Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen. Rahn schießt. Tooooor Toooor Tooooo Toooor! und Aus, aus, aus – aus! Das Spiel ist aus! Deutschland ist Weltmeister! Wer kennt diese legendären Fußballkommentare des berüchtigten Herbert Zimmermann nicht? Wer jetzt Gänsehaut hat, sollte definitiv weiterlesen, denn in Counter Attack geht es um den Sport, der Europa seit Jahrzehnten dominiert – Fußball. Genauer gesagt spielen wir hier im Grunde ein komplettes Match über 90 Minuten, wobei wir uns als Manager vorher noch unsere Mannschaften zusammenstellen und uns eine geschickte Startaufstellung überlegen. Und dann geht es auch schon los in diesem Strategiespiel rund ums Passen, Dribbeln, Flanken und Schießen.
Football is coming home! Vielleicht ja auch zu euch nach Hause? Doch bevor ihr blindlings zuschlagt, könnt ihr doch auch vorher noch kurz die folgende Rezension lesen, in der wir – wie gewohnt – zunächst einen Blick aufs Material sowie den Spielablauf werfen, ehe wir uns dem finalen Fazit widmen. Anpfiff!
Material
Die Materialqualität, vor allem des Spielbretts ist wirklich solide. Die Spieler sowie der Ball werden durch bereits bedruckte Holzscheiben dargestellt, wobei die Spielerattribute durch am Spielfeldrand platzierte und somit den Holzscheiben zugeordnete Karten mäßiger Qualität ersichtlich sind. Zudem liegen zwei hexagonale Würfel, die ein oder anderen Pappmarker beispielsweise für gelbe und rote Karten oder Verletzungen sowie zwei Sanduhren, zwei Sticks zum Messen von Distanzen, und zwei Quick Play Guides mit wertvollen Regeldetails bereit.
In Sachen Optik ist alles aufs Wesentliche reduziert. Die Schachtel ist schlicht und wenig spannend, die Spielerkarten sind allesamt ohne Illustrationen und das Spielfeld mit den Spielermarkern aus Holz darauf ist auch keine Augenweide. Das Spiel ist jetzt nicht abgrundtief hässlich, aber die Stärken des Spiels liegen trotzdem woanders. Und bevor wir natürlich auch diese Stärken thematisieren, schauen wir uns doch mal an, wie eine Partie Counter Attack überhaupt abläuft.
Ablauf
Was soll ich denn zum Ablauf schreiben? Schaust du Fußball? Dann kennst du wohl auch den Ablauf von Counter Attack. Denn hier spielt man im Grunde über 90 Minuten ein komplettes Fußballspiel nach, aber dennoch strategisch und zugbasiert – also nicht in Echtzeit oder so. Nachdem also beide Spieler, ähnlich wie bei den Weltwundern bei 7 Wonders Duel, ihre Mannschaft zusammengedraftet haben, wird die Münze geworfen und ein Team beginnt, wie man es kennt, mit dem Anstoß. Und dann hat man auch schon alles, was der Fußball zu bieten hat, zur Verfügung.
Ich könnte also zunächst einen kurzen Pass zu einem Mitspieler spielen, der allerdings nur über eine gewisse Distanz reisen kann. Alternativ könnte man auch mit dem Spieler in Ballbesitz zu laufen und dribbeln beginnen. Eine solche Bewegungsaktion verläuft stets so, dass zunächst der angreifende Spieler vier seiner Spieler bewegt, dann der verteidigende Spieler fünf und schließlich wieder der angreifende Spieler zwei seiner Spieler, wobei jeder Spieler nur einmal pro Aktion bewegt werden darf. Kommen sich Spieler – wie es beim Fußball so üblich ist – in die Quere, kommt es entweder zu einem Dribbling- oder Tacklingversuch, je nach dem, ob der angreifende Spieler in einen Verteidiger oder der verteidigende Spieler in einen Angreifer läuft.
Jegliche Zusammentreffen werden stets durch Würfel entschieden, wobei die gewürfelte Augenzahl zum Attributwert des Spielers für die entsprechende Aktion hinzuaddiert wird. Hat ein Spieler beispielsweise einen Dribblingwert von 4 und würfelt eine 5 dann ist er gegen einen Verteidiger erfolgreich, der einen Tacklingwert von 5 hat und lediglich eine 3 würfelt. Solche Dribbling- und Tacklingversuche können auch mehrmals während einer Bewegungsaktion passieren, wobei natürlich jeder Verteidiger nur ein Mal ein Tackling versuchen darf. Ist ein solcher Tacklingversuch jedoch erfolgreich, wechselt sofort der Ballbesitz und der nun neu angreifende Spieler darf entscheiden, was er tut. Vielleicht versucht er es sogleich mit einem Pass nach außen, gefolgt von einer Bewegungsaktion und gekrönt von einer gekonnten Flanke in die Mitte, vorausgesetzt sie wird nicht von einem sich in der Nähe und in der Schussbahn befindlichen Spieler geblockt – und man muss auf einen bestimmten Wert durchs Würfeln kommen, damit die Flanke auch tatsächlich das angedachte Ziel findet. Während die Flanke in der Luft ist, dürfen sich noch vereinzelte Spieler beider Mannschaften je nach Bewegungswert der Spieler bewegen und dann kommt es zu einem Kopfballduell all derjenigen, die sich angrenzend oder bis zu zwei Felder von dem Feld befinden, wo der Ball ankommen wird. Ist man jedoch zwei Felder von diesem Feld entfernt, behindert diesen Spieler beim Würfeln ein Malus, da er es ja auch schwerer hat, in seiner schlechten Position das Kopfballduell zu gewinnen. Ist man beim Kopfball erfolgreich und beispielsweise schon im Strafraum wird der Torwart aktiv, an dem es nun liegt und der sich hoffentlich eine Glanzparade erwürfelt.
Im Grunde gibt es so ziemlich alles in irgendeiner Form. Nach einem Tackling kann es sein, dass sich Spieler verletzen. Es gibt gelbe und rote Karten und die Möglichkeit, Bälle durch geschicktes Würfeln abzufälschen, falls sie nach einem Pass oder Schuss knapp an einem Spieler vorbeirollen – und in welche Richtung der Ball dann abgefälscht wird, wird erneut durch einen Würfelwurf entschieden. Dribbelt man in den Strafraum, darf man auch einen Überraschungsschuss versuchen, der mit einem Malus behaftet ist, dafür aber nur einem einzigen gegnerischen Spieler erlaubt, sich noch eine kurze Distanz zu bewegen, um den Schuss ggf. noch zu blocken. Und nach einem Standardpass, kann man zudem einen Direktpass spielen, der allerdings nur eine kurze Distanz überbrückt, dafür jedoch einen direkten Überraschungsschuss erlaubt. Es gibt Einwürfe und Ecken, Verlängerungen und Elfmeterschießen.
Und trotz der Freiheiten, ist man doch ein wenig limitiert was die Abfolge von Aktionen betrifft. Nach einem Standardpass kann man beispielsweise keinen weiteren Standardpass spielen, dafür aber einmalig einen Direktpass. Man muss also nach dem Standardpass und dem Direktpass erst wieder eine Bewegungsaktion machen, ehe man wieder einen Pass, oder eine Flanke, oder einen Schuss spielen kann. Wie erfolgreich ein solcher Schuss ist, hängt natürlich auch von der Distanz zum Tor ab, und ebenfalls vom Winkel, denn auch hier könnte je nach Schusswinkel ein Malus hinzukommen.
Schließlich gibt es noch diverse Situationen, in denen sich einzelne Spieler extra bewegen dürfen. Wandert der Ball beim Angriff beispielsweise ins letzte Drittel aus der Perspektive der angreifenden Mannschaft, so dürfen sich alle Spieler im gegenüberliegenden Drittel um ein paar Felder bewegen.
Und zudem erlaubt es die mitgelieferte Sanduhr, den Gegner unter Druck zu setzen, sollte er sich zu viel Zeit beim Ausführen einer Aktion lassen – denn nach 90 Minuten ist das Spiel schließlich vorbei und man möchte ja ein ereignisreiches und spannendes Fußballspiel erleben.
Fazit
Obwohl Counter Attack natürlich hochthematisch ist, gehört, wenn man das Spiel nicht auf ein abstraktes Strategiespiel herunterreduzieren möchte, die Fantasie der Spielenden dazu, damit auch für das richtige Feeling gesorgt wird. Allerdings braucht man beim Einstieg ins Spiel doch ein wenig Geduld und die Einstiegshürde ist nicht zu vernachlässigen, da es doch einiges zu übersehen gibt. Diese ganzen Regeldetails nerven eingangs zwar, allerdings sorgen sie schon für eine gewisse Balance beim Spielen, wenn sich zum Beispiel der Torwart um ein Extrafeld bewegen darf, wenn ein Spieler in den Strafraum dribbelt. Nach und nach kommt man jedoch herein und die – leider nicht ganz vollständigen – Übersichtskarten helfen dabei enorm. Und dann macht Counter Attack durchaus Spaß und erinnert an die digitalen Fußballklassiker, wie International Superstar Soccer, TIF und co!
Besonders positiv finde ich vor allem, dass man alles, was zum Fußball gehört, mitbedacht hat. Mit ein wenig Fantasie entsteht dann auf dem Feld und in den Köpfen der Spieler ein spannendes Fußballspiel, das das ein oder andere Highlight bereithält. Man darf jedoch kein reines Strategiespiel erwarten, da ja im Grunde alles ausgewürfelt wird. Dennoch ist Strategie ein wichtiger Faktor. Schmeißt man bei einer Bewegungsaktion beispielsweise drei seiner Verteidiger nacheinander auf einen dribbelstarken Angreifer, könnte es durchaus sein, dass alle drei ausgedribbelt werden und dann gemeinsam blöd in der Gegend herumstehen, statt schön verteilt das Spielfeld möglichst gut abzudecken. Es kann also durchaus effektiver sein, kein Tackling zu versuchen und lieber mitzulaufen, um dann eventuell eine Flanke zu blocken.
Nichtsdestotrotz sorgt die Tatsache, dass sich die Spieler nacheinander bewegen, teilweise dafür, dass sich gewisse Abläufe nicht ganz so anfühlen, wie ein wirkliches Fußballspiel. Und auch die Tatsache, dass maximal zwei Pässe nacheinander gespielt werden können (Standardpass + Direktpass), spiegelt nicht gerade das klassische Fußballspiel wieder.
Am Ende des Tages kommt Counter Attack jedoch recht nah an das Gefühl, ein Fußballmatch auszutragen, heran und präsentiert dieses Gefühl in einem strategischen Rahmen. Durchaus gelungen, jedoch nach 90 Minuten für den ein oder anderen eventuell ein wenig zu trocken.
Ich werde es jedenfalls immer wieder mal herausholen, um wie andere es mit FIFA tun, das Ergebnis einer bevorstehenden Championsleague-Partie vorherzusagen. Und euch wünsche ich viel Spaß und erfolgreiches Dribbeln, Schießen, Flanken und natürlich Würfeln!
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Counter Attack von Colin Webster
Erschienen beiGiga Mech Games
Für 2 Spieler in ca. 90 Minuten ab 14 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Schmidt Spiele)