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23.11.2018

Root


Root gehört definitiv zu einem der super gehypten Spiele der letzten Zeit. Bei Kickstarter finanziert und nun in aller Munde. Wird es dem Hype gerecht? Ich habe es mir genauer angeschaut und verrate Euch natürlich auch, ob ich Passagier des Hype-Trains bin, oder ob dieser an mir vorbei gefahren ist.

Die Geschichte in Root könnte auch gut Stoff für einen neuen Disney-Film sein. In einem Wald wurde das edle Vogelvolk der Eyre von der aufstrebenden Marquis de Cat vertrieben, die nun brutal und erbarmungslos den Wald beherrscht. Sägewerke werden errichtet, der Wald für die eigenen Bedürfnisse abgeholzt und massig Katzenkrieger werden auf Patrouille geschickt, um den Besitz zu sichern.
Zu einer jeden guten Geschichte gehört in dieser Art aber auch der wiedererstarkte Erzfeind (die Eyre), der sich aufmacht, um sich zu rächen und die ursprünglichen Machtverhältnisse wieder herzustellen, aber auch eine Allianz im Untergrund (Unterholz), die die einfachen Waldbewohner still und heimlich vereint, um den Tyrann zu stürzen.
…. und der Vagabund darf natürlich auch nicht fehlen. Der einsame Wanderer, der durch die Wälder streift auf der Suche nach Ruhm und Reichtum.


Gut. Die Hintergrundstory von Root hätten wir somit schon einmal erklärt. Die Basisbox kommt mit eben jenen eben vorgestellten vier Fraktionen, die sich mit der bereits erschienenen Erweiterung um zwei weitere Fraktionen erweitern lassen. Die Erweiterung lassen wir aber in diesem Text außen vor. Trotzdem gut zu wissen, dass es sie gibt. Sie hat nämlich ein Händlervolk (Biber) und einen Kult (Eidechsen).

Ich bin Euch aber noch den Bogen zum Disney-Film Vergleich schuldig. Root spielt, wie es bereits angeklungen ist, im Wald. Wir sind allesamt Tierwesen (Katzen, Vögel, Waschbären oder Mäuse) und bekamen eine echt knuffige Zeichnung spendiert, die auch gut in jedem x-beliebigen Kinderbuch bei den Kleinsten gut ankommen würde. Das nimmt dem eigentlich sehr erwachsenem und ernsten Thema (Rebellion, Aufstand, Unterdrückung) gehörig die Schärfe und transportiert das Thema eher in ein unterhaltsames Setting. Mir persönlich gefällt die grafische Gestaltung an dieser Stelle äußerst gut - auch wenn sie mich sehr oft an die Zeichentrick-Sendung „Happy Tree Fans“ erinnert.

Spielerisch ist Root kein leichter Happen, wie es vielleicht die grafische Gestaltung vermuten lässt. Wer den Vorgängertitel des Verlages „Vast“ kennt, weiß, dass der Verlag Leder Games auch für völlig asymmetrische Spiele steht. Asymmetrie in Spielen ist stets eine Herausforderung, da es nicht immer einfach ist, die Balance zwischen den Fraktionen zu behalten. In seinem spirituellen Vorgänger Vast ging der Autor jedoch einen Schritt weiter und perfektionierte den Gedanken der Asymmetrie in Spielen soweit, dass nicht nur die Fraktionen unterschiedliche Fähigkeiten hatten, sondern auch mehr oder weniger ihr völlig eigenes Spiel spielten mit unterschiedlichen Zugabläufen, unterschiedlichen Siegbedingungen, unterschiedlichen Wirkungsweisen auf die mitspielenden Charaktere. Das dies bei Vast gelang, kann getrost bis heute als ein kleiner Brettspielmeilenstein gelten. 


Die Probleme eines solchen Systems wie bei Vast lagen aber auf der Hand - eine erhebliche Einstiegshürde. Um das System vollends zu erfassen, musste nicht nur jeder die Spielregeln seiner eigenen Fraktion erlernen, sondern auch die Spielregeln sämtlicher im Spiel befindlicher Parteien, denn nur so konnte man überhaupt erahnen, was die Mitspieler zu tun im Stande waren. Vielleicht beseelt von dieser Kritik, kommt nun Vast mit einer Art Rückschritt im System selbst. In Root selbst spielen sich die Fraktionen nunmehr weiterhin äußerst asymmetrisch, aber diverse Grundkonzepte wurden vereinheitlicht und bilden eine Art gemeinsamer Pool für alle Mitspieler. Das erleichtert den Einstieg enorm, sodass der eben genannte „Rückschritt“ als eher positiv zu bewerten ist und mehr als eine Art „Anlauf“ zu verstehen ist, um das Konzept des Verlages auf ein neues und besseres Niveau zu heben. Meiner Meinung nach großen Anteil daran hat der Designer Cole Wehrle, welcher eben nicht der Designer des Vorgängers Vast war, sondern neu dazugestoßen ist, um das System auf eine spielbarere Ebene zu heben. Dies ist ihm gelungen.

Einer der Grundkonzepte in Root sind nunmehr die Siegbedingungen, welche vereinheitlicht wurden. War es in Vast noch für jede Fraktion höchst individuell, wie sie sich den Sieg schnappen konnte (Drache muss entkommen, Goblins müssen Ritter töten, Ritter muss Drachen töten, Höhle muss einstürzen etc.), kommt in Root die gute alte Siegpunktleiste zum Einsatz. Das Spiel endet (fast immer) sobald eine Partei 30 Siegpunkte erzielt hat. Das hat zwar zur Folge, dass die einzelnen Bedingungen nicht mehr ganz so thematisch wirken, wie sie es vielleicht bei Vast noch waren, nun aber deutlich greifbarer und überblickbarer sind. Man kann sehr gut sehen (und das wirklich im wörtlichen Sinne), wie weit eine Fraktion auf der Leiste vorgerückt ist. Das ist insofern auch wichtig bei einer solchen Art von Spiel, da es von Zeit zu Zeit sehr wichtig ist, gemeinsam gegen eine Fraktion vorzugehen, um sie am Davonziehen zu hindern.


Ein weiteres vereinheitlichtes Grundkonzept ist der Kampf, welcher in Root zwar stark vereinfacht mit einem doppelten Würfelwurf (zeigt Schaden an) dargestellt wird, aber durchaus seinen Zweck erfüllt und sich für mich gut ins restliche Spielgefühl einfügt, ohne es zu überladen. Schnell, präzise und auf den Punkt. Gespielt wird zudem auf einem Spielbrett. Bei Vast konnte sich die Karte zuerst entwickeln (in einer Version übernimmt sogar ein Spieler die Rolle der Karte/Höhle). Bei Root spielen wir im Wald, welcher sich in verschiedene Lichtungen und Waldstücke aufteilt (Flüsse kommen erst mit der Erweiterung zum Zuge). Die bereits zu Beginn vollkommen offen ausliegende Karte gibt Root im Vergleich zu Vast einen strategischen Ansatz. Das kommt dem Spiel an dieser Stelle auch zu Gute, da Root (und hier liegt vielleicht auch einer der großen Unterschiede) im Vergleich zu Vast eine Art Kriegsspiel ist, während ich Vast eher als eine Art Abenteuerspiel bezeichnen würde. Wer die COIN-Serie von GMT Games kennt (ansonsten gerne meine Rezensionen zu Andean Abyss und Pendragon lesen), der versteht vielleicht meinen Vergleich dazu, wenn ich sage, dass Root eine Art „COIN Light“ ist.


Insgesamt ist der Einstieg bei Root noch immer höher als bei den üblichen Neuheiten des Jahres. Trotz gemeinsamer Konzepte spielen sich die Fraktionen noch immer höchst unterschiedlich und verändern das Spielgefühl auch je nach Konstellation unterschiedlich stark. Die Katzen spielen sich dabei noch am intuitivsten. Ihre Aufgabe ist es eine Art Infrastruktur im Wald aufzubauen, Gebäude zu produzieren und diese mit ihrer zahlenmäßigen Übermacht an Einheiten zu beschützen. Die Siegpunkte, welche durch den Bau von Gebäuden erzielt werden, steigen dabei zwar langsam aber kontinuierlich an. Das Volk der Vögel hingegen muss in die Offensive gehen. Hauptantriebsmotor und Fluch zugleich ist deren Aktionsmechanismus, der aus einer Kartenprogrammierung besteht, die zu Beginn einer Runde abgegeben wird und danach stumpf abzuarbeiten ist. Schaffen die Vögel dies, bauen sie im Laufe einer Partie immer größer werdende Siegpunktsprünge auf. Scheitert die Programmierung (oder lassen sie andere Spieler scheitern) kommt es zu einer Revolution und zu einem derben Siegpunktrückschlag.

Die Rebellenallianz und der Vagabund agieren zunächst im Untergrund, und versuchen ein klein wenig ihr eigenes Spiel durchzuziehen, indem sie Sympathie im Wald streuen und versuchen Revolten anzuzetteln, bzw. durch den Wald zu streunern, Quests zu erledigen und Gegenstände mit den Fraktionen zu tauschen. Eine weitergehende Darstellung der Regeln der einzelnen Fraktionen ginge an dieser Stelle einfach zu weit.


Das System von Leder Games hat sich mit Root im Vergleich zu Vast weiterentwickelt. Gemeinsame Konzepte erleichtern den Einstieg und der Verständnis zu den Gegnerparteien und dennoch fasziniert die funktionierende Asymmetrie im Spiel, welche durch ein tolles Thema und eine optisch äußerst ansprechende grafische Gestaltung punktet. Dennoch braucht Root Zeit. Viel Zeit. Gerade in unserer heutigen Brettspielzeit muss ein Spiel bei vielen schnell zünden. Tut es das nicht, wird es schnell wieder auf den Stapel gelegt und eine weitere der unzähligen Neuheiten ausgekramt. Viele Spieler werden Root dabei nicht den Rahmen geben, den es braucht und meiner Meinung nach auch verdient. Root erfordert Disziplin es immer und immer wieder zu spielen und am besten auch mit einer festen Spielegruppe. Durch die Verzahnung der Fraktionen werden Neulinge am Tisch direkt bestraft. Nicht allein, da sie selbst mit der Einstiegshürde zu kämpfen haben, sondern auch weil für die erfahrenen Mitspieler am Tisch der bekannte Spieler am Tisch fehlt, der eben leider genau wissen muss, was in einer Spielsituation zu tun ist, sobald jene oder diese Fraktion folgendes macht. Root ist wie eine Art Melodie und wir sind die Musiker im Orchester. Nicht nur die Melodie muss erlernt werden, nein, auch das Zusammenspiel unter den Musikern. Tanzt einer dabei aus der Reihe, kann eine zuvor bereits einstudierte Melodie wieder an Eleganz verlieren und erfordert erneutes Training diese wieder zu verfeinern.


Root bleibt somit also ein Nischenprodukt, das mich oft mit seinen wunderbaren Konzepten begeistert hat, aber stets den Anschein erweckt hat, dass man noch nicht alles aus dem Spiel rausgeholt hat. Man merkt den Fortschritt. Mit jeder Partie in der festen Gruppe wird das Spielgefühl runder und eleganter. Ich habe aber immer das Gefühl, dass ich noch nicht am Ende angelangt bin, von dem was Root zu bieten hat. Das ist einerseits ein gutes, nein, ein wunderbares Signal. Es beweist, dass Root tiefgründig, fein konzipiert und vermutlich eines der besten Konzepte der letzten Jahre im Bereich der Brettspiele ist; es offenbart seine Schönheit jedoch erst nach unzähligen Partien und lässt den Spieler sehr oft mit einem Gefühl zurück, dass „mehr“ geht. Und mit „mehr geht“ möchte ich keine Enttäuschung ausdrücken. Seht es vielmehr als Aufruf an Euch Root zu spielen. Nehmt Euch aber eine feste Gruppe und Zeit.
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Root von Cole Wehrle
Erschienen bei Leder Games
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 75 Minuten
Boardgamegeek Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Leder Games)