Aufmerksame Leser dieses Blogs haben vielleicht auch meine Rezension zum offiziellen Alien vs. Predator Brettspiel gelesen. Dort verleihe ich meiner Enttäuschung deutlichen Ausdruck, dass es die Macher leider so überhaupt nicht geschafft haben ein halbwegs interessantes Spiel auf tolle Grundvoraussetzungen (tolle Lizenz und tolle Miniaturen) zu stülpen. Warum erzähle ich Euch das? Ganz einfach. Alone ist genau das, was ich von Alien vs. Predator erwartet habe und gehört definitiv zu einem meiner spielerischen Highlights der letzten Zeit auf dem Gebiet der Dungeoncrawler.
Der Name ist in Alone Programm - zumindest für einen der am Spiel beteiligten Personen. Alone ist ein Dungeoncrawler nach Definition, in dem es zu entdecken gilt, Monster auszulöschen und es gibt einen Dungeonmaster (oder bis zu drei). Dabei bricht Alone ganz bewusst als eines der Grundkonzepte mit dem klassischen Archetyp des Dungeoncrawlers „mehrere Helden und ein Bösewicht“, indem es die Heldenseite alleine spielen und gegen eine Gruppe von Dungeonmastern antreten lässt.
Wie Ihr daraus nun sicherlich logischerweise erkennen könnt, gibt es bei Alone dann auch nicht eine klassische Rollenverteilung in der Heldentruppe - sprich Nahkämpfer, Supporter, Zauberer - da es eben keine Gruppe gibt. Es gibt nur einen Helden, der ohne Erinnerungen in einer dunklen Raumstation aufwacht und fortan versuchen muss diese Stück für Stück zu entdecken und Missionen zu erledigen. Dabei sieht der Heldenspieler immer nur genau das, was er sehen kann. Ist es dunkel, ist das erstmal nur das eigene Feld. Anfangs bin ich also erstmal völlig orientierungslos. Ganz anders ergeht es dabei den Bösewichtern. Sie haben den kompletten Dungeon (welcher sich auch über zwei Etagen aufteilt) hinter einem Sichtschirm im Blick und wissen genau hinter welcher Ecke sich ein Monster versteckt oder eine Falle installiert ist. Ihre Aufgabe ist es denn Held in eine Falle zu locken. Sie bewegen Monster auf ihrem Plan, bringen neue aufs Feld und legen Gefahrenmarker, welche eine Art Falle darstellen.
Das klingt nun erstmal sehr mechanisch. Alone punktet aber durch seine hautenge Verwobung von Mechaniken und Thema. Bewegt sich ein Monster nämlich im Dungeon, müssen die Dungeonmaster die Himmelsrichtung angeben, aus welcher das Geräusch kam. Der Heldenspieler sieht das Monster ja noch nicht. Er weiß auch nicht, welches Monster es sein könnte. Ein dicker Brocken oder nur ein kleiner Hüpfer? Auch weiß er nicht, wie nah es ist. Muss er sich auf einen Kampf vorbereiten? Sollte er lieber diese Tür verriegeln? Ihr seht, worauf das hinausläuft. Der Heldenspieler fühlt sich im wahrsten Sinne des Wortes Alone Und er hat Angst. Problem in Alone ist nämlich, dass die Monster ebenfalls nicht wie in einem 0815-Dungeoncrawler pures Heldenfutter sind, sondern alle recht gefährlich, sodass jedes davon eine Gefahr darstellt. Insbesondere wenn es dunkel ist. Es gilt also möglichst schnell einen Lichtschalter zu finden und damit die Voraussetzungen zu verbessern. Denn auch hier wurde Thema und Mechanik in Alone toll verwoben. Bei Dunkelheit sind die Monster stärker, bei Licht der Held.
Ein weiteres tolles Element in Alone ist die Furcht. Wird der Held von einem Monster überrascht (d. h. erscheint es plötzlich auf dem Spielplan aus einem bisher unentdeckten Gang), dann verliert der Held an geistiger Gesundheit. Wieder eine tolle Verbindung von Mechanik und Thema. Warum kann das nicht jedes Spiel so elegant lösen?
Was sind denn nun aber die Waffen des Helden? Nunja. Jede Runde stehen diesem eine bestimmte Anzahl an Aktionsmarkern zur Verfügung, welche er nacheinander ausgeben kann. Dabei kann er sich ganz klassisch bewegen, angreifen, interagieren etc., aber auch entdecken. Die Zeit ist der Feind des Heldenspielers, denn nach einer gewissen Spieldauer, wird er wahnsinnig und verliert jede Runde massig an zusätzlicher Energie. Das hat spielmechanisch zur Folge, dass der Held nicht immer den sicheren Weg gehen darf; sprich entdecken, dann laufen, sondern auch oft blindlings in den dunklen Korridor stürzen muss. Doof nur, wenn da ein Monster steht. Genau das nutzen natürlich die Bösewichter aus. Sie stellen den Heldenspieler vor ausweglose Situationen und schlagen dann erbarmungslos zu.
Doch wie agieren die bösen Spieler eigentlich? Nach jeder Aktion des Helden haben sie die Möglichkeit anhand von Handkarten zu reagieren. Monster bewegen, Monster spawnen, angreifen etc. Wir kennen diesen Mechanismus beispielsweise aus The Others von CMON. Je mehr die bösen Spieler reagieren, umso weniger neue Gefahren dürfen sie am Ende einer jeden Spielrunde neu platzieren. Jede Bewegung muss also hier gut geplant sein. Ein weiteres Tool im Werkzeugkasten des Helden sind die Adrenalinmarker, die dem Helden jede Runde nur begrenzt zur Verfügung stehen, aber mit zunehmender Verwundung mehr werden. Sie erlauben Doppelzüge des Helden in wichtigen Momenten. Ein Beispiel: Der Held läuft in einen Raum. Da er zuvor ein Geräusch gehört hat, vermutet er hinter der zweiten geschlossenen Tür ein Monster. Er blockiert sicherheitshalber die Tür. Richtig und ein Fehler zugleich, wie sich gleich herausstellt. Aus der Dunkelheit hinter ihm erscheint ein Monster, was ihm den Rückweg blockiert. Er ist im Raum gefangen. Das Adrenalin schießt ihm ins Blut. Läuft er mit einer normalen Aktion zurück aus dem Raum, hat das Monster alle Zeit der Welt ihn anzugreifen und zusätzlich noch Verstärkung zu rufen. Er entschließt sich also sein Adrenalin zu nutzen und aus dem Raum zu rennen, am Monster vorbei in die Dunkelheit. Er erleidet nur einen Streifschaden vom perplexen Monster. Diese Momente sind es, die Alone herrlich thematisch werden lassen und zugleich die Spieler vor so interessante Entscheidungen stellen. Herrlich.
Alone bietet noch mehr. Das suchen von Gegenständen ist ein wesentlicher Bestandteil für den Held. Diese sind allerdings auch nur begrenzt nutzbar, sodass jeder Einsatz der Taschenlampe beispielsweise genau geplant sein will, da sie sonst im entscheidenden Moment den Geist aufgibt. Das Erledigen der Missionen selbst bleibt dabei eher im Hintergrund. Man weiß, dass man zu bestimmten Räumen muss. Sie zu finden ist das Problem. Richtig, die Orientierungslosigkeit des Helden. Hier kommt noch ein wesentlicher Bestandteil für die „gute Seite“ ins Spiel. Alone beinhaltet ein Memoryanteil, der nicht zu unterschätzen ist. Am Ende einer jeden Runde werden nämlich so gut wie alle bereits ausgelegten Räume wieder entfernt, sodass ich mir schlichtweg merken muss, wo es wo lang ging, wo welche Monster standen, als ich sie zuletzt gesehen habe und wo welcher Lichtschalter war. In Alone kommt ich nämlich nich selten wieder zurück an die bereits gefundene Stelle. Was Alone hier schafft ist für mich bisher auf dem Gebiet der Brettspiele einzigartig. Es schafft eine dichte Atmosphäre. Ich fühle mich in der Heldenposition einsam, verängstigt und angespannt. Ich zittere vor jeder meiner Aktionen. Kann ich hier sicher langgehen? Wo ist der verdammte Missionsraum? (gut, dass ich per Aktion einen Radar einschalten kann, der mir zumindest die Distanz ansagt und ich mich orientieren kann).
Die Rolle der Bösewichter ist weniger thematisch, sondern eher strategischer Natur. Bis zu drei Spieler müssen sich so beraten, dass sie selbst wissen, wovon sie reden und zweitens der Heldenspieler keine zusätzlichen Infos bekommt. Die Natur der mehreren Bösewichter ist zwar interessant, Alone würde sich aber vermutlich genau so gut als reiner Zweier spielen. Alone ist äußerst thematisch, innovativ, spannend bis zum Schluss für den Heldenspieler. Alone ist aber auch eher klassisch, bei Zeiten unaufgeregt und bürokratisch für den Bösewicht. Alles in allem ist Alone aber einzigartig in seinem Bereich und schafft die Verbindung von Thema und Mechanik zu jeder Zeit. Empfehlung.
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Alone von Andrea Crespi und Lorenzo Silva
Erschienen bei Horrible Games
Erschienen bei Horrible Games
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 120 Minuten
Boardgamegeek Link
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Horrible Games)