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15.11.2019

Tudor


Lange, lange Zeit, bevor mit Game of Thrones der Serienwahnsinn zeigte, wie spannend höfische Intrigen doch sein können und wie hinterhältig so manche machtbesessenen Persönlichkeiten jede sich bietende Chance nutzen, ihren Widersachern einen Dolch zwischen die Schulterblätter zu rammen, zeigte bereits eine ganz andere Serie – und das sogar vor einem realen Hintergrund – ebensolches bereits eindrucksvoll auf. Die Rede ist natürlich von den Tudors und ja, zugegeben, ganz so lange Zeit liegt nicht zwischen dem Ende von Tudors und dem Anfang von GoT (genaugenommen sogar nur ein einziges Jahr und die deutsche Free-TV-Premiere der letzten Folge Tudors lag sogar nach der ersten Folge GoT, aber sei’s drum) und jaa…die Tudors waren nicht mal halb so konsequent grausam und sexistisch wie GoT…aber es könnte wunderbar als guter Einstieg ins Thema dienen.

Die Serie beginnt mit der Inthronisierung Heinrichs des VIII. und endet mit dessen Tod. Und auf diesem langen Weg begegnen und alle seine sechs Ehefrauen samt ihren jeweiligen Schicksalen.


Was das alles nun mit GoT zu tun hat? Na ja, immerhin spielt Natalie Dormer in beiden Serien eine nicht ganz unwichtige Rolle…ach nee…ihr wollt sicherlich wissen, was das alles mit dem Brettspiel von Jan Kirschner zu tun hat. Nun ja, wenn wir ehrlich sind ist der Titel ähnlich und auch im Spiel kommen die sechs Frauen Heinrichs des VIII. (als Rundenzähler!) vor…aber dann war’s das auch schon. Das Setting selbst hätte man auch anderweitig verpacken können. Das ist einerseits schade, da ich thematische Spiele durchaus mag, andererseits ist es aber auch nicht schlimm, denn letztlich kommt es ja auf die Mechaniken und den Spielspaß an. 

Aber genug der warmen Worte, ran ans Eingemachte: Schnappt man sich die Packung von Tudor ist man erstmal überrascht, welches Gewicht die Packung auf die Beine stellt. Ein Blick in die Packung zeigt dann auch schnell, wo dieses Gewicht herkommt: Es steckt viel drin! Leider gibt es zu dem Spiel auch schicke Plastik-Miniaturen, die aber gesondert erworben werden müssen. Zum Spielen selbst sind sie zwar nicht erforderlich, denn Holz tut‘s ja bekanntlich auch. Aber irgendwie hat man nun doch das Gefühl, dass das Spiel nicht vollständig ist….aber nun gut, das liegt ja voll im Trend und ist sowas wie der DLC bei den Brettspielen geworden. Mal schauen, wann es den Season Pass gibt; aber ich schweife ab….


Worum geht es bei Tudor also? Um nichts geringeres als Macht bzw. genau genommen um Prestige! Im Spiel gibt es fünf verschiedene Staatskünste, jeweils gekennzeichnet durch ein bestimmtes Symbol sowie eine Farbe. Zu jeder Staatskunst gibt es Ringe und Karten. Jeder Spieler beginnt mit zwei Ringen und jeweils einer passenden Karte zu jedem Ring. Die Ringe selbst werden auf die Sichtschirme gesteckt, die eine Hand darstellen. Doch Vorsicht! Die Auswahl der Finger ist entscheidend(dazu aber gleich mehr). Und schon geht es los: Je nach ausliegender Situationenkarte werden Reihum eigene Höflinge (die eben angesprochenen Holz-Meeples) an die Warteschlangen der Audienzräume auf dem Spielplan eingesetzt. Wurden alle platziert marschieren sie in die Audienzräume und verdrängen dortige Höflinge. Als nächstes setzen die Spieler ihre Lords in die Audienzräume und zu guter Letzt folgt die Aktionsphase. Jeder Audienzraum bietet nämlich 2 mögliche Aktionen an. Pro Höfling darf man eine dieser Aktionen ausführen, aber nur, wenn sich ein Lord im gleichen Raum befindet. Ist kein Lord vorhanden, verfallen diese Aktionen also ersatzlos. Ein Lord wiederrum darf beide Aktionen in beliebiger Reihenfolge ausführen. Schönes Detail am Rande: rücken in einen Raum keine Höflinge nach, bleiben die dortigen wo sie sind. Taktisch bringt das allein schon eine Menge Potenzial mit sich, was durch das Einsetzen der Lords natürlich noch verstärkt wird.


Die Aktionen teilen sich dabei grundsätzlich in drei Arten auf: Bewegung, Karten erhalten, Sonderaktionen.
Mit Bewegungen bewegt man Höflinge (die dort dann aber Familienmitglieder heißen) auf den Hierarchieebenen des Thronsaals hoch und runter, nach links oder rechts. Hierbei sammelt man immer pro Feld ein Staatskunstplättchen auf und auf dem Zielfeld winkt dann sogar ein Einfluss- oder Intrigenmarker, sofern noch einer da ist. Kommt ein Familienmitglied oben in einer Spalte an, erhält man das entsprechende Amt, also (ihr ahnt es) den entsprechenden Ring. Diesen behält man auch, bis man durch ein gegnerisches Familienmitglied wieder – im wahrsten Sinne des Wortes – aus dem Amt geschubst wird. Mit Sonderaktionen darf man grundsätzlich seine Figuren auch mit Staatskunstplättchen bewegen oder 2:1 Karten tauschen. Weitere Sonderaktionen kommen mit den Situationenkarten (quasi das Setting für diese Partie) hinzu. Diese Situationenkarten regeln auch, wie viele Höflinge pro Runde gesetzt werden dürfen, wie viele Runden insgesamt gespielt wird und ob es Sofortaktionen gibt, die quasi automatisch bei bestimmten Situationen im Spielverlauf genutzt werden können. Die Staatskunstkarten werden ebenfalls für Bewegungen benötigt, sofern man es nicht in einen Audienzraum mit Lord geschafft hat („Ausweichaktionen“). 


Die Position der Ringe auf der eigenen Hand verstärken die Aktionen der Audienzräume weiterhin. Beispiel: Die Aktion A im 1. Audienzraum besagt, dass man einen Familienangehörigen um ein Feld in eine beliebige Richtung verschieben darf, wenn das dort liegende Plättchen einer Staatskunst entspricht, von der man einen Ring besitzt. Hat man aber einen Ring auf jedem der mittleren drei Finger sitzen, darf man sich auch auf Felder bewegen, deren entsprechenden Ring man nicht besitzt. Die Reihenfolge der eigenen Ringe darf man jedoch nur ändern, wenn man einen Ring dazubekommt oder verliert. Sonst nicht.

Haben alle ihre Aktionen durchgeführt wird der Rundenmarker (ein Bilderrahmen rund um die Portraits der Frauen Heinrichs des VIII.) ein Feld weitergeschoben und es geht von vorne los. Davor werden aber alle Staatskunstplättchen, die die Spieler gesammelt haben, aus dem Spiel entfernt und es wird evtl. gewertet. Ha! Eine Wertung! Wie bekommt man denn nun Macht äh Prestige? Nun, das ist von Spiel zu Spiel anders und wird zu Spielbeginn mit den beiden Wertungskarten festgelegt. Vier verschiedene Wege gibt es, um Prestige zu erhalten und je zwei davon wirken in einer Partie. Während die eine Variante Punkte während des Spielens verteilt, gibt es bei der anderen die Punkte nach jeder Runde oder sogar erst am Spielende. 


Dies erhöht natürlich – erst recht zusammen mit den Situationskarten, von denen es drei gibt - den Wiederspielwert des Ganzen deutlich, da je nach Wertungskartenkombi völlig andere Taktiken gefragt sind und je nach Situationskarte andere Sonderaktionen möglich sind. Im Kern hätte ich mir hiervon aber ehrlich gesagt noch ein paar Varianten mehr gewünscht, aber das ist vermutlich etwas für den Season Pass…Aber, wenn wir ganz ehrlich sind: Viele Eurogames bieten genau diese Möglichkeit – ein und das selbe Spiel auf verschiedene Art und Weise zu spielen – nicht. Und so ist das hier nur Meckern auf hohem Niveau.

Ein hoher Wiederspielwert ist natürlich kein Selbstzweck, so dass die Frage im Raum stehen dürfte, ob man Tudor denn überhaupt ein zweites, drittes, viertes, fünfzigstes Mal spielen will!? Denn schließlich hört sich das ganze durchaus komplex und umfassend an und ist bestimmt abendfüllend, so dass man gar nicht umhin kommt, das Spiel nur selten mal auf den Tisch zu bringen. Doch genau da kommt ein genialer Kunstgriff zum Tragen: Eine Partie Tudor ist nämlich – trotz der durchaus nicht ganz einfachen Regeln (die letztlich lange erklärt, aber schnell verinnerlicht und daher gar nicht so komplex sind) – schneller vorbei als eine Doppelfolge Game of Thrones – oder eben von der gleichnamigen Serie. Und hat man die Regeln nach der ersten Partie erstmal so wirklich verstanden, spielt man auch schnell mal ein anschließendes Ründchen. Von langatmigem Workerplacement mit ewigem Taktieren also keine Spur, sondern eher ein (auch was die Spielzeit angeht) sehr familientaugliches Eurogame, dass aber trotzdem nichts für die jüngsten Kids der Familie ist (zumal sie mit dem Setting eh nichts anfangen können und die einzelnen Symbole mitunter nicht intuitiv zu verstehen sind). Vielmehr dient es sehr gut als Einstieg für Teenies in das Thema der etwas komplexeren Brettspiele, wenn (die Siedler von) Catan ausgedient haben. Aber ich würde trotz allem durchaus behaupten, dass auch die Altherrenrunde großen Spaß dran haben dürfte. 


Zu guter Letzt sei noch gesagt, dass im Spiel, da es im Kern also ein typisches Eurogame ist, das Thema (leider) keine wirklich tragende Rolle spielt. Das Design ist durchweg schick und stimmig, aber letztlich könnte es halt auch „Borgia“, „Grimaldi“, „Karolinger“, oder einer der andere Adelsdynastien der Welt sein (ohne die Portraits, versteht sich), deren Name auf die Packung gedruckt wurde. Aber sei’s drum. Hauptsache es macht Spaß, und das tut es!


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Tudor von Jan Kirschner
Erschienen bei Corax
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 120 Minuten

sämtliche Bilder sind von www.boardgamegeek oder dem jeweiligen Verlag (hier Corax)