Ich bin ein großer Fan von Social-Deduction-Spielen, finde das Thema Vampire durchaus reizvoll und liebe es, wenn mir bereits das Cover eines Spiels so richtig Bock aufs Spiel selbst macht. Alle drei Kriterien treffen auf das Spiel Vampire Vendetta – Die Maskerade zu, eben ein kartenbasiertes Social-Deduction-Game mit Vampirthema und sehr ansprechendem Cover, in dem wir einen Vampirclan mit einem jeweils einzigartigen Kartendeck spielen, der sich in Chicago durch den Ausbau der eigenen Machtstrukturen gegen andere Clans durchzusetzen versucht, um schließlich den derzeit in Chicago herrschenden Vampirprinzen zu stürzen. Klingt vielversprechend? Dann lasst die Maskerade beginnen!
Material
Das eher düster gehaltene Design des Covers setzt sich auch auf den Karten und dem restlichen Material fort und ist durchaus thematisch und stimmungsvoll. Die Qualität der Karten ist Standard, die überschaubar großen Playerboards sind aus etwas stabilerem Papier und es gibt diverse Tokens sowie mehrere runde Ortskarten aus dicker stabiler Pappe. Für ein Spiel dieses Formats ist das Material wirklich gut und die Anleitung alles in allem in Ordnung, wobei man sie an der ein oder anderen Stelle durchaus noch übersichtlicher hätte gestalten können.
Ablauf
Das Herzstück von Vampire Vendetta sind die unterschiedlichen und einzigartigen Kartendecks der verschiedenen Clans. Zu Beginn des Spiels wählt jeder Spieler einen Clan, nimmt sich das entsprechende Deck und erhält sogleich die zwei Standardkarten „Jagen“ und „Bereit“, die jedoch bereits völlig andere Effekte haben als die gleichbenannten Karten der Mitspieler. Im Anschluss erhält man Bluteinkommen auf Grundlage der Personen – Opfer, Menschen oder Vampire –, die man in seinem sogenannten Bündnis liegen hat. Je nach Spielerzahl liegen verschiedenviele Orte aus, auf denen jeweils zufällig eine Verbündetenkarte (Mensch oder Vampir) gelegt wird und um die man später u.a. „kämpft“, da sie einerseits Einfluss (also Siegpunkte) bringen und andererseits Bluteinkommen für die kommenden Runden. Als nächstes darf jeder Spieler zwei weitere Karten von seinem Deck ziehen und eine davon behalten, sodass die Mitspieler, die das Spiel bereits gut kennen, vielleicht wissen, was deine zwei Startkarten können, aber sie wissen nicht vor welchem Effekt der dritten Karte sie sich nun fürchten müssen. In darauffolgenden Runden bekommen sie dann alle bereits ausgespielten Karten wieder zurück auf die Hand und dürfen wiederum zwei Karten ziehen, von denen sie eine behalten, sodass man in der ersten Runde lediglich drei, in der zweiten Runde vier und in der letzten Runde insgesamt fünf Karten ausspielen wird.
Nun sind alle bereit für die Haupthase des Spiels, in der zunächst im Uhrzeigersinn jeder Spieler immer genau eine Karte an einem beliebigen der ausliegenden Orte ausspielt und dies entweder offen oder verdeckt, wobei man ein Blut zahlen muss, um eine Karte verdeckt zu spielen. Außerdem darf man beim Ausspielen einer Karte zusätzlich bis zu drei Blut zahlen, was mehr Macht für den Spieler an diesem Ort bedeutet. Haben alle Spieler all ihre Karten auf diese Weise an den Orten ausgespielt, geht man nun Ort für Ort durch und handelt jeden ab, bevor man zum nächsten übergeht. Zunächst haben alle Spieler die Möglichkeit, sich im Zuge einer geheimen Abstimmung vom Ort zurückzuziehen und all ihre Karten (ohne Extrablut) offen an den letzten Ort – die Zuflucht des Prinzen – umzuplatzieren. Diese Spieler nehmen also nicht am Konflikt an diesem Ort Teil, alle anderen dürfen nun im Uhrzeigersinn all ihre ausgespielten Karten aktivieren, wobei jede Karte in einer von drei Phasen ausgeführt wird, also entweder ganz zu Beginn des Konflikts, beim Vergleich der ausliegenden Macht und nach dem Austragen des Konflikts. Wer am meisten Macht an einem Ort hat, bekommt den darauf liegenden Verbündeten und Siegpunkte, der zweitplatzierte ein sogenanntes „Opfer“ als Verbündeten – eine Standardkarte mit mäßigen Werten – sowie Siegpunkte, und der drittplatzierte lediglich einen Siegpunkt. Durch Karteneffekte kann man die Macht der anderen Spieler mindern, ihnen Blut absaugen, Einfluss – also Siegpunkte abknüpfen – und so weiter. Daher kann es u.a. auch Sinn machen, sich lieber zurückzuziehen, statt Gefahr zu laufen, sein restliches Blut zu verlieren.
Denn verliert man seinen letzten Tropfen Blut, bekommt der Mitspieler, der das zu verantworten, einerseits einen Siegpunkt. Andererseits verfällt man selbst in Raserei, mischt all seine Verbündeten- und Opferkarten seines Bündnisses, zieht eine zufällige und muss sie aussaugen. Im Grunde darf man in seinem Zug stets Personen in seinem Bündnis aussaugen, um an schnelles Blut zu kommen, doch die Raserei zwingt den Spieler dazu. Eine ausgesaugte Karte bringt zwar neues Blut, mindert oder negiert aber auch den Siegpunktwert der Karte und lässt das Bluteinkommen verfallen, das es sonst für die Karte zu Beginn der Runde geben würde. Saugt man – freiwillig oder gezwungen – einen Vampir in seinem Bündnis aus, begeht man „Diablerie“ und bekommt einen entsprechenden Marker, der zwar zu Spielende einen Minuspunkt zählt, aber auch einmal pro Runde ein extra Blut für einen Extramachtpunkt an einem Ort bringt. Doch aufgepasst! Bekommt man den dritten „Diablerie“-Marker, scheidet man unwiderruflich aus der Partie aus.
Wer am Ende der dritten Runde den meisten Einfluss hat, gewinnt die Partie.
Zudem gibt es optional noch verschiedene zufällig den Orten zuzuteilende Ortsdauereffekte sowie Reliktkarten, von denen jeder Spieler genau eine erhält und die ihm oder ihr im Laufe des Spiels einmalig einen starken Effekt sowie Siegpunkte bringt.
Fazit
Vampire Vendetta erinnert von der Aufmachung ein wenig an Human Punishment von Godot Games und von der Grundmechanik bzw. dem generellen Spielablauf an Smash Up von AEG (auch im Vertrieb von Pegasus), in dem man ebenfalls Karten mit gewissen Machtpunkten an unterschiedliche Orte spielen muss, um dort je nach Platzierung eine Belohnung zu erhalten.
Anders als in Smash Up macht Vampire Vendetta meiner Meinung nach jedoch vor allem in größeren Runden ab 4 Spielern, bestenfalls mit 5 oder 6 Spielern, am meisten Spaß. Denn erst dann entstehen die zwar sehr fiesen, aber auch sehr thematisch stimmigen und unvorhersehbaren Wendungen, die das Spielerlebnis ausmachen. Oftmals ist es die eine verdeckt ausgespielte Karte, die die Machtverhältnisse an einem Ort völlig ins Wanken bringt und mehrere Spieler in Raserei verfallen lässt. Genau das erzeugt Spannung, wie es sich für ein Social-Deduction-Game auch gehört. Hier geht es ums Drohen, ums Zocken, ums Riskieren und leider hin und wieder auch ums massive Ärgern. Positiv ist zudem die Spieldauer zu erwähnen, denn eine Partie spielt sich relativ zügig in 30 bis maximal 45 Minuten (je nach Spielerzahl) runter, sofern alle das Spiel kennen und sich nicht ständig ewig lange Nachdenkzeiten beim Ausspielen ihrer Karten gönnen. Ebenfalls für Abwechslung sorgen die einzigartigen Decks der verschiedenen Clans, die sich doch auch unterschiedlich spielen – vielleicht nicht in Root-Dimensionen –, aber doch unterschiedlich.
Allerdings spielt dadurch, dass man zusätzlich zu den zwei Startkarten lediglich eine weitere pro Runde dazubekommt, das Ziehglück schon eine beachtliche Rolle. Die Decks selbst bestehen zwar nur aus neun Karten, von denen man am Ende einer Partie genau acht gesehen haben wird – da man sich ja immer zwischen zwei neuen Karten entscheiden kann. Doch die Reihenfolge, in der man die Karten zieht, ist durchaus relevant, da einige Karten besser miteinander interagieren als andere, und vielleicht genau die eine Karte, die man gegen die anderen Clans besonders gebrauchen könnte, vielleicht erst in der dritten und letzten Runde gezogen wird – oder aber gar nicht. Natürlich sorgt dies dafür, dass man seine Strategie immer wieder neu an den gezogenen Karten anpassen muss, zumal die Gegner ja auch nicht wissen, welche neue Gemeinheit man da gerade gezogen hat. Doch man muss sich dieses Faktors zumindest bewusst sein, und es stellt sich mir zumindest die Frage, ob es nicht noch spaßiger wäre, mehr Karten pro Clan und mehr Auswahl zu haben, anstatt immer alle von den wenigen Handkarten ausspielen zu müssen.
In meiner Spielerrunde ist schließlich eine hitzige Diskussion bezüglich des Widerspielreizes entfacht, in der auf der einen Seite angebracht wurde, dass man aufgrund der wenigen Karten der insgesamt auch nur acht verschiedenen Clans schnell alles gesehen habe und der Widerspielreiz u.a. dadurch schnell nachlassen würde. Andererseits entsteht dadurch, dass man zwar die Karten eines gegnerischen Clans gut kennt, jedoch nicht weiß, auf welche neue Gemeinheit man sich in einer Runde genau einstellen muss, eine gewisse Spannung, und der Fokus liegt mehr und mehr auf dem Social-Deduction-Part. Die ersten Partien haben Spaß gemacht und wer Recht behält wird sich im Laufe der folgenden Partien wohl noch zeigen.
So oder so lässt sich festhalten, dass es immer wieder zu spektakulären Konflikten zwischen mehreren Parteien kam, an die ich mich noch heute gut zurückerinnere. All diejenigen, die auf Social-Deduction und Bidding Games stehen – denn das Ausspielen der Karten an verschiedenen Orten ist im Grunde eine Art Bidding – und die darüber hinaus fiese Konfrontationen im Vampir-Setting nicht scheuen, könnten durchaus mal einen Blick auf Vampire Vendetta wagen. In meiner Sammlung wird es vorerst bleiben und die Zukunft wird zeigen, wie lange.
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Vampire: The Maskerade - Vendetta von Charlie Cleveland und Bruno Faidutti
Erschienen bei HeidelbärGames
Für 3 bis 6 Spieler in ca. 30 Minuten ab 14 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier HeidelbärGames)