Es gibt Spiele, die fallen einem sofort ins Auge aufgrund ihres doch eigenwilligen Themas und dazu gehört Freshwater Fly von Bellwether Games in der deutschen Lokalisierung von SpieleFaible auf jeden Fall dazu. Denn das Thema ist nichts anderes, als das wir als Spieler Fliegenfischen betreiben! Genau „Fliegenfischen“ nicht „Angeln“, ich hab gehört dass Leuten, die dem Hobby nachkommen diese Unterscheidung wichtig ist. 1-4 Spieler ab 12 Jahren versuchen also mit Hilfe von Fliegenködern auf der Wasseroberfläche, die punkteträchtigsten Fische an Land zu ziehen und müssen dafür sogar an einer Kurbel drehen, ganz wie im echten Leben. Oder?
[AUFBAU]
In die Mitte des Tisches und für alle gut erreichbar kommt das Spielbrett (der Fluss) und zwar mit der Seite nach oben, auf der die Felsen im Wasser vorgedruckt sind (die Rückseite ist für die Solo-Variante). Dann werden die Felsenkarten gemischt und je nach Spieleranzahl eine vorgegebene Anzahl auf die Felsenfelder gelegt. Es folgen die Fischkarten, die ebenfalls gemischt werden und dann mit der Punkteseite nach unten auf dem Fluss verteilt werden, die restlichen kommen oben rechts auf das Spielbrett.
Jeder Spieler erhält ein Rollen-Tableau (Achtung: die sind unterschiedlich!), sowie ein Finesse-Marker und ein Rollenbrems-Marker, die auf das Rollen-Tableau gelegt werden.
Fliegen-Marker kommen in Reichweite und am unteren Rand des Spielbretts werden nun die Flussgrundfelder ausgelegt. Hier gibt es ebenfalls je nach Spieleranzahl eine andere Vorgabe.
Die 60 Larvensteine kommen allesamt in den beiliegenden Stoffbeutel und wir ziehen für jedes Flussgrundfeld die vorgegebene Anzahl an Larvensteine und platzieren diese dort.
Auch die Würfelanzahl ist von der Spielanzahl abhängig, bei 2 oder 3 Spielern nehmen wir 7 Würfel, bei 4 Spielern 9.
Auf dem Spielbrett oben links gibt es noch Felder für die Schwungplättchen, die mit der A-Seite nach oben abgelegt werden, der Wurfmarker kommt ebenfalls aufs Brett und abschließend wird ein Startspieler bestimmt. Nun kann das fröhliche Fischen losgehen.
[ABLAUF]
Nur beim allersten Wurf, darf man sich kostenfrei einen Fliegen-Marker seiner Wahl neben und rechts vom eigenen Rollen-Tableau legen („Fliege an der Schnur befestigen“).
Das Spiel läuft über mehrere Runden, in denen jeder Spieler Züge durchführt. Jeder Zug besteht wiederum aus einer Würfelaktionen und beliebig vielen Bonusaktionen.
Der Startspieler wirft alle verfügbaren Würfel und wählt dann einen für seine Würfelaktion. Hiervon gibt es 3:
Werfen: das Werfen wird in vier Schritten abgehandelt. Zunächst präsentiert man den Köder bzw. die Fliege, dafür stellst du den Wurfmarker auf einen Fisch, welcher in einer Spalte liegt, die der Würfelzahl entspricht. Nun prüft man auf dem Flussgrundplättchen, ob dort ein Larvenstein liegt, welcher die gleiche Farbe hat, wie unser Fliegenmarker.
Ist die Farbe vorhanden wird jetzt eine Fangkarte gezogen. Davon gibt es vier Stück: 3mal kein Fang und 1mal gefangen! Der Spieler links vom aktiven Spieler mischt diese und dreht die oberste um. Kommt die „gefangen“-Karte hast du es geschafft und der Fisch hat zugeschnappt und befindet sich nun an deiner Leine. Dann kommt es zum Anhieb. Du drehst dafür die gewählte Fischkarte um und platzierst je nach Farbe der Karte, den Fisch über den jeweiligen Bereich deines Rollen-Tableaus. Falls sich der Fisch orthogonal neben einer Felsenkarte befand, nimmst du dir noch die oberste Felsenkarte und legst sie neben dein Rollen-Tableau. Bei der Rückseite handelt es sich nämlich um Fertigkeitsaktionen, die ich von nun an verwenden kann. Dann nimmst du dir noch den Larvenstein in der Farbe deines Fliegenmarkers und legst diesen in die Kurbel des Rollen-Tableaus. Die Kurbel wird nun auf das Startfeld gedreht.
Ist kein Larvenstein in deiner Farbe vorhanden oder bei den Fangkarten kommt eine „kein Fang“-Karte, können wir unseren Wurfmarker bis zu zweimal treiben lassen. Dafür bewegen wir den Wurfmarker eine Spalte nach links (diagonal oder gerade) und prüfen ob dort ein passender Larvenstein liegt. Ab dem zweiten Versuch werden dann immer zwei Fangkarten aufgedeckt. Sollte auch nach zweimaligen Treiben kein Fisch anbeißen, endet unser Wurf.
Einholen (Drill): mit dieser Aktion versuchen wir nun den Fisch, welcher sich am Haken befindet, aus dem Wasser zu ziehen. Jeder Fisch hat eine Stärke und diese ziehen wir von der Würfelzahl ab. Unsere Kurbel dürfen wir nun so viele Felder drehen, dass es der Differenz entspricht. Jetzt führen wir die Aktion aus, auf der unsere Kurbel stehen bleibt.
Landet oder passiert die Kurbel das Startfeld, wird der Fisch oberhalb des Rollen-Tableaus ein Feld nach links verschoben. Sollte der Fisch bereits im grünen Bereich liegen, so habt ihr ihn nun erfolgreich aus dem Wasser gezogen. Legt dann die Fischkarte und den Larvenstein in euren Punktebereich.
Das zweite Feld ist das Rollenbrems-Feld. Landet ihr dort, dürft ihr euren Rollenbrems-Marker auf den Fisch legen und dieser verliert somit seine Stärke.
Es folgt das Schwungfeld. Dort dürft ihr euch ein Schwung-Plättchen nehmen und in euren Spielbereich legen. Habt ihr schon eins, könnt ihr dieses umdrehen oder keine Aktion ausführen.
Auf dem +1-Finesse-Feld dürft ihr, wie der Name schon sagt, euren Finesse-Marker um ein Feld nach rechts verschieben.
Zu guter Letzt gibt es noch das Ausdauerfeld. Hier wird auch die Farbe vom Fisch kontrolliert. Ist es ein grüner Fisch, geht die Kurbel sofort ein Feld weiter und ihr habt den Fisch gefangen. Bei einem gelben Fisch, geht ihr ein Feld zurück und bekommt den +1 Finesse Bonus. Und falls es ein schwarzer Fisch ist, passiert nichts.
Finesse +2: Hierbei macht ihr keine der o.g. Aktionen, sondern legt den Würfel einfach beiseite und bewegt euren Finesse-Marker um zwei Felder weiter.
Vor oder nach eurer Würfelaktion, habt ihr Möglichkeiten Bonusaktionen auszuführen. Da gibt es z.B. die Finesse-Aktionen. Für jede dieser Aktionen muss ich meinen Finesse-Marker jeweils um ein Feld nach links bewegen. Die Finesse-Aktionen lassen mich Würfelzahlen ändern, Larvensteine verschieben, eine weitere Fangkarte aufdecken, den Fliegen-Marker ändern (nur wenn kein Fisch an der Schnur ist) oder den Rollenbrems-Marker auf einen Fisch an meiner Schnur legen.
Mit Hilfe der Schwungplättchen kann ich auch die Schwungaktionen vor oder nach der Würfelaktion ausführen. Man darf immer nur maximal ein Schwungplättchen haben, pro Runde darf man auch nur eins einsetzen und nach verwenden kommt es zurück auf das Spielbrett. Auch die Schwungaktionen lassen mich einige Dinge ändern und zumeist kann ich danach in einer bestimmten Spalte meine Schnur auswerfen.
Zu guter Letzt gibt es noch Fertigkeitsaktionen, die wir über die Felsenkarten erhalten. Wenn nicht anders angegeben, darf ich diese Aktion einmal pro Zug vor oder nach der Würfelaktion ausführen. Manche kosten Finesse-Punkte und lassen mich ebenfalls einige Dinge ändern. Diese Fertigkeiten bleiben aber dauerhaft und werden nicht zurückgelegt.
Eine Runde endet wenn der letzte Würfel genommen wurde. Nun zählt jeder die Augenzahlen zusammen von den Würfel, die er genommen hat, der Spieler mit der geringsten Summe wird in der nächsten Runde neuer Startspieler. Achtung: dem Startspieler steht grundsätzlich eine Würfelaktion mehr zur Verfügung. Dann werden alle Flussgrundplättchen eine Spalte nach links verschoben. Vom Plättchen welches links rausfällt, nehmen wir alle Larvensteine weg und legen sie erstmal beiseite. Das leere Plättchen kommt rechts von Spalte 6 und wird mit neuen Larvensteinen bestückt. Die beiseite gelegten Larvensteine kommen erst wieder in den Beutel, wenn dieser leer ist.
Der neue Startspieler würfelt alle Würfel und eine neue Runde beginnt…
Das Spielt endet sobald ein Spieler seinen siebten Fisch gefangen hat, die Runde wird aber noch zu Ende gespielt.
Bei Endwertungen gibt es Punkte für die Fische je nach Aufdruck. Dann gibt es Punkte für Allgemeine Erfolg: 2 Punkte für den Spieler der als erste 7 Fische hatte, für jede Kombi aus grünem, schwarzen und gelben Fisch gibt es 3 Punkte und der Spieler mit den meisten Coho-Lachsen bekommt 6 Punkte.
Dann gibt es auf jedem Rollen-Tableau noch persönliche Erfolg, die bei jedem anders sind. Bestimmt werden diese aber durch vorgegebene Larvensteine, Farbkombinationen der Fische oder Sonderpunkte für bestimmte Fischarten.
Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt das Spiel und hat sich als bester Fliegenfischer bewiesen.
[ERWEITERUNGEN UND VARIANTEN]
Als Beigabe befinden sich noch zwei kleine Mini-Erweiterungen in der Box. So gibt es zum einem zwei neue Schwung-Plättchen unter dem Thema „Trockenfliege“ und zum anderen acht neue Felsenkarten sowie vier alternative Fangkarten, dies wird als „Meisterfischer-Pack“ bezeichnet.
Erwähnen möchte ich auch, dass das Spiel einen umfangreichen Solo-Modus mit sich bringt. Bei diesem simuliert man einen 7tägigen Wettbewerb gegen einen „stillen Angler“ mit vier verschiedenen Flussabschnitten (die Positionierung der Felsen ändert sich). Drei sehr schön aussehende Blankovorlagen sind in der Anleitung enthalten und machen Lust auf eine Solo-Partie. Die Regeln sind nur wenig abgeändert und ziemlich eingängig.
[FAZIT]
Kann Fliegenfischen und/oder Angeln als Brettspiel wirklich Spaß machen? Meine klare Antwort: JA! Freshwater Fly macht Spaß, wenn auch auf eine für mich spezielle Art und Weise. Das Spiel ist nämlich auch weit weg von perfekt und hat einige Mankos, die einen schon stören können. Es mag sich gleich auch schlimmer lesen, als ich es wirklich empfinde, denn ich kann nicht sagen, dass ich die bisher gespielte Zeit als vergeudet betrachte.
Fangen wir also tatsächlich mit den kleinen Mankos des Spiels an. Die Aktionsvielfalt im Laufe des Spiels ist stark eingeschränkt. Liest es sich noch sehr abwechslungsreich, bin ich eigentlich vom Spiel gezwungen bestimmte Aktionen auszuführen, da ich andernfalls gar nicht weiter komme. Ich muss einen Würfel nutzen und versuchen einen Fisch zu fangen und danach MUSS ich versuchen diesen aus dem Wasser zu ziehen. Bis das der Fall ist, muss ich eigentlich immer einen Würfel nehmen und damit die Rolle bewegen. Und so kommt das Gefühl auf, das Spiel spielt einen.
Vorteil: ein Zug ist eigentlich schnell gespielt, denn viel grübeln brauche ich dafür nicht. Grübeln kann ich bei der Auswahl der Position, wo ich die Schnur ins Wasser lasse oder welche Sonderaktionen mir nun am meisten helfen bzw. welche ich mir überhaupt leisten kann.
Der Würfelanteil gefällt mir in dem Spiel eigentlich gut, denn ich kann mit jedem Ergebnis etwas anfangen und es macht Spaß sich zu überlegen, ob ich den Fisch nicht noch zappeln lasse und erstmal meine Finesse verbessere um dann schneller beim Fisch zu sein. Die kleine Glückskomponente wird somit auch recht schnell wieder ausgehebelt, denn man hat eigentlich immer eine Chance zu reagieren, aber auch da kommt das Gefühl auf, man muss teilweise so reagieren, da es sich quasi aufdrängt.
Unrund fühlt sich leider auch der Moment mit den Fangkarten an. Ich kann nachvollziehen warum diese Art gewählt wurde, denn diese Art von „Glück“ lässt sich ebenfalls so ändern, dass man sicher gehen kann den Fisch wirklich an Land zu ziehen. Der Spannungsmoment ist auf jeden Fall toll und man freut sich wie ein kleines Kind, wenn die erste Karte zum Erfolg führt, aber ich glaube mir hätte hier ein „Fangwürfel“ besser gefallen.
Auch die persönlichen Ziele auf jedem Rollenboard find ich eher semi optimal, denn es kam schon vor, dass man z.B. Forellen sammeln soll, dann im Laufe des Spiels gerade mal 1-2 Forellen im Fluss auftauchten. Das führt zu Frust und wenn der Mitspieler dann auch noch Glück hat und seine Fische auftauchen, kann er selbst mit den 1-punkt-Fischen einen deutlichen Vorsprung erhalten. Ich hätte es hier wie bei anderen Spielen gehalten und eine Sonderkarte gewählt, die dann für alle Spieler gilt und bei jeder Partie neu gezogen wird.
Ist die Optik des Spiels sonst wirklich toll geworden und auch das Material absolut hochwertig, so hätte ich mir glaub dennoch ein wenig mehr Abwechslung bei den Fischen selbst gewünscht. Sowohl optisch als auch inhaltlich. Alles andere ist wie gesagt top und nicht zu beanstanden!
Wie ich schon sagte, das klingt negativer als ich es meine. Selten hat ein Spiel ein Thema so gut eingefangen wie Freshwater Fly Man fühlt sich in dem Moment wirklich wie jemanden an einer Angel, der darum ringt diesen Fisch aus dem Wasser zu holen. Mit allen Höhen und Tiefen. Man leidet wenn der gewünschte Fisch nicht anbeißen möchte und daran nichts ändern kann und freut sich wenn man einen punkteträchtigen Fisch relativ schnell an Land ziehen konnte. All das gelingt dem Spiel: Emotion. Die Interaktion beschränkt sich zwar nur auf die Fischwahl, aber das stört in diesem Fall nicht. Angeln ist ja generell etwas solitäres.
Apropos solitär: toll find ich den kleinen Kampagnenmodus für Solo-Spieler. Da hat man sich viel Mühe gegeben und ist wirklich eine Runde Sache. Super!
Das Spiel ist speziell und wird z.T. es schwer haben Leute anzusprechen. Brettspieler werden einen Blick riskieren, allein schon vom Thema her, müssen aber sehen inwiefern manche Sachen störend sind. Passionierte Fliegenfischer und Angler wird man damit auf jeden Fall mal an den Tisch bringen und hey, vielleicht bleiben die dort und schauen sich auch mal was anderes an…
Ich gebe auf jeden Fall eine Empfehlung raus an Sammler von kuriosen Themen und an Fans von Dice Placement und Set Collection. Das Spiel macht vieles richtig, in dem Fall irgendwie schade, dass es nicht noch ein Ticken perfekter ist und für mich dann leider beim gehobenen Mittelfeld stecken bleibt. Es wird die Tage noch weiter auf den Tisch kommen, aber langfristig wird es schwer, aber da kann man auch Abhilfe schaffen…
Also: Petri Heil!
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Freshwater Fly von Brian Suhre
Erschienen bei Spielefaible
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Für 1 bis 4 Spieler in ca. 60 Minuten
Boardgamegeek Link
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Spielefaible)