Ich muss gestehen, dass ich nicht immer auf der Seite der Guten stehe. Schon als Kind war ich Fan von Tom (und nicht von Jerry), habe mit dem Kojoten mitgefiebert, freute mich wenn Sylvester den blöden Tweety mal erwischt hatte und und und... auch beim Spielen ist es doch mal schön, auf der bösen Seite zu stehen oder? Und genau diesen Wunsch erfüllt uns nun Village Attacks aus dem Hause Blackfire/Grimlord Games, denn hier schlüpfen wir in die Rollen von Vampire, Geister und anderen Monstern und wehren uns gegen die gemeinen Dorfbewohner, die sich nun zusammengerottet haben, um uns endgültig zu vertreiben.
1-5 Spieler (Monster) ab 14 Jahren spielen kooperativ und versuchen mit allen Mitteln ihr Leben und das Schloss gegen den wilden Pöbel zu verteidigen. Dafür müssen "nur" so viele Dorfbewohner dran glauben, bis deren Moral gebrochen ist, aber Vorsicht: hat das Herz unserer Burg zu viel Schaden genommen, ist alles verloren.
Im Grunde handelt sich bei Village Attacks um einen Mix aus Dungeon Crawler und Tower Defense mit insgesamt 66 schönen Miniaturen. Jeder Spieler entscheidet sich für ein Monster. Zur Auswahl im Basisspiel stehen: ein Vampir, ein kopfloser Reiter (Dullahan), ein Untoter (Lich), ein Geist (Banshee) und eine Dämonin (Succubus). Die Monster haben unterschiedlich vorgegebene Rollen, so gibt es Wächter, Unterstützer und Dezimierer, wobei jede Rolle seine Vor- und Nachteile für bestimmte Bereiche beim Spiel mit sich bringt. Wichtig ist nur zu beachten, dass man maximal 1 Wächter und 1 Dezimierer wählen darf, alle weiteren Monster sollen Unterstützer sein. Im Basisspiel geht das auch nicht anders, aber mit den vielen Erweiterungen gibt es viele Möglichkeiten.
Danach wählt man eines der Szenarien, wobei die ersten fünf als Kampagne vorgesehen sind. Insgesamt gibt es 10, sowie vier weitere, für die man allerdings die "Horrors of the Sands"-Erweiterung benötigt.
Auf Basis des Szenarios legen wir nun die jeweiligen Raumteile, sowie ggf. Zustände für die Räume und für jeden Startpunkt der Dorfbewohner ziehen wir eine Dorfbewohnerkarte, die vorgibt, welche und wieviele Dorfbewohner sich dort zu Beginn befinden. Und schon kann es losgehen.
Eine Runde spielt sich insgesamt in drei Phasen, es fängt an mit der Monsterphase, in der reihum die Spieler, die sechs Würfel werfen. Hierbei gibt es auch sechs verschiedene Seiten, die ich euch kurz vorstellen möchte:
1.) Nahkampf (Angriffe im gleichen Raum/Zone)
2.) Fernkampf (Angriff gegen Gegner in angrenzenden Räumen)
3.) Magie (für Zaubersprüche und Heilung)
4.) Verteidigung (je Würfel mit dieser Seite kann man 2 Schäden blockieren)
5.) Konter (je Würfel kann ich einen Schaden, den ich erhalte, dem gleichen Gegner auch zufügen)
6.) Dorfbewohner (für jeden Würfel darf sich 1 Bewohner 1 Feld in Richtung Herz der Burg bewegen)
Habe ich die sechs Würfel geworfen, darf ich diese nur nochmal werfen, wenn mindestens drei die gleiche Seite zeigen und ich diese nicht nutzen möchte. Ich darf dann aber auch nur die Würfel mit der gleichen Seite neu werfen! Sobald jede Seite nur max. zweimal vorkommt, darf ich gar nicht mehr nochmal werfen.
Leider sind im Spiel tatsächlich nur diese sechs Würfel enthalten, da ich diese nun dem nächsten Monster gebe, merk ich mir noch nicht benutze oder in Reserve liegende Ergebnisse anhand von Plättchen, die ich auf meinen Charakterbogen platziere. Auf diesem Bogen steht alles wichtige zu meinem Monster, sowie ein toller Info/Flavor-Text. Als Info erhalte ich den Typen meines Monster, hier gibt es untot, mythisch, verflucht, arkan und dämonisch. Dies ist dann später in der Dorfbewohnerphase noch wichtig. Natürlich erfahre ich darüber auch meine Widerstandskraft, also wieviel Schaden ich einstecken kann. Wird dieser Schaden erreicht, verliert das Monster alles an Ausrüstung und Fähigkeiten und startet in der nächsten Runde im Herz der Burg, welches dadurch auch noch 2 Schaden nimmt. Auf dem Bogen gibt es auch noch den Wert für die Erfahrung, die das Monster sammeln muss, bis es eine Fähigkeit aufwerten darf bzw. Fähigkeiten neu entwickeln kann. Und wie schon erwähnt, Ablageflächen für die Würfelplättchen, die ich noch verwenden möchte, sofern noch nicht geschehen. Das betrifft vor allem Verteidigung und Konter im Bereich Abwehr. Dann gibt es noch Reserve für spätere Runden und Bewegung, in der ich alle Würfel bzw. Plättchen legen kann um meine Figur zu bewegen.
Die Kampf-Aktionen sind glaube ich klar, genau so wie die Bewegungen, die ich durchführen darf. Kleiner Einwurf noch zu Dingen, die ich sonst mit den Würfelergebnissen machen kann, so kann ich z.B. Fallen kaufen. Der Preis steht jeweils auf der offen liegenden Fallenkarte. Habe ich die entsprechenden Würfel abgegeben, kann ich nun die Falle in den Raum legen, in dem sich mein Monster befindet. Es ist dabei aber zu beachten, dass die Fallen vorgeben in welcher Art von Raum (es gibt Korridore, kleine Räume und große Räume) diese Falle gelegt werden darf UND es wird auch angezeigt gegen welche Art von Dorfbewohner, diese Falle funktioniert. Bei den Dorfbewohnern unterscheiden wir zwischen Bauern, Jägern und Stadthelden! Ich kann Würfelergebnisse aber auch nutzen um Monsterspezifische Fähigkeiten zu triggern, so fern vorhanden.
Ist es einem Monster gelungen Dorfbewohner zu töten, dann erhält er dafür Erfahrungspunkte, mit denen er sich neue Fähigkeiten kaufen kann oder bestehende Fähigkeiten aufwertet. Für Bauern und Jäger gibt es 1 Erfahrungspunkte, für Stadthelden 2 bzw. 3.
Haben alle Spieler dies durchgeführt geht es weiter mit der Dorfbewohnerphase. Zu Beginn dreht man am Dorfereignisrad, welches sich auf dem Spieltableau befindet. Je Monster im Spiel wird das Rad um eine Stelle weiter gedreht und die jeweiligen Szenarien geben vor bei welchem Wert ein Ereignis ausgelöst wird. Ist das der Fall wird die oberste Ereigniskarten gezogen und ausgeführt, meist natürlich zum Nachteil für die Monster... Danach greifen alle Dorfbewohner an, je nach Art des Dorfbewohners unterschiedlich stark und weit und abschließend bewegen sie sich alle in Richtung Herz der Burg.
Jetzt wird geprüft, ob ausliegende Fallen ausgelöst werden. Dadurch getötete Dorfbewohner bringen zwar keine Erfahrungspunkte, aber senken die Moral der Dorfbewohner, was häufig die Siegbedingung ist. Zu guter Letzt ziehen wir für jeden Startpunkt neue Dorfbewohnerkarten und platzieren diese dementsprechend.
Zum Abschluss einer Runde wird aufgeräumt und alle verbrauchten Fallen und Marker vom Spielplan geräumt. Würfel(-plättchen), die nicht in der Reserve liegen, werden ebenfalls von den Charakterbögen genommen und die nächste Runde startet.
Das ist mehr oder weniger schon der Ablauf des Spiels. Es gibt aber noch 2-3 Dinge, die ich kurz erläutern möchten, wie z.B. das Prinzip der gleichen Typen zwischen Dorfbewohner und Monster. Zu jedem Monster gibt es einen Stadthelden des gleichen Typs. Stadthelden sind zunächst besonders stark, haben spezielle Fähigkeiten und verursachen mehr Schaden, wenn sie das Monster des gleichen Typs angreifen. Das Monster wird quasi als seine Nemesis bezeichnet, anders herum gilt es übrigens auch. Töte ich als Monster einen Stadthelden gleichen Typs, erhalte ich 3 Erfahrungspunkte statt 2. Es gibt insgesamt 5 Stadthelden: Der Alchemist, Der Totengräber, Der Kopfgeldjäger, Skald (Wikinger-Dichter) und Der Exekutioner.
Auch Jäger spezialisieren sich auf bestimmte Monster-Typen, welche wird allerdings erst per Zufall entschieden, wenn sie ins Spiel kommen. Alle Monster, Stadthelden und Jäger bekommen den gleichen Farb-Ring um die Miniatur-Basis, so dass dies immer gut zu erkennen ist.
Wichtig find ich auch noch zu erwähnen, dass es im Spiel verschiedene Arten von Zuständen gibt, die entweder durch Ereigniskarten kommen oder im Szenario vorgegeben sind. So gibt es Zustände, die Monster (Bruch, Stille, Langsam, Verbrennung und Lähmung), Dorfbewohner (Lähmung, Verbrennung) und Zonen (Unheilvoll und Finsternis) betreffen können. Beim ersten Szenario z.B. gibt es zwei Räume, die den Monstern den Zustand "Verbrennung" geben. Monster mit Verbrennungen erleiden bei jeder Aktivierung automatisch 1 Schaden. Im Herz der Burg kann man sich dann wieder von Schäden und Zuständen durch Abgeben von Würfeln erholen bzw. befreien.
Dann gibt es noch die optionale Möglichkeit mit einem Tag & Nacht Modus zu spielen. Für diesen liegen auch noch spezielle Würfel bereit. Je nachdem ob Tag oder Nacht, spielt dies den jeweiligen Gruppen in die Karten und bringt somit Vorteile mit sich. Ebenfalls optional kann ich noch den Troll in den Ereignisstapel mischen, der auch nochmal einiges ins Rollen bringt, wenn er ins Spiel kommt.
Wie ihr euch denken könnt, gibt es noch ein paar weitere, kleine Regeln und Feinheiten, die hier aber den Rahmen sprengen würden. Apropos Rahmen sprengen: es gibt für Village Attacks einen Haufen an großen und kleinen Erweiterungen, die vor allem neue Monster und Stadthelden mit sich bringen, aber auch neue Möglichkeiten im Spiel wie z.B. die Sands of Horror Erweiterung, die in der Anleitung des Basis-Spiels gleich mit erklärt wird. Find ich persönlich eher unschön, dass man schon in der Anleitung darauf gestoßen wird, dass es diese Erweiterung gibt und was sie mitbringt, denn das bringt mir gleich das Gefühl, dass dieses Spiel nicht komplett ist. Genauso unschön ist es 4 Szenarien zu sehen, die man schlichtweg nicht nutzen kann, ohne diese Erweiterung. Erweiterungen sind ja ok, aber dann sollten diese Regelanpassungen und Szenarien, dann auch extra in der Erweiterung liegen und nicht im Basis-Spiel. Alles in allem erscheint mir die Flut an zusätzlichen Figuren aber ein wenig zu viel auf einmal, aber man merkt daran, dass das Spiel über Kickstarter seinen Weg in den Handel gefunden hat und dort ziemlich erfolgreich war.
Was sag ich zum Spiel selbst? Es macht Spaß gegen die Flut an Dorfbewohnern anzukämpfen und sich die richtige Taktik zu überlegen, um die jeweiligen Stärken und Schwächen der Monster zu berücksichtigen. Das Spiel ist fordernder als man zunächst denken mag, auch wenn die Szenarien sich nach und nach aufbauen und gerade die ersten fünf Schritt für Schritt neue Mechaniken mitbringen. So hat man im Szenario 1 keine Fallen, keine Dorfereignisse, die Dorfmoral und das Herz der Burg haben keine Werte, denn es geht darum das Grundprinzip zu verstehen. Aber selbst das ist knackig, denn Ziel ist es, jedes Monster einmal aufzuwerten und dann alle, sich bis dahin im Schloss befindlichen, Dorfbewohner zu töten. Verloren haben wir aber sobald ein Dorfbewohner das Herz erreicht hat und einer der beiden Startpunkte ist nur zwei Zonen weg vom Herz. Ihr seht, da muss auch das Würfelglück ein wenig mitspielen, denn wenn ich nur Konter und Verteidigung werfe oder gar die Dorfbewohner-Seite, habe ich kaum eine Chance sie vom Herzen fernzuhalten.
Aber ansonsten gefällt mir dieser gemächliche Aufbau innerhalb einer Kampagne sehr gut. Alle bieten insgesamt viele Stunden Spielspaß. Fans von Miniaturen, Tower Defense und kooperativen Spielen können auf jeden Fall ein Blick riskieren. Müssen sich aber dann doch erstmal durch die Anleitung kämpfen, die für mein Empfinden etwas konfus aufgebaut ist, zum Teil sind wichtige Informationen gefühlt ziemlich versteckt und gerade in den ersten Partien blättert man ziemlich viel hin und her, obwohl auf der letzten Seite noch eine Gesamtübersicht ist. Auch die Qualität des Materials ist nicht 100% super. Bei meinem Exemplar ist zum Beispiel eine Bauern-Figur nach vorne "gefallen" und würde beim Aufstellen auf dem Bauch liegen, zurückbiegen geht natürlich nicht, dann könnte sie von der Basis brechen, dass sollte bei einem Spiel im Wert von 80€ nicht passieren, auch die farbigen Basisringe gefallen mir nicht. Sie sind weich und flexibel, aber dennoch hakt es immer mal wieder beim befestigen, da hätten mir feste Ringe (wie bei Blood Rage) besser gefallen. Auch die Bodenteile aus Pappe biegen sich und liegen somit nicht schön auf dem Tisch, man kann es dennoch spielen, aber wie schon erwähnt, wenn ich so einen Preis aufrufe, dann muss auch abgeliefert werden...
Village Attacks bringt viele frische Ideen, wie z.B. die verkehrte Rollenverteilung, Tower-Defense mit Miniaturen und die Zuteilung von Monstern mit Dorfbewohnern durch die Ringe, was alles gut funktioniert, auch der kooperative Ansatz gelingt, nur mit einer gemeinsamen Taktik kann man den Massen entgegentreten, ansonsten wird man ganz schnell untergehen. Und zum Teil kann es wirklich SEHR voll werden, was aber auch so gewollt ist, so wird darauf zum Beispiel in der Anleitung eingegangen.
Ich würde das Spiel immer mitspielen und bei der richtigen Gruppe auch vorschlagen, aber ein wirklicher Dauerbrenner wird es nicht. Hat man die Szenarien durchgespielt, würde mich persönlich es nicht reizen noch viele Euros für weitere Monster und Stadthelden auszugeben. Ich bin mir nicht sicher, ob es auch Erweiterungen mit neuen Szenarien und Räumen gibt, das würde ich auf jeden Fall sinniger finden. Und wie schon erwähnt, ist es sehr schade im Basisspiel eine Erweiterung einzubinden, mich frustriert sowas eher, als dass es Lust macht, dies auch noch zu kaufen...
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Für 1 bis 5 Spieler in ca. 120 Minuten
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