Vast: Die Kristallhöhlen revolutionierte seinerzeit das asymmetrische Spielgeschehen, indem es die Spieler in so dermaßen unterschiedliche Rollen schlüpfen ließ, dass man nur noch staunen konnte; Neben typischen Charakteren wie Rittern und Drachen, konnte man auch in die Rolle der Höhle schlüpfen. Dies bot eine noch nie da gewesen Perspektive und ein einzigartiges Spielerlebnis. Seitdem blieb sich Leder Games dieser ausgefallenen Art treu und veröffentlichte weitere Vast Ableger bzw. mit Root einen asymmetrischen Abstecher in die Welt der Waldbewohner.
Auch Vast: The Mysterious Manor tanzt nicht aus der Reihe und befördert uns in eine verlassene Villa, die von Spinnen, Geistern und Skeletten bewohnt wird. Der Paladin möchte dem ganzen Spuk ein Ende setzen, die Villa hat jedoch ihre ganz eigenen Interessen im Sinn.
Bis zu fünf Spieler dürfen in Vast: The Mysterious Manor in die Rollen der Pro- und Antagonisten schlüpfen und ihre ganz persönlichen Ziele verfolgen: Der Paladin ist ein heiliger Schwertkrieger und auf der Jagd nach der Spinne. Er ist schnell, stark und schreitet durch die Villa ohne Furcht und Schrecken, wären da nicht die nervigen Skelette. Die Untoten Krieger wollen dem Paladin an die Kehle, vermutlich, weil genau dieser sie vor etlichen Jahren in die ewigen Abgründe sandte. Die Skelette kommen stets in Horden, finden Ausrüstung und werden mit der Zeit gefährlicher. Außerdem können sie jederzeit aus dem Unterholz auftauchen und so Überraschungsangriffe starten. Da sie jedoch nur noch aus Knochen bestehen, halten sie nicht wirklich viel aus. Die Spinne, die eigentlich nur aus der Villa verschwinden möchte, ist der vielfältigste Charakter von allen. Dank ihrer Zauberkräfte, kann sie drei verschiedene Formen annehmen: Die Hexenform, die Form der Riesenspinne oder in viele kleine Babyspinnen explodieren, die sich weiträumig in der Villa verteilen. Die Villa hingegen hat die Schnauze voll vom Herumtreiben der nervigen Bewohner die sich ungefragt Zutritt verschafft haben und möchte diese nun dafür bestrafen und für immer einsperren. Sie bewegt Plättchen, versperrt Wege und terrorisiert die Eindringlinge mit dem mächtigen Gespenst. Der letzte Mitstreiter der Runde ist der Hexenmeister. Er möchte die anderen mit Schatzkisten in die Falle locken und dann ihre Gedanken aussaugen. Gleichzeitig möchte er aber auch jegliche direkte Konfrontation vermeiden.
Jede Rolle spielt sich vollkommen unterschiedlich, hat ein eigenes Set an Karten, Miniaturen und Spielplänen. So soll nicht nur viel Abwechslung ins Spielgeschehen gebracht werden, sondern auch für jeden Spieler etwas nach seinem Gusto dabei sein. Der Paladin spielt sich wie eine Figur aus einem 0815 Dungeon Crawler. Er wird mit der Zeit stärker und teilt mehr aus. Die Skelettarmee muss strategisch Vorgehen und durch Stellungsspiel den Paladin austricksen. Die Spinne mag zwar komplex erscheinen, spielt sich aber sehr flexibel und muss Situationsabhängig agieren und reagieren. Wer die Villa spielt, versucht eine Art dynamisches Puzzle zu lösen und muss den Spielern die Wege versperren und in die Enge drängen. Der Hexenmeister spielt eine Art Fallenleger, der es gleichzeitig schaffen muss den anderen aus dem Weg zu gehen. Ähnlich wie die Villa, muss er vorhersehen können was die anderen als nächstes tun, sie anlocken und dann zuschlagen.
Gewonnen hat derjenige, der sein Ziel als erstes erfüllt hat.
Zunächst einmal möchte ich die Komponentenqualität und das Grafikdesign von Vast: The Mysterious Manor loben. Leder Games bleibt sich seinem Zeichenstil treu und nimmt sich durch seinen charmanten Comiclook nicht allzu ernst, was dem Spiel einen sehr symphytischen Stil gibt. Die Miniaturen haben alle eine gute Qualität und sind vielfältig.
Wer bereits andere Vast Ableger oder Root gespielt hat, wird wissen wie regel- und zeitintensiv diese Spiele sind. Neben den allgemeingültigen Spielregeln, muss jede Rolle und ihre Eigenheiten und Auswirkungen auf die Spielwelt gemeistert werden. Dies verlangt sehr viel Zeit und eine konstante Spielgruppe, die bereit ist diese nur für das Erlernen der Spielregeln zu opfern. Ihr müsst euch darauf einstellen, dass es erst bei der dritten oder gar vierten Partie zu einem richtigen „Spielen“ kommt und alle Einladungen an eure Freunde bis dahin nicht „heute spielen wir Vast“, sondern „heute lernen wir Vast“ lauten werden. Das kann sehr frustrierend sein und für viel Kopfzerbrechen sorgen, vor allem dann, wenn, wie im Fall von Vast: The Mysterious Manor das Regelwerk eher schlecht als recht gestaltet ist. Viele Regeln werden erst in Beispielen erläutert und man muss unbedingt das Internet und den offiziellen FAQ thread zu Rate ziehen um wirklich alles zu verstehen. Die Ironie dabei ist, dass ganz am Anfang des Regelhefts steht, man solle nicht einfach etwas annehmen sondern sich genau an das Regelwerk halten.
Wer bereit ist wirklich viel Zeit und Hirnschmalz in das Erlernen der Regeln zu investieren und mindestens zwei weitere Personen findet, die bereit sind selbiges zu tun, wird definitiv mit einem einzigartigen Spielerlebnis belohnt. Einzigartig bedeutet in diesem Fall aber nicht unbedingt spaßig. Denn das was am Ende des Tages von Vast: The Mysterious Manor übrigbleibt, ist ein durchschnittliches Spiel, das es zwar mit Bravour schafft viele Genres miteinander zu vereinen, aber darüber hinaus durch nichts Anderes bestechen kann. Wir hatten wirklich erhofft irgendwann einen „AHA“ Moment zu bekommen und vom Spiel für all die Mühen belohnt zu werden. Stattdessen erwischten wir uns immer wieder dabei, wie wir Regeln nachschlugen, zu viel über diese diskutierten um am Spielende festzustellen, dass wieder etwas nicht regelkonformes getan zu haben. Dies war auf Dauer leider zu frustrierend.
Ich hätte Vast: The Mysterious Manor wirklich gerne gemocht und habe mir auch viel versprochen, weil die Idee des Spiels einfach cool ist. Wäre die Anleitung um ein paar Seiten dicker und ausführlicher, sähe die Sache sicherlich anders aus.
Ich bin jedoch überzeugt, dass es da draußen Spielgruppen gibt, die mit diesem Spiel glücklich werden, vor allem, wenn sie bereits andere Leder Games Spiele gespielt haben und wissen, was sie erwartet.
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Erschienen bei Leder Games
Für 1 bis 5 Spieler in ca. 60 Minuten
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Leder Games)