Die Civilization-Reihe ist der Gaming-Platzhirsch in Sachen, nunja, Zivilisationsspiel. Nirgends sonst lässt sich die Geschichte der Menschheit auf so beeindruckend detaillierte, süchtig machende und anachronistische Art und Weise erleben wie hier. Stunden, Tage und Nächte hat man sich um die Ohren geschlagen um „noch eine und dann noch eine Runde“ zu spielen. Mit Veröffentlichung des sechsten Teils ist auch im Brettspielbereich eine Neuinterpretation angetreten. Wie schlägt sich Sid Meier's Civilization: Ein neues Zeitalter im Vergleich zu seinem – ebenfalls bei Asmodee/Fantasy Flight Games erschienen – Vorgänger?
Zunächst sei gesagt, dass es sich bei https://boardgamegeek.com/boardgame/233247/sid-meiers-civilization-new-dawn um keine Überarbeitung, sondern um ein gänzlich neues Spiel handelt, das – so viel sei hier auch schon verraten – nicht ganz so komplex und zeitintensiv daher kommen möchte. Angelehnt an den neuen Grafikstil von Civilization VI präsentiert sich auch Ein neues Zeitalter in einem leichter zugänglichen Comicstil, der aufgeräumt, aber auf den Karten auch etwas steril wirkt.
Die (Aktions-)Karten sind auch das Herzstück des Spiels: Jeder und jedem der zwei bis vier SpielerInnen stehen zu Beginn dieselben fünf Exemplare zur Verfügung, die offen an die Fokusleiste der SpielerInnen angelegt werden. In einem Zug darf genau eine dieser Karten aktiviert werden: Je weiter rechts die Karte in der Fokusleiste liegt, desto stärker ist ihre Wirkung. Liegt etwa die Wissenschaftskarte bei Aktivierung ganz rechts auf dem fünften Platz, darf man die Technologiestufe um fünf Punkte erhöhen.
Jetzt kommt der Clou: Nach Aktivierung wandert die Karte an den Anfang der Fokusreihe auf Platz 1, während der Rest nach rechts Platz macht. Dadurch sind alle anderen Aktionskarten in ihrer Wirkung etwas stärker geworden. Aus dieser Mechanik ergibt sich im Großen und Ganzen die gesamte Herausforderung des Spiels. Man muss geschickt überlegen, welche Aktionen man in welcher Stärke und vor allem auch in welcher Reihenfolge spielen will, um die eigene Zivilisation möglichst effizient voranzubringen. Wann möchte ich mein Reich mit Kontrollmarkern erweitern? Wann neue Technologien erforschen, um meine Aktionskarten durch alternative Möglichkeiten aufzubessern? Und welche Züge wären klug, damit ich endlich die Industrie-Karte auf die fünfte Position bugsieren kann, um so eine Stadt im Gebirge gründen zu können? Über diesem Puzzle zu hocken und zu grübeln macht meistens extrem viel Spaß und liefert auch schnell positive Ergebnisse, wenn man feststellt, dass ein Plan aufgegangen ist.
Unwägbarkeiten wie die konkurrierenden MitspielerInnen und vor allem die zufällig umherwandernden Barbaren existieren zwar, die Interaktion fällt aber nicht mehr ganz so direkt aus wie in der vorherigen Brettspieladaption. Dort zogen Armeen noch sichtbar über das Spielfeld. Jetzt bestimmt die Stärke der Militär-Aktionskarte die Reichweite der eigenen Truppen und damit, welche Barbaren, Stadtstaaten oder Städte angegriffen werden können. Das Kampfsystem ist simpel gehalten: Jeder würfelt und es gewinnt, wer unter Berücksichtigung weiterer Boni (Stärke der Militärkarte, Terrain des angegriffenen Ziels, Boni durch Weltwunder oder Kontrollmarker) den höheren Wert vorweisen kann. Das ist relativ simpel gehalten, sorgt aber leider auch kaum für Nervenkitzel .
Das Spiel ist zu Ende, sobald eine der teilnehmenden Zivilisationen auf jeder der drei ausliegenden Spielzielkarten je eine Agenda erfüllt hat. Dazu gehört etwa die Gründung von acht Städten, das Kontrollieren von zwei militärischen/wirtschaftlichen/kulturellen/wissenschaftlichen Weltwundern oder das Besiegen einer gegnerischen Hauptstadt.
Jeder Spieler versucht, diese Siegbedingungen so schnell es geht zu erreichen, da bleibt meist wenig Zeit für Diplomatie und Interaktion. Euro-Game-typisch entwickelt sich jede Zivilisation – trotz gemeinsamer, modularer Weltkarte – isoliert zu einem mächtigen Imperium. Und sobald das Ganze dann etwas an Fahrt aufnehmen würde, hat ein/eine SpielerIn schon alle nötigen Siegbedingungen erfüllt.
Überhaupt stellt sich sich immer wieder die Frage,was dieses Spiel mit Civilization zu tun hat. Sicher, das Artwork und diverse Mechaniken (Barbaren, Stadtstaaten, Weltwunder, Ressourcen etc.) fanden ihren Weg in das analoge Brettspiel, doch geschah das in sehr abstrahierter Form und es fühlt sich einfach nicht an wie das Videospiel. Das muss nichts Schlechtes sein, aber auch als reines Zivilisationsspiel, losgelöst von der Marke „Civilization“, überzeugt Ein neues Zeitalter nicht.
Ich tu mich sehr schwer mit einem Fazit für Sid Meier's Civilization: Ein neues Zeitalter. Einige Konzepte sind sehr gut, einige lassen mich völlig emotionslos zurück. Sie sind nicht sonderlich schlecht, aber sie überzeugen auch nicht vollends. Vielleicht ist meine Erwartungshaltung einfach eine andere gewesen, denn mein größter Kritikpunkt ist wohl doch, dass das Brettspiel zu stark vereinfacht wurde. Dadurch ging – für mich – etwas vom Civilization-Zauber verloren, das auch die tolle Aufmachung und die cleveren Aktionskarten nicht wettmachen können. In Zukunft werde ich wohl eher den Vorgänger wieder auf den Tisch bringen, der zwar deutlich komplexer ist und (noch) länger dauert, doch ist es in „Sid Meier's Civilization“ wenigstens möglich, Städte mit Atombomben dem Erdboden gleichzumachen. Hachja...
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Für 2 bis 4 Spieler in ca. 100 Minuten
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Fantasy Flight Games)