Herzlich Willkommen auf der Weltausstellung in Brüssel im Jahre 1897. Die Straßen sind voll von Künstlern und Architekten, die ganze Stadt redet über die spannendsten und aufregendsten Kunstwerke und Prachtbauten, welche in jener Zeit in Brüssel zur Schau gestellt wurden. Und genau diese Chance wollen die Spielerinnen und Spieler in Brüssel 1897 ergreifen: Sich mit geschicktem Kunsthandel, dem Bauen der schönsten Häuser oder einem raffinierten Anwerben von großen Mäzenen einen Namen zu machen.
Eine kleine Box voller Möglichkeiten – Von Material und Regeln
Brüssel 1897 kommt tatsächlich in einer kleinen, handlichen Box und ist dabei ein reines Kartenspiel. Gut, es gibt noch einen kleinen Spielplan mit einer Siegpunkte- und drei anderen Leisten, aber im Prinzip dreht sich das gesamte Spiel um die 120 enthaltenen Karten. Mit diesen wird dabei ein klassisches Workerplacement-Game simuliert. Der Wahnsinn ist, dass dies überraschend gut gelingt. Jeder besitzt eine Hand voll Architektenkarten, welche als Worker fungieren. Nun kann man diese auf dem Feld zwischen allen Spielern einsetzen, wenn man die Kosten auf dem Worker bezahlt. Diese sind dabei jeweils doppelseitig bedruckt, sodass man die Wahl hat, ob man beispielsweise 1 oder 3 Geld bezahlen möchte. Doch warum sollte man mehr zahlen wollen? Weil am Ende einer Jeden Runde die Spalten auf dem Mittelfeld geprüft werden, wer die Mehrheit investiert hat. Der oder diejenige bekommen dann eine Extraaktion, für welche sich das Geldausgeben durchaus lohnt. In der letzten der vier Runden kann durch die Spaltenmehrheit zusätzlich eine Wertung errungen werden: Spätestens in diesem Moment, wollen alle viel Geld ausgeben.
Doch Brüssel 1897 bietet noch mehr interessante Verknüpfungen zwischen Aktionen. So gibt es noch drei Leisten auf dem Wertungstableau: Die Architekten-, die Kronen- und die Wappenleiste. Auch diese bieten nicht nur ein stumpfes Rennen bis an die Spitze, sondern haben großen spielerischen Wert. Die Architektenleiste gibt den Punktemultiplikator für die gebauten Häuser am Spielende an. Und es macht schon gewaltige Unterschiede, ob ich für meine zwei, drei gebauten Häuser nun jeweils 2 oder doch volle 5 Punkte ergattere. Als nächstes gilt es die Kronenleiste zu verstehen. Diese gibt an, wie viele Mäzene man über eine bestimmte Aktion aktivieren kann. Mäzene bringen Boni im Spiel und sind eigentlich immer schön. Hat man einige vor sich gesammelt, kann man diese erneut aktivieren, jedoch nur entsprechend dieser Leiste. Spielt man auf die Mäzene, kommt man also um die Kronenleiste nicht herum. Letztlich ist da noch die Wappenleiste. Diese wird von einigen Spielerinnen und Spielern zu beginn des Spiels etwas vernachlässigt, da man dort nicht mit jedem Schritt sofort eine Verbesserung erlangt. Welch ein Fehler! Diese Leiste wertet die durch die Kartenecken auf dem Spielfeld entstehenden Wappen. Gut platziert und gespielt, warten hier am Ende einer jeden Runde deftige Punkte!
Der letzte Bereich im Spielfeld ist Brüssel selbst. Hier gibt es einige starke Aktionen für am Anfang wenig Kosten. Möchte man jedoch als zweiter eine Aktion dort durchführen, muss man nicht eine, sondern zwei Karten unter die entsprechende Aktionskarte legen. Für den Dritten sind es schon drei Architektenkarten. Der Witz an Brüssel; Es wird am Ende nicht nur teuer, sondern auch schmerzhaft: Der oder diejenige, welche die meisten Karten in Brüssel eingesetzt haben, müssen eine von ihren Architektenkarten in den Knast schicken – autsch! Diese haben es wohl zu wild getrieben bei ihren Verhandlungen und müssen nun dafür grade stehen. Man bekommt seine Leute auch wieder aus dem Knast heraus, nur ist das aufwendig und kostet mindestens einige Aktionen, mit denen man doch viel lieber Gemälde kaufen und verkaufen, oder Häuser errichten will.
Klein aber fein?! – Mein Fazit
Brüssel 1897 ist einfach wow! Selten habe ich ein solches Verhältnis von Spiel zu Schachtelgröße erlebt. Brüssel 1897 ist genau der Fall von: Eigentlich habe ich Bock auf ein dickes Euro, aber irgendwie reicht die Zeit nicht, oder der Tisch ist zu klein. Dann muss es wohl Brüssel sein! Nach dem Erklären spielt es sich in einer flotten Stunde runter und ist dabei hoch interaktiv. Ständig konkurriert man um die Plätze auf dem Feld und kämpft um die Mehrheiten. Ständig ärgert man sich oder ärgert die Anderen.
Jedoch muss ich in all meinem Lob auch meiner Position als Kritiker gerecht werden und einige Dinge ansprechen, die nicht ganz so überragend sind: Als Erstes muss da der Fakt genannt sein, dass wirklich fast alles über Karten geregelt wird. An sich eine super Idee, nur beim Geld funktioniert das nicht so wirklich. Die im Spiel mitgelieferten Geldkarten sind doppelseitig bedruckt mit dem Wert 1 und dem Wert 3. Damit macht es einen enormen Unterschied, auf welcher Seite, die Karten vor mir liegen. Jedoch werden diese im Laufe des Spieles schnell mal durcheinandergebracht. Das hat mich in meiner ersten Runde Brüssel 1897 doch schon sehr genervt. Jedoch kann man hier schnell Abhilfe schaffen: Einfach ein paar Pappmünzen aus einem anderen Spiel nehmen und fertig. Ich bin dann auf Pokerchips umgestiegen. Das hat die Probleme für mich gelöst.
Ebenso muss man erwähnen, dass die Spielerzahl ein ausschlaggebendes Kriterium ist, ob Brüssel 1897 auf den Tisch wandert. Es ist laut Packung für 2-4 geeignet, wirklich Spaß macht es aber nur zu dritt oder viert, denn hier sind die Interkationen wesentlich spannender und abwechslungsreicher.
Der letzte Kritikpunkt kommt direkt aus meinem größten Lob heraus: Die Vernetzung der vielen Spielelemente. Was den Kenner und Experten gefällt, mag Einsteiger verwirren. Spätestens nach der zweiten Runde weiß zwar jeder wie es läuft, aber Brüssel 1897 geht auch nur über vier Runden. Dann muss es wohl eine Revanche werden. Was ja bei der kurzen Spielzeit kein Problem darstellen sollte.
Wer in den Wettstreit der Weltausstellung treten sollte…
Kinder: 0/5 (Mechanisch nicht geeignet.)
Familien: 3/5 (Mit der etwas älteren Familie durchaus spielbar und vielleicht ein guter Meilenstein, um den Nachwuchs an die richtig harten Sachen zu gewöhnen.)
Kenner: 5/5 (Absolut gut! Vor allem als kurzweiliges Spiel für Zwischendurch, Davor oder Danach. Oder für den Urlaub.)
Experten: 3/5 (Siehe oben. Man muss aber sagen, dass Brüssel 1897 nicht den größten Wiederspielreiz hat. Es ist toll, ohne Frage, aber nicht der Kandidat, welcher einem nach einer Partie wochenlang im Kopf bleibt.)
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Brüssel 1897 von Etienne Espreman
Erschienen bei Kobold Spieleverlag
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Kobold Spieleverlag)