Ich denke ich habe schon einige Male erwähnt, dass das Thema “Zug” in der Brettspiel-Welt wirklich sehr gern genommen wird und sich großer Beliebtheit erfreut. Mittlerweile gibt es kaum eine Mechanik in der wir nicht schon Zugstrecken oder dergleichen bauen durften. Aber eine Ausnahme gibt es dann eben doch: klassisches Social Deduction á la Werwölfe und Secret Hitler. Da setzt nun das Spiel Stop the Train! an und hat hier eine spannende Umsetzung gestaltet, die wir uns genauer ansehen wollen. Das Spiel ist für 4-6 Spieler geeignet, wobei die Devise klar lautet: Je mehr desto besser!
[MATERIAL & ANLEITUNG]
In diesem Beitrag möchten wir euch eine kleine Besonderheit präsentieren, denn wir haben hier das Material vom Prototypen vorliegen, sowie das nun fertige Produkt. Auf den Bildern könnt ihr nun also die Entwicklung nachvollziehen und erkennen, wie die Komponenten für die Masse umgesetzt wurden.
Das Material vom fertigen Spiel ist auf jeden Fall sehr gelungen. Gute Pappdicke, der Zug schön groß und aus Holz und eine wirkliche gelungene Kartenqualität dazu. Insgesamt kann man da nicht meckern, ich bin nur gespannt, wie sich mit der Zeit die Gleise zusammenstecken lassen, da ich mir vorstellen kann, dass die mit mehrfachem Auf- und Abbau ein wenig in Mitleidenschaft gezogen werden. Auch die grafische Gestaltung find ich sehr gelungen und thematisch. Insgesamt hat Stop the Train! eine tolle Tisch-Präsenz und wird auch Nicht-Spieler an den Tisch bringen können.
Die Anleitung ist verständlich und beantwortet viele Fragen, die aufkommen können. In der ersten Print-Version gibt es wohl leider einen Fehler bei einem Beispiel, dies wurde aber sofort via Kickstarter an die Backer mitgeteilt und dürfte auch nicht zu schweren Fehlern geführt haben, da nur ein falsches Bild verwendet wurde.
[ABLAUF]
Was passiert nun eigentlich im Spiel thematisch? Wir befinden uns alle an Bord eines Zuges, welcher um 19:05 in Paris eintreffen soll. Zeitlich spielt das ganze im Jahr 1942 und das große Problem ist, dass jemand an Bord des Zuges mit Erreichen der Bahnstation eine Bombe zünden möchte. Dieser jenige welche sitzt mit uns am Tisch! Jeder weitere Spieler übernimmt eine andere Rolle mit unterschiedlichen Zielen und Siegbedingungen. Die Rollen werden per Zufall ausgeteilt und jeder Spieler erhält drei “Intervention”-Karten, aus denen er zwei aussuchen darf. Zu diesen komme ich dann noch später.
Hier ein paar Beispiele der Rollen, die es gibt:
Saboteur - gewinnt das Spiel wenn die Bombe gezündet wird, egal ob noch an Bord oder nicht
Prisoner of War - gewinnt wenn der Zug den Fasttrack genommen hat und der Zug gestoppt wird
Engineer - gewinnt wenn der Zug über den Viaduct fährt und am Ende gestoppt wird.
und so im Stile geht es weiter.
Im Spiel läuft es nun so ab, dass wir vor uns die Bahnstrecke liegen haben und den Zug an den Startpunkt setzen. Der Startspieler zieht nun drei Effekt-Karten und legt eine davon verdeckt wieder ab. Die restlichen zwei Karten gehen weiter an den Spieler zur Linken. Dieser Spieler wählt nun ebenfalls eine Karte, die verdeckt abgelegt wird und zeigt die dritte Karte offen, die nun bestimmt was passiert.
Die Effekt-Karten haben Einfluss auf die Geschwindigkeit des Zuges, somit können wir diese erhöhen, senken oder gleich lassen. Die Geschwindigkeit bestimmt am Ende der Runde, wie viele Felder der Zug nach vorne bewegt wird. Bedenkt: erreicht der Zug mit dem Bombenleger Paris, explodiert die Bombe und der Bombenleger gewinnt!
Wie aber nun aufhalten bzw. was passiert noch? Im Laufe der Bahnstrecke werden spezielle Ereignisse ausgelöst, die wiederum auch mit den Siegbedingungen mancher Rollen zusammenhängen. Es gibt Streckenabschnitte die bergab führen und damit der “Speedster” das Spiel gewinnen kann, muss der Zug auf diesem Abschnitt eine Geschwindigkeit von 180 km/h erreichen. Dieser sogenannte “Geschwindigkeitsrekord” wird immer festgehalten, egal welcher Spieler daran Schuld war, damit der Speedster sich nicht offenbaren muss.
Dann gibt es Tunnel, durch die wir fahren. Fährt der Zug durch einen Tunnel, darf der aktive Spieler einem anderen Mitspieler die “Permit to Travel”-Marke abnehmen. Diese Marke braucht ein Spieler, wenn das Ziel erreicht wurde, dass die Bombe nicht zündet, aber die zweite Bedingung nicht geklappt hat. Mit der Marke kann er nun doch noch gewinnen.
Auf der Strecke befindet sich des weiteren noch eine Signalbox und egal wie viele Felder der Zug noch fahren müsste, muss er an dieser Stelle erstmal halten, da die Strecke hier dreigeteilt ist und nun gewählt werden muss, auf welcher Strecke es weitergeht. Es gibt die “Scenic Route”, den “Fast Track” und das “Viaduct”. Jeder Spieler gibt per Karte seine Wahl ab, diese werden gemischt und dann ausgewertet.
Und zu guter Letzt gibt es noch Brücken bzw. auch das Viaduct. Sobald der Zug mit der Front ein Brückenfeld erreicht, wird ein “Emergency Meeting” einberufen und alle Spieler wählen, wer vom Zug geschmissen wird. Davor darf natürlich fleißig diskutiert werden.
Der Spieler der aus dem Zug geschmissen wird, ist danach kein Bestandteil des Spiels mehr, es sei denn er hat eine Interventions-Karte, die seinen Rausschmiss verhindert. Die Rolle dieses Spieler bleibt auch nach dem Rausschmiss geheim! Falls man sich nicht einigen konnte und die Wahl im Unentschieden endet, wird keiner rausgeschmissen.
Von der erwähnten Interventionskarte, gibt es mehrere, die im Laufe des Spiels in vorgegebenen Situationen triggern und dem Ausspielenden einen Vorteil gewähren.
Das Spiel endet wenn es entweder keine Effekt-Karten mehr gibt und der Zug somit zum Stehen kommt oder der Zug Paris erreicht und die Bombe somit gezündet wird.
[FAZIT]
Die Ähnlichkeit mit anderen Social Deduction Spielen wie Werwölfe und Secret Hitler lässt sich natürlich nicht von der Hand weisen und ich sag mal so: wer diese Spiele schon so gar nicht mochte, wird wohl auch mit Stop the Train! weniger Freude haben. Andererseits möchte ich die Behauptung aufstellen, dass Stop the Train! helfen kann, Spieler von diesem Genre zu überzeugen.
Die übernommene Mechanik von Secret Hitler, in der man verdeckt Karten ablegt und somit Einfluss auf die Auswahlmöglichkeit nimmt, finde ich immer noch sehr elegant gelöst und gibt jedem Spieler genug Spielraum seine Rolle zu leben und zu argumentieren, warum man so gehandelt hat.
Ein weiterer sehr positiver Aspekt ist halt die Präsenz auf dem Tisch und das ganze Gimmick mit dem Zug. Die Strecke abfahren und vorab zu planen bringt einfach Spaß und spricht so manche Reize bei vielen Spielern an. Aus meiner Sicht eine Sache, die vielen Social Deduction Spielen einfach fehlt.
Weniger gut ist natürlich, dass es Player Elimination gibt, wobei dies erst im letzten Drittel passieren kann und das Spiel danach nicht mehr so lange läuft. Dennoch wäre es schön wenn es sowas weniger gibt in Zukunft.
Auch manche Rollen finde ich im Vergleich deutlich schwieriger als andere, zum Teil wird darauf in der Anleitung hingewiesen, aber dennoch find ich das nicht ganz so gut gelungen, man merkt dass dem Autor das selbst bewusst ist und den “Permit to Travel”-Marker eingeführt hat, um dies ein wenig auszugleichen. Das funktioniert, aber so richtig fluffig finde ich das nicht.
Alles in allem ist Stop the Train! aber eine sehr schöne Social Deduction Variante im Stile von Human Punishment, Werwölfe und Secret Hitler. Wer also an solchen Spielen Gefallen findet, wird auch damit sein Spaß haben. Spiel-Neulinge lassen sich ebenfalls abholen. Und mit dem Thema vielleicht auch ein paar Genre-Muffel.
[FÜR WEN IST DAS SPIEL?]
Kinder: 0 von 5 (aus meiner Sicht ist das Genre einfach nichts für Kinder, wobei vielleicht wäre es mal an der Zeit eine Kindervariante vom Social Deduction zu finden. Oder gibt es da schon was?!?)
Familie: 4 von 5 (für mich die Kern-Zielgruppe des Spiels. Die Regeln sind schnell erklärt und verinnerlicht. Auch Muffel könnte man damit überzeugen)
Kenner: 3 von 5 (Manche Komponente und Rolle ist etwas komplizierter als bei üblichen Familienspielen, daher sehe ich auch einige Kenner-Spiele, die damit ihre Freude haben werden)
Experte: 2 von 5 (auch Experten können gerade mit der Streckenberechnung Ihren Spaß haben, ABER die Player Elimination die ziemlich random sein kann, könnte ein Todesstoß sein!)
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Stop the Train!
Erschienen im Eigenverlag
Für 4 bis 6 Spieler in ca. 20 Minuten ab 11 Jahren
Boardgamegeek-Link
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Eigenverlag)