Nanty Narking ist definitiv ein Hingucker. Bereits auf Kickstarter hatte das „neue“ Spiel von Martin Wallace meine volle Aufmerksamkeit. „Neu“ insofern, als dass Nanty Narking ein Re-Theme des beliebten Spiels Discworld: Ankh-Morpork ist – mit vereinzelten Änderungen.
Wie es sich für ein erfolgreiches Kickstarterprojekt gehört, besticht Nanty Narking mit wundervoller Optik und opulent ausgestattetem Material. Man könnte es auch „dezent überproduziert“ nennen, aber in Zeiten von Tapestry und dem 1001sten Miniaturen-Kampagnen-Klopper wirkt die Ausstattung von Nanty Narking zwar großartig, aber auch irgendwie gewohnt. Viele Miniaturen und Gebäude in unterschiedlichen Posen und Bauweisen (Funktion gleich), unterschiedlichstes Artwork und einen düsteren Look, setzen Nanty Narking welches im viktorianischen England angesiedelt ist, fast künstlerisch in Szene.
Thematisch betrachtet übernehmen wir die Rollen von teils historischen, teils fiktiven Charakteren aus der literarischen Welt von Dickens und Doyle (Sherlock Holmes, Moriarty etc.) und versuchen unsere ganz individuellen Pläne zu verwirklichen. Dabei besteht die Kunst heraus zu finden, welcher Spieler am Tisch, welche Rolle innehat, den selbige sind während des gesamten Spiels verdeckt. Wie es sich aber in einem solchen Spiel gehört, sind die Siegbedingungen der einzelnen Rollen teils gegenläufig und nur selten parallel verlaufend, sodass sich in einer Partie Nanty Narking stets eine Mischung aus ungewollter Kooperation und dann wiederum aggressivem Gegeneinanderspielen entwickelt.
Die Regeln in Nanty Narking sind dabei verblüffend simpel. Ich spiele eine meiner Handkarten und führe das aus, was auf ihr steht. Grundmechanismen, die dabei immer wieder auftauchen, sind das Setzen von Agenten in Stadtbezirke, das Bauen von Gebäuden und das Erwirtschaften von Geld. Die restlichen Aktionen sind höchst unterschiedlich und zahlreich, zielen aber nicht selten auf die aufgedruckten Kartentexte ab, die das Spiel in unterschiedlichste Richtungen lenken und biegen können.
Der Reiz bei Nanty Narking besteht einerseits in den äußerst schnellen Zügen. Karte ausspielen, Aktionen ausführen, Karte nachziehen und andererseits im gemeinschaftlichen Beobachten der Gegenspieler. Bereits nach wenigen Zügen muss man nicht nur seine eigene Agenda verfolgen, sondern auch versuchen sämtliche anderen Agendas (bei denen nicht alle im Spiel sein müssen) zu verhindern, denn eine Partie Nanty Narking endet, sobald ein Spieler seine Siegbedingung zu Beginn seines eigenen Zuges erfüllen konnte. Muss ich vier Stadtbezirke kontrollieren? Dann sollte ich das besser unauffällig tun, da mich noch x Spieler nach mir versuchen werden davon abzuhalten bzw. mir diese wieder wegzunehmen. Die Kunst eines geübten Spielers bei Nanty Narking besteht demnach darin eine Art „Mühle-Situation“ herbeizuführen, indem ich unterschiedliche Siegbedingungen antäusche, welche nicht alle durch meine Folgespieler verhindert werden können.
Soweit, so spannend. Dieses Spielgefühl mag ich und ist uns allen vom wunderbaren Inis von Matagot (dt. Pegasus) bekannt. Nicht ganz so elegant ist die Mechanik in Nanty Narking aber nicht gelungen, wie bei Inis, denn Nanty Narking hat ein festes Spielende, während sich die „Mühle-Situationen“ in Inis so lange hoch eskalieren, bis das Spiel in einer nicht mehr kontrollierbaren Siegbedingung endet, kommt es bei Nanty Narking garnicht erst soweit, da der Nachziehstapel vorher aufgebraucht ist, was zeitgleich das Spielende einläutet. Problematisch hierbei ist nämlich, dass – sofern die Partie so endet – einer der Charaktere (nämlich Holmes) gewinnt, was in unseren Partien mit vier erfahrenen Spielern fast ausschließlich der Fall war. Wir haben uns quasi selbst neutralisiert. Das ist unbefriedigend. Umso mehr verärgert mich das, wenn es bereits im Vorgängertitel Discworld ähnliche Diskussionen über dieses Problem gab.
Glücklicherweise hat der Verlag aber da Abhilfe geschaffen, indem er alternative Charaktere mit unterschiedlichen Siegbedingungen beigelegt hat - die – auch das Problem mit Sherlock lösen. Die neuen Charaktere schaffen zwar eine ganze Menge neuer Ziele und Bedingungen, die man fortan im Auge behalten muss (Spiel wird anstrengender zu beobachten), aber bieten nunmehr auch für erfahrene Spieler eine Herausforderung. Gut gemacht.
Was bleibt zu Nanty Narking zu abschließend zu sagen? Der Spielreiz ist groß. Es ist wunderbar zu sehen, wie es Martin Wallace immer wieder schafft aus sehr einfachen Regeln eine hohe und interaktive Spieltiefe zu schaffen. Klar ist aber auch, dass man diese sehr konfrontative Art des Spiels mögen muss. Permanent wird ein Agent vom Tisch genommen, ein Gebäude zerstört oder schlimmeres. Nicht selten hatte ein Spieler ab der Mitte einer Partie das Gefühl nicht mehr gewinnen zu können (nicht schlimm bei ca. 45 Minuten Spieldauer). Ein guter Gradmesser, ob Nanty Narking etwas für die heimische Spielerunde wäre, sollte die Frage sein, ob ich vergleichbare Spiele mag bzw. diese bei mir gut ankommen. Das oben genannte Inis wäre da so ein Kandidat.
Braucht man Inis und Nanty Narking in seiner Sammlung? Nein. Die Entscheidung zu welchem Spiel ich greifen sollte, ist eine Frage des Themas. Beide Spiele vermitteln das gleiche Spielgefühl, sind großartig ausgestattet und bedienen dieselbe Zielgruppe.
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Nanty Narking von Martin Wallace
Erschienen bei Phalanx Games
Erschienen bei Phalanx Games
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Phalanx Games)