Das Paris des 16 Jahrhunderts war wahrscheinlich nur für wenige ein wirklich angenehmer Ort. Viele mussten im Dreck der Straße leben und irgendwie schauen, wie sie über die Runden kamen. Absolutistisch regiert, war das Volk dem Regenten dann doch oft reichlich egal. Um eben jenes in den Straßen umherziehendes Volk geht es in The Court of Miracles: Wir führen eine Bande von Bettlern an. Denn wer sich vernetzt, hat höhere Überlebenschancen. Und so versuchen wir mit unserer Bande Unruhe zu stiften und berühmt zu werden, um irgendwann vielleicht der geachtetste Bettler zu werden, der Anführer aller: Der Pennyless King.
Von einfachen Regeln und versteckten Waffen
Im Prinzip ist The Court of Miracles ein Arbeiter-Einsetz-Spiel. Jeder startet für seine Gilde mit drei Bettlern und ist man am Zug, setzte man einen auf ein freies Feld in Paris. Die Felder geben dabei Belohnungen wie Geld, eine Karte oder Fortschrittspunkte für den Pennyless King. Dieser wandert nämlich durch Paris und triggert Aufstände und das Spielende. Aber bevor wir zu den Aufständen kommen, erzähle ich euch noch, dass jedes Stadtviertel eine eigene Bonusaktion hat. Gerade diese sind sehr interessant und mächtig. Nun zu den Aufständen: Wird der dritte Bettler in einem Viertel platziert oder zieht der Pennyless King auf ein entsprechendes Feld, fangen die Banden an, sich um die Herrschaft in diesem Viertel zu schlagen. Dabei dreht man seine Spielfigur rum, um den verdeckten Wert, die Stärke dieser Person zu offenbaren. Der Clou dabei ist, dass die Spielfiguren aus zwei Teilen bestehen: Einem farbigen Marker oben und einem Untersatz mit verstecktem Kampfwert. Es starten alle Spieler mit den selben Werten, jedoch hat man im Spiel die Möglichkeit, seine „Untersetzer“ auszutauschen und dann mit unerwarteter Stärke seine Gegner zu überrollen.
Gewinnt man einen solchen Aufstand, darf eines seiner sechs Ruhmestoken im Stadtviertel platzieren. Nutzen andere nun die Fähigkeit dieses Viertel, profitiert man selbst. Zudem ist man seinem Sieg einen Schritt weiter: Am Ende gewinnt derjenige mit den meisten Ruhmestoken auf dem Spielfeld. Oder jemand platziert seinen sechsten Token, dann endet das Spiel sofort. Da die Tokens in den Vierteln auch immer wieder vertrieben werden können, gibt es noch den sogenannten Court of Miracles, in dem man maximal fünf seiner Tokens für entsprechendes Geld sicher unterbringen kann. Der Letzte muss dann durch einen Kampf platziert werden.
Materielle Schwächen und trotzdem gut?
Die Zwischenüberschrift nimmt vieles vorweg, aber darüber müssen wir reden: The Court of Miracles hat einige materielle Schwächen. Starten wir mit dem Brett. Dieses ist ungewöhnlich geformt und sticht daher sehr ins Auge. Was für das Design schön ist, ist für den Transport der Horror. Die vielen Türmchen und Spitzen stoßen sich super schnell in der der Box ab. Dann sieht das Brett auch nicht mehr so schön aus. Aber das ist eine Schwäche, die keinen spielerischen Einfluss hat. Anders da mein zweites Problem: In meiner Kopie von The Court of Miracles weisen die Untersetzer enorme Unregelmäßigkeiten auf. Einige sind nicht ganz gefüllt, sodass der Marker oben drin deutlich schief liegt. In einem Spiel, in dem es darum geht, nicht zu wissen, welchen Untersetzer der Gegner benutzt hat, ist so etwas nicht wirklich förderlich. Im Spiel zu viert haben wir das Material des fünften Spielers genommen, aber spätestens bei voller Besetzung hat ein Spieler enorme Nachteile, da alle anderen wissen, wie stark die eingesetzte Figur ist.
Abseits dieser materiellen Schwächen ist The Court of Miracles sehr, sehr solide. Um nicht gerade zu sagen: Es ist gut! Es macht Spaß, zu bluffen, welche Figur man einsetzt und seine Gegenspieler in die Verwirrung treibt. Vielleicht löst man auch mal einen Aufstand an Stellen aus, wo es nur anderen schadet. Dieses Spiel bietet gefühlt unendliche Möglichkeiten für kleine Sticheleien. Und dabei ist es kein großer Klopper, sondern kann inklusive Regelerklärung in einer guten Stunde gespielt werden. Und durch die Karten, welche man in jedem Moment seines Zuges spielen kann, wächst das Potenzial an Taktiken und Stänkereien. Ganz richtig: The Court of Miracles ist ein taktisches Spiel rund ums Bluffen und Stänkern. Wer große Strategien erwartet, ist hier falsch, denn schon in der nächsten Runde kann alles anders sein als davor. Daher sollte man sein Geld stets gut im Blick haben und im besten Fall schnell ausgeben. Denn die Mitspieler haben schon ihre Hände danach ausgestreckt.
Empfehlung für Liebhaber von Diebesgut
Kinder 0/5 (Zu viele Regeldetails für die Kleinsten.)
Familie 4/5 (Vom Niveau genau die richtige Zielgruppe. Jedoch muss man das ständige Gegeneinander mögen.)
Kenner 2/5 (Als Absacker oder kleines Spiel zwischendurch.)
Experte 0/5 (Für den geneigten Expertenspieler bietet The Court of Miracles zu wenig.)
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The Court of Miracles von Vincent Brugeas und Guilhem Gautrand
Erschienen bei Lucky Duck Games
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Lucky Duck Games)