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27.02.2019

Carpe Diem


Carpe Diem – Eine Wiese hält sich für das Imperium Romanum

„Seit Jahren habe ich mich in der römischen Armee hochgearbeitet, nur um endlich Anspruch auf ein größeres Stück Bauland zu bekommen. Dann habe ich endlich was ich will, und zu allem Übel, soll ich nun eine ideales römisches Viertel mitten auf einer grünen Wiese errichten. Weil es der Kaiser so will. Pah! Doch nicht nur das. Damit ich dann dieses Fleckchen Erde behalten darf, muss es auch noch besser gebaut sein, als die Viertel anderer neuer Bauherren. Bei Jupiter!“ flucht unser Händler, bevor wir uns in Carpe Diem daran machen das beste römische Viertel zu errichten.

!WARNUNG AN ALLE MIT LATINUM! Ich kann kein Lateinisch. Alle verwendeten lateinischen Phrasen dienen rein der Belustigung.

Genericus non romanum est. (Das Generische ist nicht römisch.) – Das Spielmaterial

Carpe Diem hat ordentliches und schönes Spielmaterial. Es gibt ein übersichtliches Spielbrett, auf dem Banderolen-Fortschritt angezeigt wird und die auswählbaren Plättchen ausliegen. Es gibt Plättchen für die verschiedenen Gelände und Gebäude, unterschiedliche Baugrundplatten, verschiedene Rahmenstücke, Holzmarker für Spieler und Handelswaren, Banderolen-, Gold- und Brot-Marker, sowie Siegpunk-, Auswertungs- und Brunnenkarten. Alles sehr übersichtlich, sprachneutral und schön (wenn auch nicht wunderschön) designed.

Einzig das Brot habe ich erst für getrocknete Orangen gehalten. Schwieriger war es auch Kräutergärten von Handwerker- oder Händler- von Bäcker-Häusern zu unterscheiden. Die Farbgebung war zu ähnlich. Einen Grund habe ich dafür nicht erkennen können. Und der selbe Fehler wurde bei der Rückseite der Plättchen gemacht. Diese sind aus regeltechnischen Gründen in grün und hellgrün unterteilt. Warum man sich für diese Farben und nicht für andere oder Symbole entschieden hat, hat sich mir jedoch nicht erschlossen. Die Unterscheidung der Plättchen macht aber zumindest spielerisch Sinn, doch auch hier hätte die Farbwahl besser ausfallen können.
Trotzdem hat Carpe Diem insgesamt ein gutes Design. Doch das Material hat mich auch dreimal verwundert.


1. Es hat keine Bezug zum Thema. Bis auf einen kleinen Teil des Spielbrettes und den Name der Spielfiguren „Patrizier“ gibt es nichts, was explizit auf das römische Szenario hinweist Alle Teile sind in der Vogelperspektive gestaltet. Hier verzichtet man auf künstlerische Freiheiten, wie isometrische Gebäude, damit das Spielmaterial einheitlich ist und vor allem die vielen Plättchen leichter zu handhaben sind. Grundsätzlich eine gute spielerisch gute Entscheidung. Trotzdem hätte man mit römischer Ikonographie arbeiten können. Bei den Feldern und dem Teich geht der Bezug dann vollständig verloren. Diese wirken meistens eher wie kleine Gärten oder Hinterhöfe, was dem Fakt geschuldet ist, dass man erkennen muss, wo ein Feld oder Teich beginnt bzw. endet. Würde man nur die Plättchen betrachten, könnte man nicht feststellen, ob es sich um Rom, das Mittelalter, die Renaissance oder ein Fantasy-Szenario handelt. Nur ein nicht europäisch angehauchtes Szenario ist ausgeschlossen. Das ist insgesamt schade und hätte vermieden werden können. Das Thema hätte künstlerisch stärker repräsentiert werden können.

2. Das Stadtviertel steht auf einer Wiese. Römer sind dafür bekannt, dass besonders in ihren Städten Straßen und Plätze aus Stein gebaut sind und generell dafür steinerne Platten verwendet zu haben. Es wirkt merkwürdig, fast germanisch, dass die Viertel komplett auf einer Wiese stehen. Denn der nicht-effektrelevante Teil jedes Plättchens ist eine Wiese. Dadurch wirkt unser Viertel nicht nur weniger römisch, sondern auch weniger zu einer Stadt zugehörig, als eher zu einem Dorf, fast wie ein Hobbit- oder Germanendorf.

3. Es gibt merkwürdige Materialien: Banderolenmarker, hölzerne Warenmarker und Siegpunkte-Karten. Mal davon abgesehen, dass die Banderolenmarker und die Siegpunkte-Karten ein sehr generisches Design bekommen haben (die Banderole ist einfach eine Schriftrolle, die aus unerfindlichen Gründen nicht Schriftrolle heißt und die Siegpunkte sind goldene Zahlen, umgeben von einem Lorbeerkranz – was zumindest römisch ist), hätte man beides leicht einsparen können.
Ich mag Kramer-Leisten (Leisten zur Anzeige von Siegpunkten), wenn die Siegpunkte nur gezählt werden müssen und sonst keine weitere Funktion oder Einsatzmöglichkeiten haben. Die generischen Siegpunktekarten hätte man sich so ganz einfach sparen können. Zumal diese nicht den Eindruck machen, besonders hochwertig produziert worden zu sein. Und für die Banderole-Punkte, gibt es eine Kramer-Leiste, aber auch Banderolen-Marker.
Diese sind etwas unsinnig. Grundsätzlich sind auf jedem Baugrundfeld Banderolen markiert. Was diese da machen und was das genau mit dem römischen Szenario zu tun hat, wird nicht erklärt. Zumindest die Mechanik dahinter ist gut und erlaubt. Doch dazu komme ich erst im nächsten Abschnitt.


Am Beginn jedes Spiels wird nun auf jede Markierung ein Banderolenmarker gelegt. Sobald ein Plättchen auf ein Feld mit einem solchen Marker gelegt wird, kommt dieser weg und man bewegt seinen Spielstein auf der Banderolenpunkteleiste einen Schritt nach vorn. Mehr nicht. Sicherlich könnte man die Plättchen behalten, um zu prüfen, wie viele Felder man maximal schon vorgerückt sein kann, aber mehr auch nicht. Diese hätte man sich ebenfalls sparen können.
Dafür hätten ein paar hölzerne Warenmarker mehr echt geholfen. Schon bei 2 Spielern fast alle Warenmarker auf beide Spieler aufgeteilt. Das man in den Regeln angehalten wird, ausgegangene Marker einfach durch andere Dinge zu ersetzen, weil Marker theoretisch nicht ausgehen können, vermittelt zusätzlich den Eindruck, dass hier Produktionskosten gespart werden sollten.

Aber warum sind die Warenmarker überhaupt aus Holz? Sie wirken weder besonders hochwertig, noch hätten andere Materialien aus Holz sein müssen. Weder der Patrizier noch die Spieler-Marker hätten aus Holz sein müssen. Wären diese Marker einfach alle aus Pappe gewesen, hätte man diese schöner gestalten und mehr Warenmarker in die Packung legen können. Das hätte nicht so einen leicht knauserigen Eindruck hinterlassen. Vor allem, weil man sich die Aufforderung in den Regeln hätte sparen können.
Sicherlich sind das alles keine totalen Einbrüche im Design und den Materialien selbst. Diese sind zweckdienlich, ordentlich und ok. Nur eben nicht super schön, außergewöhnlich oder bis zuletzt durchdacht. Schade, denn das eigentliche Spiel ist da besser.

Alea defacto non iacta est! (Die Würfel sind noch nicht gefallen!) – Das Spiel

Das Design vermag nicht besonders zu überzeugen und unterstützt vielleicht eher das Klischee, dass Szenarien bei den meisten Euro Games austauschbar sind. Das Spiel vermag aber schon.


Grundsätzlich handelt es sich bei Carpe Diem um ein gutes Plättchen-Lege-Spiel, was eine Kreuzung aus „Burgen von Burgund“ und „Carcasonne“ darstellt. Jeder Spieler bekommt zu Beginn des Spiels zufällig einen Bauplan oder Baugrund zugeteilt. Der Unterschied bei den Bauplänen liegt vor allem in der markierten Startposition für das erste Plättchen und den Markierungen für die Banderolen. Diese Unterschiede sind wichtig, damit die Banderolen überhaupt Sinn machen. Diese bestimmen, wie früh ein Spieler am Ende eines Durchgangs Punkte erhalten kann. Des Weiteren erhalten alle Spieler 4 zufällig Ränder, welche zu einem Rahmen um den Bauplan gelegt werden können. Jeder Rand verteilt Siegpunkte, wenn bestimmte Gebäude oder Gelände, über bestimmte Reihen oder Zeilen abgeschlossen gebaut sind. Beide Elemente haben 2 Vorteile: 1. Sie erhöhen leicht die Wiederspielbarkeit. 2. Sie geben den Spielern Anreize, wie und welche Plättchen sie legen sollten, ohne den Spieler zu stark einzuschränken. Außerdem erhält man, ab einem Spiel mit 3 Spielern, Siegpunkte in Abhängigkeit von der Startposition. Der Startspieler erhält am Wenigsten.

Auf dem Spielplan selbst gibt es 7 Felder, auf denen jeweils 4 Plättchen ausliegen. Die Feldern sind in einem Heptagramm (ein siebenzackiger Stern) angeordnet. Am Beginn seines ersten Zuges positioniert man seinen Patrizier an einem der 7 Felder und nimmt sich dann ein Plättchen seiner Wahl. Ab dem zweiten Zug, darf ein Spieler seinen Patrizier nur an ein Feld stellen, welches durch eine Linie direkt mit dem Feld des vorherigen Zuges verbunden ist. Stellt man seinen Patrizier nun an ein leeres Feld, darf man zum nächsten verbundenem Feld springen. Diesen Vorgang darf man so lange wiederholen, bis der Patrizier an einem Feld mit wenigstens einem Plättchen steht. Diese Mechanik ist aus meiner Sicht die schlechteste des gesamten Spiels. Man kann damit weder besonders kontrolliert anderen Spielern, die Plättchen verwehren, die sie benötigen, noch ist sie für einen selber sinnvoll. Manchmal zwingt sie die Spieler dazu unpassende Plättchen zu nehmen oder sehr früh anderen Spielern Plättchen wegnehmen zu müssen, da man selbst sonst dazu keine Gelegenheit mehr hat. Und mit dem ersten leeren Feld beginnt sich diese Mechanik auch noch selber auszuhebeln. Dafür, dass hier ein so zentrales Spielelement damit gesteuert wird, ist diese Regel sonderbar unüberlegt. Das ist besonders schade, da Carpe Diem mit einer guten Auswahlmechanik aus der Masse hätte heraus stechen können. Da hilft es auch nicht, dass man mit Broten dafür bezahlen kann, gleich auf ein Feld seiner Wahl zu springen. Das hinterlässt eher den Eindruck, dass man die schwache Auswahlmechanik zu kaschieren versucht.

Hat ein Spieler sich für ein Plättchen entschieden, wird dieses auf den eigenen Baugrund gelegt. Dabei muss das erste Plättchen auf die mit der goldenen Schaufel markierten Stelle gelegt werden und jedes weitere Plättchen passend daran angelegt werden. Ein Plättchen ist passend angelegt, wenn a) alle Seiten zu den Seiten der anliegenden Plättchen passen (z.B. darf Wiese nur an Wiese gelegt werden oder Kräuterfeld nur an noch offene Kräuterfelder) oder b) die unpassenden Seiten am Rand anliegen.


Prinzipiell kann mit jedem abgelegten Plättchen ein Effekt ausgelöst werden. Dabei unterscheiden sich die Effekte in der Größe und Art der Gebäude. Backstuben, Brunnen und Märkte sind nur ein Plättchen groß. Durch die Backstube erhält man 1 Brot, durch den Markt 1 Gold und durch den Brunnen zwei Karten von denen man eine behalten darf. Diese sind bis zum Ende des Spiels verdeckt und verteilen zusätzlich Siegpunkte am Ende des Spiels. Des Weiteren gibt es Handwerker, Händler, Bäckereien und Verwalter. Diese Gebäude bestehen jeweils aus zwei Plättchen genau. Der Handwerker erlaubt es sofort ein weiteres Plättchen aus einer gesonderten Leist zu wählen und ausspielen, welche nie aufgefüllt wird. Der Händler tauscht alle eigenen Waren gegen die gleiche Menge Gold + 1. Die Backerei gibt dem Spieler 2 Brote und der Verwalter ermöglicht es sofort 2 Schritte auf der Banderolenleiste vorzurücken. Außerdem gibt es Felder für Kräuter, Hühner und Wein, Teiche für Fisch und Wohnhäuser. Diese müssen alle mindestens 2 Felder groß sein und haben einen Effekt in Abhängigkeit von ihrer Größe. Während die ersten 4 einfach eine der 4 Handelswaren erzeugen (Größe des Feldes/Teichs – 1) erhält man am Ende des Spiels Siegpunkte nach Anzahl der Schornsteine (ein Schwarzes Quadrat im Dach) auf abgeschlossenen Wohngebäuden.

Insgesamt ermöglichen diese Gebäude grundlegend verschiedene Strategien. Will ich früh Brunnen bauen, um mich an deren Bonuspunkten zu orientieren? Will ich lieber große Felder anlegen um viel von einer Ware zu erhalten? Will ich viele kleine Felder haben um bessere Wertungen abschließend zu können und vielleicht mehr Punkte durch meine Ränder zu erhalten? Nehme ich mir di Backstube, um noch an das eine Plättchen zu kommen, dass ich unbedingt benötige? Oder baue ich lieber große Wohngebäude, um dadurch viele Siegpunkte zu erhalten?

Ein wichtiger Orientierungspunkt für die eigene Strategie sollten dabei die Wertungskarten sein. Ist die Plättchenauslage leer, endet ein Durchgang und alle Spieler dürfen, in der Reihenfolge, wie sie auf der Banderolenleiste liegen, einen Marker zwischen 2 Wertungskarten legen. Diese bestehen aus einer Bedingung und einer Belohnung. Kann man eine Wertungskarte nicht erfüllen, verliert man jedoch 4 Siegpunkte. Grundsätzlich werden Waren oder Gebäude bewertet, so oft man die angegebenen Wertungskriterien hat. Wird z.B. eine Weintraube und einmal Kräuter verlangt, um 3 Siegpunkte zu bekommen, kann man 6 oder 9 oder mehr Siegpunkte erhalten, wenn man entsprechend viele Weintrauben und Kräuter abgeben kann. Bei Waren besteht die Besonderheit, dass man jede Ware durch Gold ersetzen kann. Auch hier, so oft man will. Das gilt auch für Gold, dass man gerade erst durch Wertungen erhalten hat. Manche Wertungskarten zählen abgeschlossene Gebäude oder die Schornsteine auf dem eigenen Baugrund. Auch hier kann man die Bedingung mehrfach erfüllen, muss aber die gewerteten Gebäude oder Schornsteine nicht abgeben.


Ist eine Markierung zwischen 2 Wertungskarten belegt, darf diese nicht erneut belegt werden. Auch werden die belegten Wertungen nur in der aktuellen Wertungsphase berücksichtigt. In späteren Wertungsphasen spielen diese keine Rolle.

Das Wertungs- und Punktesystem stellt aus meiner Sicht den besten Teil von Carpe Diem dar. Von Beginn an hat man verschiedenen Herangehensweise, kann später auch noch gut die Strategie wechseln und kann sowohl mit kurzfristigen Aktionen, als auch mit langfristigen Plänen das Spiel beeinflussen.

Quid Imperium Romanum? (Warum das Römische Reich?) – Das Fazit

Carpe Diem ist ein gutes Spiel in einem generischen Szenario. Dieses wird so wenig behandelt, dass man es auch getrost hätte vergessen können. Ein offeneres, weniger thematisches Szenario, wie z.B. eine mittelalterliche Stadtgründung oder ähnliches, hätte nicht so einen blöden Beigeschmack gehabt.

Das Spiel selber ist durchaus spielenswert. Clevere Kombinationen, verschiedene Strategien und einen relativ geringen Glücksanteil, laden zum wiederholten Spielen ein. Unter den Lege-Spielen ist es eines der besten. Nur ein Manko kann man dem Spiel an sich ankreiden: Es fehlen Interaktionsmöglichkeiten mit den Mitspielern. Umso besser ist es für Gelegenheitsspieler und Familien geeignet.

Wer also das Szenarion nicht so wichtig für ein Spiel findet, gute Mechaniken und wenig Konfliktpotenzial mag sollte hier unbedingt zugreifen. Wer auf komplexere Spiele und mehr Interaktionen steht, sollte lieber den Tag nutzen und etwas anderes spielen.

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Carpe Diem von Stefan Feld
Erschienen bei Ravensburger
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 60 Minuten
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Ravensburger)