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16.07.2021

Kyoto


Dass wir uns alle um den Klimawandel Gedanken machen sollten, kommt zum Glück langsam im Bewusstsein der breiten Masse an. Es muss etwas getan werden, damit sich unsere Erde nicht abartig erwärmt. Klar, für uns Europäer mag das wahrscheinlich am Ende chillig sein, die paar Grad, doch global gesehen, ist das eine Katastrophe. Und durch globalisierte Märkte und eine Verantwortung all unseren Mitmenschen auf dem Planeten gegenüber, müssen wir handeln. Doch was sind wir bereit zu geben? Welche Privilegien wollen wir aufgeben, um die Welt zu retten? Und könnte man daraus nicht ein Spiel machen? Lasst uns einen Blick auf Kyoto werfen, denn hier geht es genau darum.

Wir müssen verhandeln, denn wir wollen die Welt retten. Gleichzeitig wollen wir aber auch unseren Wohlstand retten, denn wenn es der Welt wieder gut geht, uns selbst aber nicht, wie sollen wir das unseren Bürgern verkaufen? Also gilt: Die Welt muss gerettet werden, aber am besten mit den Ressourcen und Privilegien der anderen. In genau diesem Dilemma spielt sich Kyoto aus. Jeder von uns verkörpert eine Nation auf der Klimakonferenz, jeder hat einen gewissen Wohlstand und jeder hat Geld. Zudem ist jeder in Form von Zielkarten von einer oder mehreren Lobbys und Interessensverbänden beeinflusst. 


Der Flow entsteht dabei durch eine definierte Anzahl an Runden, in denen jeweils eine Nation den Vorsitz führt. Diese Tätigkeit spielt wieder etwas Geld in die Staatskassen und man darf die nächste Studie verlesen. Eine Studie erklärt immer, was gerade schlecht läuft und was man dagegen tun sollte. Zudem gibt es noch offensichtliche und versteckte Effekte, die eintreten, wenn das Finanzierungsziel nicht erreicht wird. Ein wirklich interessantes Bluff-Spiel entsteht dann, wenn man manche Auswirkungen gerade haben will, weil die Lobby-Karte extra Punkte ausschüttet, wenn die Luftverschmutzung besonders hoch ist. Oder aber, wenn man andere Nationen durch Bestechung oder Überredung dazu bewegen will, eine bereits gespielte Wohlstandskarte wieder zurückzunehmen, da diese schlecht für meine Lobbywertung ist. Geht man dabei jedoch zu offensichtlich vor, ist anderen Spielern schnell klar, mit welchen Karten sie mir ganz besonders weh tun können. 


Ist die eingangs erwähnte Rundenzahl dann erreicht, wird gewertet. Es gibt Punkte für so ziemlich alles: Geld, erhaltender Wohlstand und natürlich die Lobbykarten. Sollte die Welt noch intakt sein, gewinnt die reichste Nation. Ist die Welt aber vor die Hunde gegangen, dann wird die reichste Nation verachtet und die zweitreichste gewinnt. 

Grüner Zeitgeist gegen konservative Wohlstandssicherung – das richtige Spiel zu richtigen Zeit?

Mechanisch ist Kyoto ein Verhandlungs-, Bluff- und Anti-Set-sammel-Spiel. Ich möchte geschickt andere dazu bewegen mehr zu geben, als ich selbst und mein Nichtstun dabei immer schön durch große Worte verschleiern. Zudem vielleicht auch bewusst Karten spielen, die anderen Nationen weh tun, damit diese mir Geld bieten, damit ich diese Karten wieder zurückziehe. Und letztlich dürfen sich in der Mitte keine für mich ungünstigen Sets ansammeln, da mich punktetechnisch meine Lobbykarte sonst mit leeren Händen dastehen lässt. 


Wie bei vielen Verhandlungsspielen, steigt und fällt Kyoto enorm mit der Einstellung und dem Engagement. Wer hier gut abschneidet, hatte vielleicht nicht den besten Plan, sondern hat einfach im richtigen Moment die Klappe ganz auf gemacht oder eben nicht. Sollte ebenso mein Sieg allzu offensichtlich werden, könnten sich alle gegen mich verschwören, und ich könnte nichts dagegen tun. Hat man jedoch die richtige Gruppe dazu und ist jeder mit den Regeln vertraut, hui, dann kann eine Runde Kyoto ganz schön hitzig werden. 

Thematisch hat mich Kyoto von Beginn an sehr abgeholt. Die klimatische Entwicklung unseres Planeten liegt mir sehr am Herzen. Umso schwerer ist es mir am Anfang gefallen, mein Geld und meine Karten strategisch zurückzuhalten, weil ich ja gewinnen will. Für mich war vielmehr der rettende Aspekt im Vordergrund. Ist doch egal, ob es meiner Nation gut geht, wir haben das Klima gerettet. Das Spiel hat mir gezeigt, dass ich zum Glück nicht die Verantwortung habe, nationalen Wohlstand und klimatisches Überleben gegeneinander abzuwägen, sondern mich gezielt für das eine einsetzen kann. Wohlstand erhält sich meiner Meinung nach schon von allein. 


Nun aber genug der Diskussion, wer kann Kyoto spielen?

Kinder: 0/5 (Will man das wirklich? Zumal sind die Regeln zu komplex.)

Familie: 2/5 (Es funktioniert, aber nicht direkt in der ersten Partie. Die Regeln sind doch nicht so eingängig, dass jeder nach einer Runde versteht, wie der Hase läuft. Gerade die Wertung wird erst am Ende richtig klar.)

Kenner: 3/5 (Diskussionsfreudige Kennerrunden haben hier was zu entdecken. Jedoch kommt Varianz in Kyoto durch unterschiedliche Runden und Ansätze, wie man miteinander umgeht. Die vielen Karten sind am Ende doch alle ähnlich.)

Experten: 2/5 (Kyoto bietet da als Verhandlungsspiel wohl zu wenig. Komplexes Verhandeln sollte man dann wohl eher in der Siderischen Konfluenz suchen.)


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Kyoto von Sabine Harrer und Johannes Krenner
Erschienen bei Pegasus Spiele
Für 3 bis 6 Spieler in ca. 45 Minuten ab 10 Jahren
Boardgamegeek Link


sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Pegasus Spiele)