Als ich seinerzeit das erste Mal Die Legenden von Andor vor mir hatte war ich – als jemand, der sehr gerne Rollenspiele auf dem PC zockte - zunächst mehr als positiv angetan. Andor brachte einen Teil dieses Rollenspielerlebnisses auf den Tisch, ohne allzu ausufernd oder unnötig kompliziert zu sein und verpackte das Ganze auch noch in eine annehmbare Spielzeit und eine durchlaufende Story. Am Ende aller Legenden stellte sich etwas Ernüchterung bei mir ein, da das Spiel im Laufe der Legenden keinen weiteren Tiefgang mehr hatte, sondern stagnierte, was mir das Rollenspielgefühl auch sehr schnell nahm. Entsprechend „durchwachsen“ kam bei mir dann ja auch die erste Erweiterung namens Sternenschild an (der ein oder andere erinnert sich vielleicht noch an meine Rezension hierzu, schon krass dass die bald 7 Jahre her ist…). Eigentlich fand ich nur die zusätzlichen Komponenten gut. Was Andor aber geschafft hat: es hatte mich damals dazu gebracht, mich mehr mit dem Thema Dungeon-Crawler zu beschäftigen und führte mich letztlich zum überragenden Myth…aber das ist eine andere Geschichte.
Jetzt also, knapp 7 Jahre nach Die Legenden von Andor, nach Wegfall meines Rollenspiel-PC-Hintergrundes und mit zwei Kids am Tisch, habe ich die Junior-Variante von Andor vor mir und freue mich ehrlich gesagt ziemlich drauf, meinen Kindern die Faszination storybasierter Brettspiele zu näher zu bringen. Zwar hadere ich mit mir, ob nicht direkt das „richtige“ Andor als Einstieg auch gut wäre, aber letztlich ist unsere kleine noch 5 und damit für das Original dann doch noch etwas zu jung.
Also nichts wie ausgepackt und aufgebaut: Wie auch beim großen Vorbild ist in der Packung erstmal einiges an Komponenten drin und will sortiert bzw. verteilt werden. Zunächst sucht sich erstmal jeder Mitspieler einen Helden aus und entscheidet, ob er im Spiel Männlein oder Weiblein sein möchte. Die vier Helden haben dabei unterschiedliche Fähigkeiten, wie es sich für ein richtiges Fantasy-Story-Spiel eben gehört. Ziel einer jeden Runde ist es, drei Wolfjungen aus der Zwergenmine zu retten, bevor der Drache die Burg erreicht. Hierfür muss man grundsätzlich die Aufgaben des Brückenwächters Mart erfüllen, damit dieser die Helden über die Brücke zu den Minen lässt. Ohne zu viel zu verraten ist das leider der Schwachpunkt des Spiels: Letztlich geht es immer um das gleiche und das „Finale“ wird irgendwann öde. Aber eben erst irgendwann. Doch dazu gleich mehr.
Die Karte wird mit diversen Nebelplättchen aufgefüllt, die entdeckt werden wollen und in der Mine werden Minenplättchen verteilt. Außerdem kommen noch die bösen Gors sowie der Drache dazu und die Aufgabenkarten werden je nach Story zusammengestellt. Hier geht es z.B. darum, bestimmte Kräuter auf dem Spielplan einzusammeln oder Befestigungen der Gors einzunehmen. Insgesamt kommt das Spiel mit 10 Aufgaben, die zu insgesamt 4 Storys zusammengebaut werden. Hat man das alles durch, kann man neue Storys mit Zufallsaufgaben spielen. Das ist sehr schön gelungen, da die Aufgaben wirklich abwechslungsreich sind. Nur dass am Ende eben immer das Gleiche passiert.
Der Grundsätzliche Ablauf von Andor Junior erinnert dann stark an das Original, selbst wenn die Regeln etwas eingestampft wurden: Jeder Held verfügt über eine gewisse Anzahl an Sonnenscheiben. Für jeden Schritt, den man auf dem Plan gehen möchte, wird eine abgeworfen. Ist man am Ziel, so darf man dort eine Aktion ausführen: ein Nebelplättchen umdrehen und abhandeln, am Brunnen Sonnenscheiben „tanken“, Gegenstände aufnehmen/tauschen/kaufen, das Leuchtfeuer entzünden (vertreibt den Drachen ein wenig) oder letztlich kämpfen. Im Nebel verstecken sich gute Dinge, aber natürlich auch schlechte, durch welche der Drache oder die Gors vorankommen. Beim Kampf wird gewürfelt und die Anzahl der gewürfelten Schwerter wird mit denen der Gors verglichen, indem die Würfel auf die Felder des Gors gestellt werden. Hat man alle Felder gefüllt, wird der Gor vertrieben. Ansonsten bleibt er, wo er ist. Die Würfel aber auch. Hat man es als Team endlich in die Zwergenmine geschafft, muss man dort die drei Wolfsjungen unter den verdeckten Plättchen ausfindig machen. Dies erzeugt (bei den ersten Runden) ordentlich Spannung, da in der Mine mehr Drachenplättchen als Wölfe zu finden sind.
Haben die Helden alle ihre Sonnenscheiben verbraucht, bricht die Nacht über Andor herein. In dieser nähern sich der Drache und die Gors der Burg, neue Gors erscheinen auf dem Spielplan und verbrauchte Brunnen und Sonnenscheiben werden aufgefrischt. Erreicht ein Gor die Burg, darf der Drache nochmal laufen. Zu schlechter Letzt verschwinden in der Nacht auch alle Würfel, die jetzt noch auf den Gors liegen wieder zurück zu ihren Besitzern. Dann beginnt ein neuer Tag. Das Spiel endet, wenn der Drache die Burg erreicht (Niederlage) oder die drei Wolfsjungen gefunden wurden (Sieg).
Unterm Strich hat mich Andor Junior alles andere als enttäuscht: Es spielt sich super und macht unseren Kids richtig viel Spaß. Aber auch wir Erwachsenen spielen gerne eine Runde mit. Die Kleinen brauchen hier zwar aufgrund der Spielzeit von knapp über einer Stunde durchaus etwas Sitzfleisch, aber dafür ist das Spiel (grade in den ersten Partien) spannend genug, damit das klappt. Sehr schön ist hier, dass die grundlegenden Mechaniken dermaßen gut „eingestampft“ wurden, dass die Kids Andor Junior auch durchaus nach ein bis zwei Runden komplett alleine spielen könnten. Aber eigentlich spielen wir großen hier auch ganz gerne mit. Insofern macht Andor Junior als Kinderspiel eine hervorragende Figur und lässt sich auch ohne schlechtes Bauchgefühl als Familienspiel betiteln. Nur eben das immer gleiche Ende wird auf Dauer natürlich zum Motivationskiller, wobei man hier mit Erweiterungen leicht Abhilfe schaffen könnte. In Summe also ein gelungener Einstieg ins Thema. Bald dürfte bei uns dann also das „richtige“ Andor drankommen…und dann vielleicht Descent…und dann doch endlich mal Myth?
Andor Junior von Inka und Markus Brand
Erschienen bei Kosmos
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 45 Minuten ab 7 Jahren