Ich habe sicherlich an so mancher Stelle habe anklingen lassen, dass ich großer Fan von Zivilisationsspielen bin - falls nicht, tue ich das hiermit. Keine Frage, dass Era of Tribes Chefsache ist und ich mir das Ding persönlich näher angeschaut habe. Era of Tribes zählt dabei zu den „eher komplexeren“ Spielen dieser Gattung, weswegen es auch überhaupt keinen Sinn ergibt hier alle Details und Regeln aufzuführen. Viel eher möchte ich mich darauf beschränken die Dinge herauszustellen, die das Spiel - in meinen Augen - besonders gut oder besonders schlecht macht, damit Ihr wisst, ob es ggf. etwas für Eure Runden sein könnte.
Wie eingangs erwähnt, ist Era of Tribes ein komplexes Paket. Das Ding wurde damals von einem deutschen Autor in Eigenarbeit auf Kickstarter eingestellt und erfolgreich finanziert. Dabei bringt so ein Solo-Mammut-Projekt natürlich auch die üblichen Probleme und Schwächen mit, die zwangsweise dabei sind, wenn keine gesonderte Redaktion urüberschaut und den nötigen Feinschliff verpasst.
Feinschliff ist auch vermutlich das, was Era of Tribes an manchen Stellen gebraucht hätte - oder gerade nicht? Lasst mich eins vorwegnehmen: Era of Tribes ist eine hervorragende Simulation in Sachen Zivilisationsspiel, die eigentlich alles bietet, was ich mir als Fan solcher Spiele wünsche: Krieg, Expansion, Technologie, Diplomatie, Handel etc. Und noch dazu: Era of Tribes macht vieles besonders gut. Beispielhaft für diese innovativen Dinge möchte ich die Technologieentwicklung und den Kampf ansehen. Aber auch andere Dinge, wie Diplomatie, Moral und Handel sind toll gelöst. Oft habe ich bei einer Partie Era of Tribes das Gefühl, dass ich ein waschechtes Civ-Game auf dem PC spiele.
Diese Detailverliebtheit bringt aber auch eine Kehrseite mit sich. Era of Tribes ist wirklich schwer zu erlernen. Das liegt zuerst an der Anleitung, welche nicht nur äußerst umfangreich, sondern auch an manchen Stellen nicht sonderlich schön aufgebaut ist. Dabei sind die grundsätzlichen Regeln eigentlich recht simpel und basieren in erster Linie auf einem Arbeitereinsetzmechanismus, bei dem jeder Spieler in wiederkehrenden Runden eine bestimmte Anzahl an Arbeitern abhängig vom Zeitalter auf ihrem Tableau einsetzen, um die Aktionen des Spiels wie Bewegung, Fortschritt usw. auszuführen. Diese Detailverliebtheit führt aber auch oft dazu, dass es kleine Extraregeln gibt, die zwar versucht wurden per Ikonographie bestmöglich auf den Tableaus oder Spielbrettern unterzubringen, aber auch erstmal im Kopf behalten werden müssen. Zudem ist die Ikongrafie erstmal gewöhnungsbedürftig - kein Vergleich z. B. mit der von Terra Mystica. Aber sei´s drum. Diese Detailverliebtheit ist aber - sofern man die Eingangshürde erstmal überwunden hat - auch gleichzeitig die große Stärke von Era of Tribes Denn gerade sie bietet mir dann bei späteren Partien in bestenfalls identischer Besetzung dann auch den großen Reiz des Spiels. Civ-Feeling pur eben.
Wirklich negativ hervorzuheben ist aber die optische Aufmachung von Era of Tribes Das fängt bei den Zeichnungen an, geht aber mit dem Spielbrett und dem Technologiebaum weiter. Auch hier wurde zwar mit viel Liebe zum Detail gearbeitet, aber dadurch wirkt insbesondere die Karte und der Technolgiebaum extrem überladen. Hier hätte ich mir eine dezentere Aufmachung gewünscht - gerade wenn dadurch die Übersichtlichkeit leiden kann. Okay, schaffe ich mich erstmal in Era of Tribes rein, dann gewöhne ich mein Auge zwar an die Aufmachung und lerne wo mein Blick hinzuschweifen hat, aber als schön würde ich Era of Tribes auch nach zahlreichen Partien nicht bezeichnen - was auch insbesondere Impulskäufer abschrecken dürfte. Era of Tribes ist halt kein Spiel bei dem man sich im Laden oder im Netz denken würde „Wow, sieht klasse aus, das hole ich mir mal“. Über Geschmäcker lässt sich zwar streiten, aber da diese Anmerkung stets von allen Mitspielern meiner Runden geteilt wurde, gehe ich einfach mal davon aus, dass da ein Fünkchen Wahrheit mitschwingt. Als problematisch bei der Übersichtlichkeit empfand ich auch insbesondere den Technologiebaum, bei dem zu späterer Spielstunde durch das Vorrücken der einzelnen Steine kaum mehr eine gute Übersicht besteht, die aber - sofern man die Gegenspieler im Blick haben möchte - erforderlich wäre.
Genug der negativen Punkte. Das waren sie nämlich auch schon. Era of Tribes ist ansonsten wirklich ein spitzen Zivilisationsspiel, das zwar einige Einarbeitung braucht, dann aber für all diejenigen einen genauen Blick wert sein sollte, die bei moderneren glattgeschliffenen Civ-Games (wie beispielhaft das neue Sid Meier´s) stets die Tiefe und den Detailgrad vermissen. Besonders spannend finde ich den Kampf, der mit einem simplen Würfelwurf gelöst wird, aber der durch diverse Kampfmodifikatoren das Kampfglück in die ein oder andere Richtung ziehen kann. Ebenfalls spannend ist der Technologiebaum, der - abseits seiner eben beschriebenen fehlenden Übersichtlichkeit - super spannende Entscheidungen bietet. Presche ich als Erster in eine Technologie vor, erhalte ich nämlich Siegpunkte, muss aber mehr zahlen. Dabei wurden geschickt einzelne Technologien miteinander verknüpft und wirklich alle bieten interessante Boni, die man freischalten kann. Ich will übers Wasser fahren? Schalte es erst frei. Ich will Städte bauen? Erst freischalten. Era of Tribes fängt nämlich bereits bei der Steinzeit an (und endet im Mittelalter), d. h. ich bekomme quasi die volle Dröhnung und alles muss ich mir erst hart erarbeiten. Das ist - so ganz nebenbei - auch mal was anderes, als die stets vorkommende Erforschung der Raumfahrt in anderen Vertretern.
Für wen ist denn nun Era of Tribes etwas und wer sollte eher die Finger davon lassen? Suchst Du ein wirklich detailverliebtes Zivilisationsspiel, das zwar einige Einarbeitung benötigt und hast eine passende Runde, die A) keine langen Spiele scheut und B) ebenfalls auf solche Spiele steht, dann ist Era of Tribes einen genauen Blick wert. Wenn Du allerdings bei Zivilisationsspielen eher epische Momente in kompakter Spielzeit suchst (wie z. B. bei Sid Meier´s A New Dawn oder aber auch Nations), dann wirst Du Dich bei Era of Tribes überfahren fühlen.
Era of Tribes bleibt für mich ein Nischenprodukt. Erstens, da es für die meisten Runden zu episch und ungebügelt daherkommt und zweitens, da es einige Partien braucht, um sich voll zu entfalten und dadurch bereits viele Käufer nicht bereit sein werden dem Spiel diese Zeit zu geben. Ich bin jedoch froh Era of Tribes gespielt zu haben, denn es macht einen höllischen Spaß. Wird es in meiner Sammlung bleiben? Vermutlich eher nicht. Das hat aber eher persönliche Gründe. Ich habe einfach nicht die Zeit und die Runden, um den Brecher regelmäßig auf den Tisch zu bringen. Schaffe ich das aber nicht, so ist immer und immer wieder eine Regelauffrischung erforderlich. Noch dazu bin ich ein großer Fan von hübschen Spielen - und da punktet Era of Tribes leider nicht. Dennoch könnte Era of Tribes für Dich genau DAS Zivilisationsspiel in Deiner Sammlung werden.
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Era of Tribes von Arne Lorenz
Erschienen bei Back Beacon Games
Erschienen bei Back Beacon Games
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 180 Minuten ab 14 Jahren
Boardgamegeek Link
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Black Beacon Games)