Piratenspiele haben bei mir einen speziellen Stein im Brett. Ich stehe einfach auf das Thema. Designer Glenn Drover hat ebenfalls einen solchen bei mir. Noch immer steht das alte Age of Empires III Brettspiel bei mir auf der Topliste der Arbeitereinsetzspiele. Wie könnte also Extraordinary Adventures: Pirates kein Erfolg auf ganzer Spur werden?
Extraordinary Adventures: Pirates ist jedoch von der Komplexität kein Vergleich zu den alten Titeln von Herrn Drover. Vielmehr scheint es so, als habe er sich mit seinem Verlag Forbidden Games nunmehr auf Familien- und leichte Kennerspiele fokussiert zu haben. Bei Pirates haben wir es nämlich mit einem locker fluffigen Deckbauer mit Rennelement zu tun, was gut und gerne in unter einer Stunde zu viert runtergespielt werden kann und – so wie ich empfinde – auch mit Kindern ab 10 am Spieletisch zu keinerlei Problemen führen sollte.
Kommen wir nun zunächst erst einmal zum Material und der Optik. Pirates ist ein erfolgreich finanziertes Kickstarterprojekt. Kein Wudner also, dass beim Material nicht gegeizt wurde. Angefangen von der schicken obligatorischen Karibikkarte, über die Schiffsminiaturen und die kleinen Würfelchen für Waren, alles kein Problem. Problematisch hingegen schon ist die Farbwahl bei den Auftrags-/Schatzkarten. Hier werden gelbe, graue, lilane, rote und braune Waren abgebildet, die nicht nur „normale“ Spieler bei schummrigen Licht vor Probleme stellen, sondern schlicht und ergreifend für rot-grün-schwächelnde Spieler kaum bis garnicht zu unterscheiden sind. Das stellt insofern ein erwähnenswertes Problem dar, als dass man in Pirates schnell und problemlos die verschiedenen Waren erkennen muss, da es diese einzusammeln und später einzutauschen gilt. Doof, wenn man dann der festen Meinung wäre, dass man braune Waren sammeln soll, und dann feststellt, dass es doch rote waren.
Was ist denn nun aber Pirates spielerisch? Wir haben es hier mit einem Deckbauer mit Rennelement zu tun. Auf drei Schiffsrouten versuchen wir durch die Karibik zu segeln und unterwegs Waren einzusammeln und Häfen anzusteuern. Das Spiel endet, wenn man einen der Pfade abgefahren hat und in Trinidad angekommen ist. Dann gibt’s Siegpunkte für die Position auf den jeweiligen Tracks und die gesammelten Schätze.
Der Deckbau selbst läuft dabei recht simpel und dennoch interessant ab. Auf unseren Routen haben wir immer wieder die Möglichkeit den kürzesten Weg nach Trinidad zu verlassen und auf dem Umweg Händler zu „überfallen“. „Überfallen“ bedeutet in diesem Fall ganz einfach, dass ich die abgebildeten Waren einsammle. Als Bonus bekomme ich eine neue Karte in mein Deck, da sich die Händler mir „freiwillig“ anschließen. Mache ich noch mehr an Umweg, dann lande ich vielleicht sogar in einem Hafen, in welchem ich Waren in einer bestimmten Kombination in Schätze eintauschen kann, die wiederum Siegpunkte bringen. Als Bonus gibt’s noch mächtigere Karten in mein Deck.
Die Entscheidungen sind simpel. Der bloße Mechanismus in Pirates dass ich Karten aus meinem Deck ausspiele um auf den jeweiligen Routen x Felder vorzurücken, oder Spezialaktionen auf den Karten auszuführen, klingt zunächst langweilig. Die Entscheidung, wann ich aber den kürzesten Weg verlasse, um Waren einzusammeln und wie ich als erster dort hingelange (Waren sind nämlich weg, wenn sie weg sind), ist aber wirklich interessant. Wann lohnt es sich auf einer Route vorzupreschen, wenn es z. B. die farbige Ware auf den restlichen Routen nur noch ganz spät oder vielleicht schon gar nicht mehr gibt? Pirates schafft es hier mit einfachsten Regeln und vereinfachtesten Mechanismen eine spannende Entscheidung zu schaffen. Ein Spielerzug ist dabei meist in 10-20 Sekunden erledigt. Karten ausspielen, Schiffe bewegen, nachziehen. Dabei bleibt das überschattende Rennen nach Trinidad stets spannend.
Neben der Kritik an der Farbwahl empfinde ich auch die Möglichkeit sein Deck „auszudünnen“ als nicht wettbewerbsfähig. Das hängt meiner Meinung nach in erster Linie daran, dass es im gesamten Spiel pro Spieler nur genau eine Karte gibt, die es erlaubt Karten permanent zu zerstören. Eben jene Karte befindet sich aber nicht nur im Startdeck der Spieler, sondern bietet auch die einzige wettbewerbsfähige Laufkarte am Anfang, sodass es extrem schwer fällt, diese nicht für die Laufpunkte, sondern für den Deckausdünner zu nutzen. Am Ende fiel es in meinen Partien zudem nie ins Gewicht, wenn ein Spieler bereits ab der ersten Runde versuchte seine schwächsten Karten zu zerstören. Oft nutzen nämlich auch eben jene schwachen Karten, um die letzten Meter auf einer Halbstrecke zu vollenden (bei Händlern und Häfen verfallen nämlich überschüssige Punkte, weshalb es eben manchmal hilfreich ist, schwache Karten in der Hand zu haben).
Alles in allem macht Pirates aber dennoch fürchterlichen Spaß. Mich faszinieren die extrem schnelle Spielrunde und die quasi nicht vorhandene Downtime. Die Grafik im Disneystil ist über jeden Zweifel erhaben und es bleibt selten bei nur einer einzigen Runde. Arrrrr Revanche! Pirates gehört für mich in jede Familienrunde und kann regelmäßig als Aufwärmspiel (auch in großen Runden) oder auch als Absacker auf den Spielerisch kommen. Empfehlung!
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Extraordinary Adventures: Pirates von Glenn Drover und Don Beyer
Erschienen bei Forbidden Games
Erschienen bei Forbidden Games
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Forbidden Games)