepasst wird. Wir wollen nämlich auf der Welt den CO2-Ausstoß verringern, dazu müssen wir klimafreundliche Energiegewinnung forcieren wie Windkraft, Solarenergie oder Wasserturbinen. Jeder Spieler übernimmt dabei die Rolle von Fachleuten. Zur Auswahl stehen “Kreative”, “Mediziner”, “Wissenschaftler” und “Techniker”, jeder bringt eine kleine Spezialfähigkeit mit sich, sollte man mit weniger als vier Leuten spielen, kommen diese dennoch zum Einsatz und können als entsprechende Worker verwendet werden.
Das Grundprinzip ist hier recht simpel. Zu Beginn ziehen wir verschiedene Karten: Länder, Energie und Aktionen. Mit Hilfe von Worker-Placement auf unserem eigenen Spielerboard versuchen wir nun die Länder zu aktivieren und dort Kraftwerke durch klimafreundliche Alternativen zu ersetzen. Die Aktionskarten geben uns dabei weitere Möglichkeiten durch Ausspielen von diesen. Worker sind hier simple Würfel die wir aufsteigend auf die Felder platzieren und dann in der Reihenfolge die Aktionen ausführen. Es gibt aber auch richtige Menschenfiguren der jeweiligen Gruppen, die man von anderen Spielern oder von sich selbst engagiert um diese Kraftwerke fertigzustellen.
Jetzt kommt der Unique Selling Point von Terraternity zum Tragen, denn es versteckt sich auch ein kleines Geschicklichkeitsspiel darin. Alle Länder die gespielt werden produzieren CO2, manche mehr, manche weniger. Wir wollen diese klimaneutral bekommen. Bei Terraternity bedeutet CO2-Ausstoß aber auch, dass der Spieler schwarze Holzwürfelchen auf eine 3D-Papp-Erde stapeln muss, ohne dass diese herunterfallen! Problem: selbst der Bau von klimafreundlichen Kraftwerken verursacht CO2 und zum Teil dauert es mehrere Runden bis ich diese aktivieren kann und somit CO2 neutralisiere.
Zu Beginn einer neuen Runde stoßen alle aktiven Länder wieder CO2 aus und bringen uns gleichzeitig Rohstoffe, die ich zum Bau der Kraftwerke benötige, allerdings muss ich, wie bereits erwähnt, zum Zeitpunkt der Fertigstellung auch die passenden Facharbeiter engagiert haben! Die fertigen Kraftwerke produzieren dann grüne Holzwürfel mit denen ich die schwarzen neutralisieren kann. Die grünen Würfel kann ich aber auch nutzen um mich in einigen Bereichen zu verbessern.
Ich kann euch sagen, blitzschnell haben wir ohne Ende CO2 auf dieser unglaublich kleinen Plattform und jeder Würfel wird mehr und mehr zur Zitterpartie. Was passiert aber wenn uns doch mal was runterfällt? Dann musste die Erde so viel CO2 aufnehmen, dass eine Naturkatastrophe ausgelöst wird. Hierzu zieht man eine Karte vom Disaster-Stapel und haben es jetzt mit Dürre, Feuer, Tsunamis und Fluten zu tun. Spannender Mechanismus auch hier: die Karte gibt eine Region vor, in der die Katastrophe stattfindet, dazu kommt die Angabe viele rote Würfel ich aus einer vorgegebenen Höhe auf diese Region fallen lassen muss. Länder in denen die Spieler aktiv sind (mit Krakftwerken, die klimaneutral werden sollen) und sich im vorgegebenen Umkreis von diesen Würfeln befinden, müssen harte Einbußen hinnehmen, respektive dann auch der Spieler.
Im kompetitiven Modus gewinnt der Spieler, welcher als erster 5 Länder klimaneutral geändert hat. Allerdings spielen ALLE zusammen gegen die Zeit, denn nach der fünften Katastrophe endet das Spiel für alle und keiner hat gewonnen. Das gilt natürlich auch für den kooperativen Modus, in dem wir zusammen 8 Länder klimaneutral bekommen möchten.
Das Kartenspiel lässt den Worker-Placement-Aspekt des großen Spiels aus und konzentriert sich allein auf die Länder- und Energiekarten und der Geschicklichkeit mit den Holzwürfeln. Dafür gibt es noch weitere Aktionskarten, die uns noch vor weiteren Herausforderungen beim Platzieren der CO2-Würfel stellen.
[MATERIAL, DESIGN & ANLEITUNG]
Auch wenn es sich um eine Preview-Copy handelt, sieht diese schon komplett und fertig aus. Ich wüsste nicht was sich daran noch groß ändern sollte. Das Material ist wirklich ganz hervorragend mit Double Layerboards, kleine Stoffsäckchen in der passende Farbe zum Material, schicke Meeple sei es für die Kraftwerke oder die Facharbeiter. Auch die Papp-Materialien sind stabil und von ordentlicher Dicke. Alles in allem wird hier geklotzt und nicht gekleckert, aber alles nachhaltig und ohne Plastik! Sehr vorbildlich.
Das Design ist sehr modern und in gewisser weise retro-puristisch. Dazu sehr knallig in den Farben. Es handelt sich nicht um mein Traum-Design aber ich kann gut damit leben und es strahlt so eine Freundlichkeit aus, dass man evtl. auch Spiele-Muffel dazu bekommt eine Runde mitzuspielen. Was ich leider etwas störend empfinde ist die Weltkarte die relativ klein ist und man so zum Teil das komplette Land abdeckt wenn man dort seine Flagge platziert um anzuzeigen, dass man aktuell aktiv ist. Dadurch sind zum Teil ganz schön viele Länder bei einer Katastrophe betroffen, was natürlich auch inhaltlich eine Botschaft geben soll.
Die Anleitung bietet inhaltlich alle Infos, mir persönlich gefällt das Format und der Aufbau nur semi gut. Sie kommt ziemlich kompakt daher, was dazu führt, dass man gerade zu Beginn viel hin und her blättern muss, da sind mir größere Anleitung einfach lieber.
[FAZIT]
Terraternity ist auf jeden Fall ein spannendes Projekt um ein schwieriges Thema spielerisch zu vermitteln. Trockenes Worker Placement und Ressourcen Management werden durch die Geschicklichkeitsmomente aufgelockert und mit einer spannenden Komponente versehen. Aber es ist sau schwer! Ruck Zuck befinden sich 20-30 Holzwürfel auf der kleinen Erdkugel und man muss sehr strategisch vorgehen um die Balance zu finden.
Durch diesen knackigen Aspekt rutscht es auf jeden Fall schnell in das gehobene Kennerniveau, wenn nicht sogar Experte. Es ist wirklich nicht leicht, sich das so zu überlegen, dass man CO2 abbaut ohne selbst zu viel zu produzieren. Hier braucht man auf jeden Fall mehrere Anläufe und in den ersten Partien werden wohl alle als Verlierer hervorgehen. Aber es weckt auch den Ehrgeiz und so knobelt man schnell daran, den richtigen Weg einzuschlagen. Das ist herausfordernd und lädt ein es häufiger zu probieren.
Gut gefallen mir auch die Infos zum Klimaschutz, die eingebunden wurden. Die Länderkarten haben alle einen kleinen QR-Code, über den man sich dann mehr Informationen über das Land und deren CO2-Aktivität holen kann. Auch die Aktionskarten dienen zum Teil schlicht dazu die Spieler darüber zu informieren, welche Dinge man ändern kann. Da bekommt man dann z.B. fürs Vorlesen dieser Info einfach grüne Holzwürfel zum Ausgleich von schwarzen. Eine schöne Idee, gerade wenn man auch mit Kindern bzw. Jugendlichen spielt.
Terraternity hat mich rundum positiv überrascht. Die Spielmechanik ist knackig und herausfordernd, dazu auch noch innovativ und informativ. Es wird sicherlich thematisch manche Spieler abschrecken. Auch beim Spielen muss man frustresistent sein. Ich fühlte mich dabei stets herausgefordert und wollte es beim nächsten Mal besser machen.
Ob das kleine Kartenspiel wirklich not getan hätte muss jeder für sich entscheiden. Ich für meinen Teil würde das große Spiel immer bevorzugen, wobei aber eine kleine Runde zu Beginn eines Spielabends mit dem Kartenspiel auch nicht verkehrt ist. Dieses ist deutlich klarer in der Vorgehensweise und bringt noch ein wenig mehr Spaß durch verschiedene Aufgaben beim Würfel platzieren.
[FAKTEN-CHECK]
Thema: 5 von 5 (tolle Umsetzung eines schweren Themas)
Mechanik: 4 von 5 (interessante Mixtur)
Material: 5 von 5 (vorbildlich in jeden Bereich)
Regal-Präsenz: 3 von 5 (die Schachtel lädt nur mäßig ein)
Tisch-Präsenz: 4 von 5 (farbenfroh und hübsch auf dem Tisch)
Anleitung: 4 von 5 (Abzüge für das Format)
Zielgruppe:
Mechanisch richtet sich das Spiel an Kennerspieler, da die Anforderungen wirklich knackig sind. Die Glückskomponente ist hierbei auch relativ gering, so dass auch Expertenspieler ihre Freude haben sollten. Thematisch wäre es schön gewesen, wenn man auch Familienspieler und Kinder einbringen könnte, aber die werden schlicht überfordert sein. Dafür ist dann das Kartenspiel besser geeignet.
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Terraternity: The Energy Challenge von Udo Neumann
Erscheint bei Igan Mich Games
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 80 Minuten ab 14 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Igan Mich Games)