Ah, Paris, mon amour! Schon mit den Gaslaternen warst du im 19. Jahrhundert bezaubernd anzusehen. Doch als du vor etwa 130 Jahren als eine der ersten Städte der Welt auf elektrische Straßenbeleuchtung umgestiegen bist, da war klar, dass du dich als absolutes Juwel entpupptest und Schönheit mit Fortschritt zu verbinden wusstest. Das war nicht zuletzt den Städteplanern zu verdanken, die die Umsetzung zu verantworten hatten.
In Paris: Die Stadt der Lichter schlüpfen zwei Spieler*innen in die Rollen solcher Architekt*innen und Großgrundbesitzer*innen und wetteifern um die bestmögliche Bebauung und Beleuchtung der neu angelegten Viertel. In diesem Duell versucht ihr zunächst, so viel zusammenhängenden Grund und dazu passende Gebäude zu ergattern wie möglich, bevor ihr in der zweiten Phase diese Gebäude einsetzt und mit Spezialaktionen noch ein paar Siegpunkte mehr aus eurer Stadtfläche herauszuquetschen versucht. Viel Hirnschmalz und cleveres Vorausplanen sind hier gefragt, immer mit der Sorge, dass die Konkurrenz euch zuvorkommen könnte. Das Beste daran: „Paris“ braucht für diesen spannenden Zweikampf nur eine Handvoll Regeln.
Zweites Highlight: Die Spielebox IST das Spielbrett. Darauf legt ihr zunächst abwechselnd eines eurer acht Straßenplättchen und formt so bestenfalls zusammenhängende Straßenabschnitte bestehend aus blauen und orangen Flächen (die Spieler*innenfarben), lila Flächen (die später von beiden Spieler*innen genutzt werden dürfen) und Straßenlaternen. Alternativ könnt ihr euch in eurem Zug auch eines der ausliegenden Gebäude-Plättchen schnappen. Für diese habt ihr hoffentlich schon eine passende Fläche auf dem Spielplan errichtet oder plant das in einem eurer nächsten Züge noch zu tun. Sind alle 16 Felder des Spielplans belegt, geht es weiter mit der zweiten Phase.
Jetzt dürfen abwechselnd entweder die zuvor gesammelten Gebäude-Plättchen regelkonform eingesetzt (und mit knuffigen Schornsteinen in eurer Farbe markiert) oder eine der acht Aktionspostkarten genutzt werden, die zu Beginn des Spiels aus einem Satz von Zwölf zufällig gezogen worden sind. Diese dürfen nur von einem Spieler ein einziges Mal genutzt werden und gewähren Spezialgebäude oder -plättchen, die zusätzliche Punkte bieten, eure Auswahl an Gebäude-Plättchen verändern oder die Straßenabschnitte variieren.
Spätestens mit den Aktionspostkarten sind wir beim dritten Highlight angelangt: Die künstlerische Gestaltung des Spiels ist wirklich, wirklich schön. Die Farbpalette, der Illustrationsstil, die großartigen Postkartenmotive, die es so nicht gebraucht hätte, und auch die Spielanleitung sind einfach zauberhaft und wundervoll anzusehen. Das sorgt für mächtig Stimmung und man fühlt sich der Pariser Künstlerszene des späten 19. Jahrhunderts sehr nahe: Eine bunte quirlige Stadt, ein Epizentrum des Kunstbetriebs, die durch uns als Spieler*innen bzw. durch Elektrizität in noch schöneres Licht getaucht wird… Das ist schon eine herausragende Spielprämisse.
Kommen wir also zum Spieldesign: Wie bereits erwähnt, liefern die knappen Regeln eine überraschend harte Kopfnuss, bei der sehr viele Eventualitäten beachtet werden müssen: Der Straßenbau, die Lage der Laternen, das Sammeln der richtigen Gebäude, die Aktionspostkarten, der/die Kontrahent*in… Um viele Siegpunkte am Spielende einzuheimsen muss darauf geachtet werden, bestenfalls zusammenhängende Gebäudekomplexe zu errichten und dafür zu sorgen, dass die Gebäude von möglichst vielen benachbarten Laternen angeleuchtet werden. Das wirft nämlich mit Abstand die meisten Punkte ab. Wenn man das alles ab dem ersten Zug berücksichtigen möchte, kommt manch eine*r vielleicht ins kognitive Straucheln.
Das lähmt den Spielfluss und irgendwie hat es nicht immer Spaß gemacht, all diese Bedingungen im Hinterkopf behalten zu müssen, während man seine Entscheidungen trifft. Gerade auch, wenn man feststellt, dass Entscheidungen aus dem Bauch heraus, genauso gut belohnt werden können. Durch Zufälligkeiten, späte Erkenntnisse und das damit in Zusammenhang stehende Glück, regnet es mal überraschend viele Punkte, mal kriegt man keinen Fuß in die Tür. Das geht manchmal so weit, dass man schon nach der ersten Spielphase, wenn die Straßen-Plättchen gelegt wurden, das Gefühl hat, das Spiel sei gelaufen.
Vielleicht ist es die Kombination aus Spieldesign und Setting, die sich manchmal doch etwas abstrakt und aufgesetzt anfühlt, die dazu führen, dass ich meine Synapsen nur ungern über die Problemstellungen nachdenken lassen möchte, die „Paris“ liefert. Das ist schade, denn ich würde das Spiel aufgrund der wundervollen Gestaltung und der cleveren, knappen Regeln gerne deutlich mehr mögen, aber wenn es 2-Spieler-only sein soll, würde ich stets eher zu „Patchwork“ oder „7 Wonders Duel“ greifen. „Paris“ kommt diesen beiden Platzhirschen bei aller Kritik aber doch recht nahe.
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Paris: Die Stadt der Lichter von Jose Antonio Abascal Acebo
Erschienen bei Kosmos
Für 2 Spieler in 30 Minuten ab 8 Jahren
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Kosmos)