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02.05.2020

Florenza: Dice Game


Lange konnte ich Roll&Write-Spielen (bzw. Flip&Write-Spielen) nichts abgewinnen, doch dann kam Anfang 2018 Ganz schön clever, gefolgt von Railroad Ink und Welcome To… im selben Jahr sowie Der Kartograph ein Jahr später, und plötzlich war ich begeisterter Roller & Writer – bis heute. Umso gespannter war ich als Florenza: Dice Game – der Roll & Write-Ableger des erfolgreichen großen Bruders Florenza – versprach, man könne mit diesem Spiel ein komplexes Ressourcenmanagementspiel im Roll&Write-Format in unter einer Stunde absolvieren! 


Thematisch schlüpfen wir hier in die Rolle einer einflussreichen florentinischen Familie zur Zeit der Renaissance, lassen Gebäude in unserem Stadtviertel bauen, Kunstwerke in unserer Chiesa und unserem Palazzo durch mehr oder weniger begabte Künstler vollenden, verwalten unser Geld möglichst geschickt und versuchen wichtige gesellschaftliche Positionen durch Mitglieder unserer Familie zu besetzen, um unseren Einfluss auszuweiten und schließlich die meisten Prestigepunkte einzuheimsen. Hierfür gilt es spielmechanisch, die verschiedenfarbigen Würfel möglichst geschickt einzusetzen, um an Geld oder Rohstoffe zu kommen, mit denen sich die Gebäude und Kunstwerke bauen und bezahlen lassen, oder um in einer der drei Personenleisten voranzurücken und bestenfalls Hauptmann oder Bischof mit allen damit verbundenen Vorteilen für die aktuelle Runde zu werden.


Material
Florenza: Dice Game beinhaltet sechs verschiedenfarbige Würfel, eine Würfeltafel, vier Bleistifte, einen Block mit doppelseitig bedruckten Spielerbögen sowie eine Spielanleitung in deutscher und englischer Sprache. Zu den Würfeln muss ich wohl nicht viel sagen – eine farbliche Pracht, doch Farbenblinde nehmt euch in Acht…! Die recht übersichtliche Würfeltafel bietet einerseits Platz für noch nicht benutzte (links) sowie bereits benutze Würfel (rechts) und darüber hinaus eine Übersicht über die möglichen Aktionen, die sich mit den einzelnen Würfeln durchführen lassen. Weniger übersichtlich erscheint zunächst jedoch das zentrale Element des Spiels, nämlich der doppelseitige Spielerbogen. Auf der einen Seite markiert man gesammelte Rohstoffe und gesammeltes Geld, den Fortschritt auf den Personenleisten, erarbeitete Prestigepunkte sowie die durch Gebäude freigeschalteten Effekte. Auf der Rückseite des Bogens findet man hingegen eine Übersicht über die Kosten und Effekte der insgesamt 25 Gebäude, von denen man in einer Partie bis zu acht bauen kann. Da man in einer Partie immer beide Seiten des Spielerbogens benötigt und den Spielerbogen vermutlich nicht ständig wenden möchte, macht es Sinn, sich gleich zwei Spielerbögen zu nehmen und in der nächsten Partie einfach die jeweiligen Rückseiten zu verwenden, um möglichst keine Spielerbögen zu verschwenden.


Ablauf
Je nach Spieleranzahl geht eine Partie über vier bis sechs Runden, in denen jeder einmal aktiver Spieler ist und drei der sechs Würfel für eine bestimmte Aktion aktivieren darf. Wie man es schon so ähnlich aus Ganz schön clever gewohnt ist, dürfen im Anschluss jedoch auch die nicht aktiven Spieler jeweils einen der nicht aktivierten Würfel für eine Aktion benutzen – außer der Bischof der aktuellen Runde, der auch einen der bereits aktivierten Würfel nutzen darf. 


Jeder der sechs Würfel ist jeweils genau einem der sechs vorhandenen Rohstoffe zugeordnet und man kann bei Aktivierung eines Würfels abhängig von der Augenzahl entweder ein oder zwei Mal den entsprechenden Rohstoff bei einem (oder zwei) seiner Kunstwerke oder Gebäude ankreuzen. Alternativ ist jeweils einer der Würfel einer der drei Personenleisten zugeordnet und weitere drei Würfel jeweils einem bestimmten Künstlertyp, den man für die Fertigstellung seiner Kunstwerke im Palazzo oder der Chiesa braucht. Auch hier bestimmt die Augenzahl der Würfel, wie viele Schritte ich auf den Personenleisten vorrücken darf und wie viel ich für die eingesetzten Künstler zahlen muss. Schließlich lässt sich jedoch auch jeder Würfel dafür hernehmen, bei Aktivierung genau 200 Fiorini – die Geldwährung im Spiel – zu erhalten. Beim Voranschreiten auf den Personenleisten schaltet man zudem immer wieder auch Zusatzrohstoffe, Geld, Prestigepunkte, Extrawürfel und andere Vorteile frei. Zu Beginn der Runde – nach der Einkommensphase – wird je nach Fortschritt auf den Personenleisten der Hauptmann des Volkes bestimmt, der dann einen beliebigen Rohstoff sofort ankreuzen darf sowie der Bischof, der – wie bereits erwähnt – als inaktiver Spieler auch aktivierte Würfel nutzen darf. Fertiggestellte Kunstwerke in der Chiesa geben einem ein dauerhaftes Einkommen (Geld oder Schritte auf den Personenleisten) zu Beginn der Runde, eine schnelle Vollendung aller Kunstwerke im Palazzo wird mit Extra-Prestigepunkten belohnt, und in seinem Stadtviertel befinden sich insgesamt acht Gebäude-Slots, auf die man nach und nach seine Gebäude mit unterschiedlichen Kosten und verschiedenen dauerhaften oder einmaligen Effekten und/oder Prestigepunkten bauen kann.


Wer nach der letzten Runde die meisten Prestigepunkte gesammelt hat, gewinnt das Spiel.

Fazit
Wie bei allen Roll&Writes gibt es auch bei Florenza: Dice Game einen würfelbedingten Glücksfaktor, der jedoch im Vergleich zu anderen Vertretern des Genres kaum zum Tragen kommt, da es verschiedenste Wege zu den begehrten Prestigepunkten gibt: Baue ich viele Gebäude, um an die mit Extrapunkten belegten Slots zu kommen? Greife ich die Prestigepunkte auf den Personenleisten ab? Vollende ich als erster alle Kunstwerke in meinem Palazzo? Nutze ich Gebäudeeffekte, um bspw. mehr Punkte für besonders prestigeträchtige Kunstwerke zu bekommen? Oder baue ich gar Gebäude ohne Effekte, die jedoch selbst einige Prestigepunkte zählen? Bei all diesen Optionen kommt es eher selten vor, dass man mit einem Würfelwurf einmal nichts anfangen kann. Unter Umständen bekommt man bei häufigem Würfelpech mal einen Rohstoff weniger, oder bezahlt 100 Fiorini mehr für einen Künstler, was zwar spielentscheidend sein kann, in der Regel aber durch strategische Finesse wieder wettgemacht wird. Neben der Vielzahl an möglichen Strategien finde ich vor allem das Bauen der Gebäude sehr spannend, denn bei 25 verschiedenen Gebäuden gibt es doch die ein oder andere Kombination, die man in unterschiedlichen Partien je nach gewählter Strategie einmal ausprobieren kann. Da man sich beim Ankreuzen der Rohstoffe und dem Geld auf den Gebäudeslots nicht im Voraus entscheiden muss, welches Gebäude man baut, kann man mit seiner eigenen Strategie, je nach Strategie der Mitspieler, zudem auch kurzfristig umschwenken und vielleicht doch noch ein anderes Gebäude mit den bereits angekreuzten Rohstoffen bauen – sobald das Gebäude jedoch gebaut ist, lässt es sich nicht mehr ändern. 


Interaktion zwischen den Spielern entsteht einerseits durch die Überlegung, welche Würfel ich den inaktiven Spielern noch zur Verfügung stellen möchte, indem ich sie in meinem Zug nicht aktiviere, und andererseits vor allem durch die Personenleisten, da ja immer nur ein Spieler pro Runde Bischof bzw. Hauptmann werden kann – bei einem Gleichstand auf der entsprechenden Leiste wird es übrigens niemand. Dadurch ist es schon auch wichtig, sich nicht nur auf seine eigenen Projekte zu konzentrieren, sondern auch zu schauen, was die Mitspieler so vorhaben, um ihnen unter Umständen das Fertigstellen des ein oder anderen Projektes zumindest zu erschweren. 

Schließlich lässt sich positiv hervorheben, dass es eine Solo-Variante gibt, die ganz gut funktioniert, wobei hier der Glückfaktor beim Würfeln für den Geisterspieler, Papst Sixtus VI, stärker gewichtet ist und ein erfolgreiches Abschneiden deutlich erleichtern oder erschweren kann.


Die Aufgabe, ein relativ komplexes Ressourcenmanagement-Spiel im Roll&Write-Format auf einen übersichtlichen Spielerbogen zu zaubern, ist mit Sicherheit nicht die einfachste, und ich würde sagen, dass es den Herausgebern nicht allzu gut geglückt ist. Vor allem in der ersten Partie kennt man sich nicht wirklich aus und fühlt sich ein wenig verloren und dezent erschlagen von Symbolen und Kästchen. Und beim Wenden des Spielerbogens ändert sich an diesem Eindruck nicht sonderlich viel, denn auch die Übersicht der Gebäudekosten und -effekte ist zwar im Grunde recht übersichtlich, zu Beginn aber doch recht erschlagend, zumal auch die Symbolik der Effekte nicht sehr intuitiv ist. Selbstverständlich kennt man sich von Partie zu Partie schnell immer besser aus, doch der Einstieg könnte für einige Spieler doch ein wenig mühsam sein. Zudem sollten sich pure Bauchspieler überlegen, ob ihnen ein fröhliches Herumbauen – ohne Aussichten auf den Sieg – ausreicht, denn in diesem Spiel wird strategisches Denken belohnt, und planlose Spieler werden relativ schnell untergehen. 


Alles in allem ist Florenza: Dice Game vor allem für diejenigen, die Roll & Write-Spiele mögen und Strategie- bzw. Ressourcenmanagement-Spielen gegenüber nicht abgeneigt sind, auf jeden Fall einen Blick wert. Die Spieldauer hält sich in Grenzen und der Wiederspielreiz ist durch die verschiedenen möglichen Strategien und vor allem auch die unterschiedlichen Gebäude gegeben. Florenza: Dice Game ist nicht unser Lieblings-Roll&Write, aber vorm und während des nächsten Italienurlaubs wird es sicherlich mal wieder auf dem Tisch landen. Ich wünsche euch jedenfalls viel Spaß beim Würfeln, Denken und Bauen!

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Florenz Dice Game von Danilo Festa und Stefano Groppi 
Erschienen bei Post Scriptum
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 60 Minuten ab 12 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Post Scriptum)