Dungeoncrawler in Brettspielform gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Besonders beliebt ist dieses Spielprinzip, da es, ähnlich einem Rollenspiel, Charakterentwicklung und oft eine Geschichte bietet, die uns auf eine Reise mitnehmen. Wir sehen unseren Helden dabei zu, wie sie stärker werden und den Loot einheimsen, den die gefallenen Gegner liegen lassen. Die großen Dungeoncrawler wie Descent, holen dabei gerne weit aus und manifestieren sich in festen Spielgruppen, deren Partien über mehrere Spielabende gehen. Mit 5-Minute Dungeon oder One Deck Dungeon gibt es auch Ableger des Genres, die ein Dungeoncrawl Gefühl in wenigen Spielminuten vermitteln. Dieses besagte „Dungeoncrawl Gefühl“ entsteht, wenn das Spiel die folgenden 3 Mechaniken bietet:
1. Jeder Spielt einen Helden mit individuellen Fähigkeiten.
2. Fast alles im Dungeon, wie Gegner, Loot oder Räume, ist zufallsbasiert, sodass man nicht weiß, was hinter der nächsten Ecke lauert.
3. Und die wichtigste Mechanik: Die Helden können durch Loot oder durchs aufleveln stärker werden und noch mächtigere Gegner für noch besseren Loot erlegen.
HeroQuest ist mutmaßlich der Urvater aller analogen Dungeoncrawler. Damals noch revolutionär, ist HeroQuest heute nur noch bei Nostalgikern beliebt und wurde spätestens von Descent um Meilen überrundet. Seitdem kamen weitere Genrevertreter die ihrerseits Meilensteine legten. Gloomhaven ist hier wohl der berühmteste Vertreter. Und nun versucht sich Sanctum einen Platz unter den Top-Titeln zu verschaffen, indem es eine revolutionäre Mechanik in puncto Loot und Levelsystem mitsichbringt. Ob das gelingt oder es etwas mehr braucht als nur eine gute Idee?
Auch in Sanctum schnappen sich bis zu vier Spieler einen individuellen Helden oder Heldin und stürzen sich ins Gefecht gegen Dämonen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Sanctum sich rein optisch am Videospielklassiker Diablo orientiert. Dies fängt bei der Verpackung an und endet beim berühmten roten und blauen Trank. Um die Zielgruppe, die hier angelockt werden soll, wird offensichtlich kein Geheimnis gemacht.
Im Gegensatz zu vielen anderen Dungeoncrawlern, ist Sanctum nicht kooperativ. Es ist eher eine Art Rennen um den ersten Platz beim Boss Dämonen. Es gibt auch keine zufälligen Kartenteile, die nach und nach das Spielfeld bilden, sondern einen vorgegebenen Pfad, auf dem die Helden hintereinanderlaufen. Auf diesem Pfad tauchen dann Monster auf, die die Helden der Reihe nach besiegen können. Dazu entscheidet sich der Held an der Spitze ein Monsterpaar vom Spielbrett auf sein persönliches Tableau zu legen und es zu bekämpfen. Ein Kampf in Sanctum wird durch Würfel entschieden, die durch das Ausgeben von blauen bzw. roten Kristallen manipuliert werden können. Dazu schiebt der Spieler die Kristalle aus seinem Vorrat auf die jeweilige Kampffähigkeit seines Helden. Die Monster haben dabei keine Lebenspunkte, sondern müssen durch bestimmte Augenzahlen besiegt werden. Schafft man es nicht die gewünschte Augenzahl zu erreichen, erleidet der Held Schaden und die Monster bleiben weiterhin auf dem Tableau liegen. Schafft man es hingegen ein Monster zu erlegen, passieren gleich zwei Dinge. Erstens, wird die Monsterkarte umgedreht und der Loot auf der Kartenrückseite wird sichtbar und in den Beutel gesteckt. Zweitens, darf man auf einem separaten Tableau, auf dem die Sonderfähigkeiten des Helden erlevelt werden können, Kristalle verschieben und sich so nach und nach diese Fähigkeiten Freischalten. Welche und wie viele Kristalle man verschieben darf, hängt dabei von der Stärke des soeben besiegten Monsters ab. Landen die verschobenen Kristalle dann irgendwann auf dem Kristall-Pool Feld, dürfen diese dazu benutzt werden, um sich die ergatterte Rüstung anzulegen.
Wenn man nicht mehr kämpfen kann oder möchte, kann man in seinem Zug auch rasten. Dadurch regeneriert sich der Held und darf sich alle blauen und roten Kristalle, die zuvor für die Würfelmanipulation eingesetzt wurden, wieder in seinen Vorrat legen. Alternativ kann er einen Trank benutzen.
Das Monsterkloppen geht so lange weiter, bis alle Spieler den Endboss erreicht haben. Hier verändert sich das Spielgeschehen etwas, da jetzt jeder Held für sich alleine einen Pfad bestreiten muss. Dieser Pfad wird durch die Bosskarten gebildet, die hauptsächlich Schaden verursachen, Rüstung zerstören oder andere Mali mit sich bringen. Wer diese finale Schlacht mit dem meisten Leben überlebt, gewinnt.
Das Level-/Lootsystem in Sanctum ist eine Wucht. Was sich der Designer Filip Neduk hier hat einfallen lassen, ist revolutionär. Das Töten der Monster hat unmittelbare Folgen für die eigene Kampfstärke, indem es auf elegante Art gleich mehrere Effekte gleichzeitig auslöst. Ich töte das Monster, drehe die Karte um und sehe, welchen Loot es mir bringt. Gleichzeitig darf ich dadurch Fähigkeiten skillen, die wiederrum Kristalle freigeben, mit denen ich den Loot anlegen kann. Man merkt deutlich, dass man stärker wird und die seltenen Ausrüstungsgegenstände sowie das grandiose Artwork, tragen ihr restliches zum Diablo-Feeling bei.
Leider bleibt nach wenigen Partien, kaum noch etwas von diesem Zauber übrig. Das liegt hauptsächlich am restlichen Spiel. Der Spielplan bietet kaum Freiheiten in puncto individuellen Pfad. Alle laufen wie Lemminge hintereinander her und versuchen sich die wertvollsten Monster zu schnappen. Das epische Auflevel-Spiel, das sich auf meinem Helden-Tableau abspielt, stellt das eigentliche Spiel in den Schatten. Ich gestalte mir zwar einen starken Helden, der sich durch seine Ausrüstung und Fähigkeiten von den anderen deutlich unterscheidet, andere Freiheiten als meine Mitspieler habe ich dadurch aber nicht wirklich.
Am Ende landen wir alle beim selben Boss, der nach unserem ersten Sieg gegen ihn nur noch blass wirkt und keinen Anreiz schafft ihn erneut zu besiegen.
Was bleibt am Ende des Tages also von Sanctum übrig? Ganz klar das Level-/Lootsystem. Dieses Spiel schreit förmlich nach einer Erweiterung, die den Spielern eine offenere Welt mit mehr Entscheidungsfreiraum geben soll, denn es ist enorm viel Potential vorhanden, welches leider zunächst verschenkt wurde. Bitte CGE, macht dies möglich.
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Erschienen bei Heidelbär Games
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 90 Minuten ab 12 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Heidelbär Games)