Dass wir bald eine neue Erde brauchen, scheint immer mehr bittere Realität zu werden. Doch wenn wir dann endlich einen neuen Planeten gefunden haben, werden wir es dann endlich schaffen unseren Egoismus, Ideologie und Kriege zu vergessen und endlich in Frieden, Harmonie und Kooperation zusammenleben?
Doch zu aller erst müssen wir einmal grundlegende Fragen klären, wie ‘wer baut die Rakete, die uns zu den Sternen bringt?‘, ‘Wer wird mitfliegen dürfen, wenn die Plätze nur begrenzt sind?‘ und ‘Wie werden diejenigen reagieren, die auf der Erde zurückbleiben?‘. All diese Fragen werden bei einer Partie We’re Doomed beantwortet.
We’re Doomed spielt sich mit bis zu 10 Spielern, die allesamt eine, in ihrer Ideologie verschiedene, Elite repräsentieren, die Demokraten, Theokraten, Autokraten, Technokraten und Vertreter des Korporatismus. Gemeinsam müssen sie innerhalb von 15 Minuten eine Rakete bauen, indem sie Ressourcen produzieren und der Gemeinschaft zur Verfügung stellen, in Aktion bedeutet das, weiße Plättchen greifen und in die Spielschachtel schmeißen.
Der Clou hierbei ist, dass die Anzahl der produzierten Ressourcen die Raketengröße und damit die Anzahl an Sitzplätzen in dieser bestimmt. Werden 130 Plättchen gesammelt, dürfen alle mitfliegen, liegen nach 15 Minuten nur 40 Ressourcen in der Schachtel, darf nur einer die sterbende Erde verlassen, während die anderen zurückbleiben müssen. Wer der Glückliche ist, entscheidet die Anzahl seiner gesammelten schwarzen Plättchen, die seinen Einfluss repräsentieren.
Alle Spieler dürfen in ihrem Zug, nacheinander und im Uhrzeigersinn, lediglich eine der folgenden fünf Aktionen ausführen:
1. Produzieren – Zwei weiße Plättchen schnappen und vor sich auslegen.
2. Indoktrinieren – Ein schwarzes Plättchen schnappen und vor sich auslegen.
3. Propagieren – Eine Ressource ausgeben, um von einem anderen Einflussplättchen zu stehlen.
4. Einfallen – Ein Einflussplättchen abgeben, um zwei Ressourcen zu stehlen.
5. ‘Nuken‘ – Acht Ressourcen ausgeben, um einen Spieler zu eliminieren.
Jede Ideologie bietet dabei einen individuellen Vorteil; die Technokraten produzieren beispielsweise drei Ressourcen und die Demokraten dürfen kostenlos Einfallen etc. Nachdem jeder einmal an der Reihe war, dürfen alle laut herausposaunen, wie viele Ressourcen sie zum Projekt beitragen möchten und diese dann in die Box legen.
Nun könnte man meinen, dass es doch wohl möglich sein sollte, innerhalb der 15 Minuten genug Ressourcen zu sammeln um alle mitfliegen lassen zu können. Dafür muss jeder in seiner Runde einfach nur Produzieren und alles in die Box schmeißen. Das stimmt auch, wären da nicht die folgenden zwei Stolpersteine. Zum einen muss jede Ressource aus einem Beutel gezogen werden, was extrem fummelig werden kann und dadurch Zeit kostet. Generell braucht jede Aktion, Entscheidung und Überlegung Zeit und dass diese kostbar ist, gibt euch die omnipräsente Sanduhr zu verstehen, die in ihren überdimensionalen Ausmaßen, wie ein drohender Wächter das Spielgeschehen überblickt. Zum anderen sind da die bösen Am Anfang einer Spielrunde, zieht der Startspieler die oberste Karte vom Ereignisstapel und liest sie laut vor, wenn es sich um eine weiße Karte handelt, oder leise für sich, wenn sie schwarz ist. Aus spoilertechnischen Gründen verrate ich nicht, was auf diesen Karten steht, nur so viel sei gesagt: Das Spiel schafft es mit Bravour einen Keil zwischen die Spieler zu treiben und die unschönen Seiten des Menschen zum Vorschein zu bringen.
We’re Doomed ist nicht wirklich ein Spiel, sondern viel mehr ein soziales Projekt, was ich bisher so noch nie erleben durfte. Ich würde es in die Social Deduction Reihe einordnen, wobei das Spiel eher einem Gedankenexperiment ähnelt als sagen wir mal Werwölfe oder The Resistance. Was euch bewusst sein muss: Das Spiel lebt von seinen Spielern. Das bedeutet, dass das Spiel euch, abgesehen von den Schicksalskarten, nicht vorschreibt, was ihr zu tun habt und vor allem wie. Ihr dürft sogar lügen und betrügen. Das heißt aber auch, dass jeder Spieler sich definitiv auf ein kleines Rollenspiel einlassen und das Ziel, am Ende in der Rakete sitzen zu können, zu seinem obersten Gebot machen muss. Man wird viel Diskutieren, Streiten und unter Zeitdruck Entscheidungen treffen müssen, oder auch einfach nur schweigen und Handeln, wie im wahren Leben auch. In unserer Spielrunde kam We’re Doomed sehr gut an. Das lag hauptsächlich am Thema, das einen tatsächlich sofort packt und bis zum Schluss nicht loslässt. Das vorgegebene Ziel schien so einfach zu sein und doch stellte sich unser Egoismus ständig in den Weg und führte dazu, dass am Ende immer nur einer in der Rakete saß, während sich die anderen aus Taktik, Not oder einfach nur aus Neid heraus gegenseitig töteten. Ihr werdet merken, wie kurz 15 Minuten sein können und mehr über eure Freunde erfahren als euch vielleicht lieb ist.
Wer auf ein einzigartiges Spielerlebnis, einfach Regeln und einen Haufen Spaß steht, sollte We’re Doomed definitiv eine Chance geben.
Eines meiner Highlights aus 2019!
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Breaking Games)