Wir befinden uns im Jahr 1501 im alten Japan. Wir und drei unserer besten Freunde treffen sich nach erledigter Arbeit in der örtlichen Pabu (Kneipe), um Sake zu trinken, Karten zu spielen und uns zu erholen. Da wir weder Zeit noch Lust auf ein kompliziertes Spiel haben (sonst könnte man auch Go spielen), spielen wir seit Wochen Zipang und halten unsere Spielergebnisse auf einer einfachen Schriftrolle fest. Was uns so lange an der Stange gehalten hat und welche Spielmaterialien nicht der Packung beiliegen, verrate ich euch erst nach dem Sepuko einer Runde Sake in meinem Mund.
Vorbereitung – Schnell und einfach
Zipang besteht aus 14 verschiedene Karten, von denen es nur einige Karten mehrmals gibt. Die Karten haben ein eigenes Format. Damit ist es zwar schwieriger Hüllen für die Karten zu erhalten, aber eine Deckbox braucht man nicht. Die Verpackung ist passgenau auf die Größe der Karten zugeschnitten und auch die Regel sind gefaltet, ähnlich groß, wie eine Karte. Zusätzlich gibt es noch Münzen. Diese sind aus verstärkter Pappe und pragmatisch designt.
Am Beginn der Vorbereitung werden je nach Anzahl der Spieler (2 – 6) ein paar Karten entfernt. Teilweise verschwinden damit Karten komplett aus dem Spiel, zum Teil aus Balance-Gründen, zum Teil aber auch, weil Ihre Effekt bei kleineren Spielerzahlen keinen Sinn machen.
Der Aufbau der Karten ist dabei denkbar einfach. Links haben wir eine Schriftrolle mit dem Namen, darunter die Kampfstärke und darunter die Ehre der jeweiligen Karte. In der Mitte wartet ein altertümliches Gemälde aus Japan. Hier wird immer eine Figur abgebildet. Nur beim Kaiser nicht, da diesen kein Sterblicher anschauen darf. In einem Kartenspiel gilt das genauso. (DER FLUCH DES TENNOS WIRD JENE FINDEN, DIE ES WAGEN SEIN GÖTTLICHES ANTLITZ ZU ERBLICKEN!) Unter jeder Figur steht noch ein flotter passender Spruch.
Um die Vorbereitung zu beenden werden alle Spielkarten gemischt, jedem Spieler zwei Karten zugeteilt, Münzen gegeben, eine Kartenübersicht verteilt und eine Münze für den zentralen Pool abgenommen.
Und hier entzweien sich die alten Samurai an einer Stilfrage: Sollten die Effekte jeder Karte auf der Karte stehen oder ist es nicht viel schöner, dass die Effekte auf einer gesonderten Karte stehen? Theoretisch bin ich immer dafür, dass die Effekte auf der Karte stehen. In diesem Fall sind diese Effekte aber so einfach, dass man diese so schnell auswendig gelernt hat, wie die Effekte von „Mau-Mau“. Das die Designer sich hier für den Stil entschiedenen haben erhöht die Atmosphäre und Immersion der einzelnen Karten enorm.
Was sofort bei der Vorbereitung auf fällt: Das einfache Design von Karten und Effekten ermöglicht es das Spiel sehr schnell zu lernen. Bereits am Ende des Aufbaus hat man eigentlich schon die wichtigsten Regeln und Abläufe des gelernt. Viel Taktische Tief darf man im Umkehrschluss aber auch nicht erwarten.
Das Spiel – Der einfache Krampf eines Duells
Zipang spielt sich enorm einfach. Jeder Zug läuft nach dem gleichen Schema ab: Der aktive Spieler zieht eine Karte vom zentralen Nachziehstapel, hat damit drei Karten auf der Hand und spielt dann eine oder zwei Karten aus. Je nach Karte und Anzahl der Spieler benennt er noch ein Ziel. Anschließend wird die Karte abgehandelt.
Das sorgt für einen wunderbaren Spielflow und eine hohe Abfolge einzelner Runden. Eine lange Wartezeit gibt es schon im ersten Spiel nicht. Dafür sorgen auch die einfachen und ähnlichen Effekte.
Diese sind alle fast selbsterklärend, bis auf den Angriff. Beim Angriff muss der verteidigende Spieler die gesamte Kampfstärke seiner beiden Karten mit der Kampfstärke der eingreifenden Karte vergleichen. Ist der Verteidiger stärker oder gleichstark, passiert nichts. Ist der Angreifer stärker, verlässt der Verteidiger die Runde. Er darf aber seine Handkarten behalten, wenn er will.
Anschließend muss der ehemalige Verteidiger nun warten bis die Folge von Runden, genannt Kampagne, auf eine von drei Arten beendet ist:
1. Nach einem erfolgreichen Angriff ist nur noch ein Spieler im Spiel.
2. Es sind keine Karten mehr im Nachziehstapel.
3. Der Kaiser wird gespielt.
In jedem Fall erhält der Gewinner den zentralen Pool an Münzen als Siegesprämie.
Bei Variante 2 und 3 wird vorher noch der Gewinner bestimmt werden. Hierfür kommt der Ehre-Wert der Karten zum Zug. Spieler addieren die Werte ihrer beiden Karten zusammen und der Spieler mit dem höchsten Wert gewinnt. Anschließend legen alle Spieler ihre Karten ab.
Hat ein Spieler gewonnen, werden alle abgelegten Karten gemischt und neuverteilt. Damit beginnt eine neue Kampagne. Einzige Änderung: Hat ein Spieler keine Münzen mehr, bekommt er keine neuen Karten und muss warten bis der Gesamtsieger ermittelt wurde.
Doch genau in diesem schrittweisen Rauswerfen einzelner Spieler liegt die Tücke des Spiels. Denn man kann auch Münzen verlieren, wenn man aus einer Kampagne ausgeschieden ist. Wehren kann man sich dann nicht. Überhaupt gibt es wenige Möglichkeiten in Zipang sich gegen den Effekt einer Karte zu wehren oder diesen zu blocken. Einzig der Mönch macht dies möglich oder die geballte Angriffskraft meiner Karten, wenn ich Glück habe. Gerade in Spielen mit vielen Spielern hat man dieses Glück extrem selten. Das nimmt dem Spiel seine Taktik. Die Effekte, fühlen sich wie fast unabwendbare Ereignisse an.
Ist man erstmal ausgeschieden kommt noch ein weiteres Problem hinzu. Es dauert extrem lange einen endgültigen Sieger zu ermitteln. Dieser Eindruck wird durch die schnellen einzelnen Runden und Kampagnen sogar noch verstärkt.
Und das Spiel führt erfolgreiche Spieler immer zu seiner schwächsten Form: Zipang mit zwei Spielern. Denn zu zweit ist das Spiel entweder extrem schnell zu Ende. Zum Beispiel ist man kurz vor dem Sieg und verliert einfach, weil der andere Spieler einem einfach jede Runde mehrere Münzen klauen konnte. Oder man verliert einen Kampf oder Ehre-Vergleich nachdem anderen. Wobei das wenigstens noch zu einem schnellen Ende führen würde. Startet man Zipang nicht mit zwei sondern drei, vier oder mehr Spielern, sind so viele Münzen im Spiel, dass man das klassische Krieg- und Frieden-Patt erreicht. Einzelner Sieg ist irrelevant. Entscheidend ist es konstant am Stück zu gewinnen. Durch die fehlen taktischen Möglichkeiten ist das jedoch nicht planbar und mach diese Phase extrem zäh. Hat man das Spiel mit zwei Spielern begonnen, wird das Spiel zwar immer noch vom Zufall entschieden, aber es dauert nicht so lang und man kann häufiger Effekte abwehren.
Aus meiner Sicht ist das Spiel am besten mit drei bis vier Spielern. Einerseits gibt es genug verschiedene Karten, um das Spiel interessant und einiger Maßen taktisch zu halten. Andererseits sind so wenig Münzen im Spiel, dass man das Ende in einigen Minuten, statt einigen Stunden, erreichen kann.
Fazit – Einfach heißt nicht immer gut.
Zipang ist ein schnelles Spiel. Es fühlt sich ähnlich an, wie Uno, Mau-Mau oder Rommé. Kurze knappe Regeln, noch weniger Taktik, als die genannten Spiele, einfache Effekte und schnelle Runden. Es ist super für Einsteiger, kann gut mit kleinen Kindern, auf Familientreffen oder neben einer anderen Aktivität (z.B. beim gemeinsamen Lauschen eines Podcastes oder beim Serien bingen) gespielt werden.
Zipang ist aber auch ein Zufallsgenerator, der fast ohne jeglichen Anspruch auf Taktik oder Strategie funktioniert. Es kann sich in die Länge ziehen, ohne dabei richtig Spannung zu entwickeln und bietet auch in langen und/oder großen Runden keinen erhöhten Anspruch.
Am Ende bleibt die ernüchternde Einsicht, dass Zipang in der Riege der einfachen Karten-Ablege-Spiele, das schlechteste Spiel ist. Der Zufallsfaktor ist zu groß und die Partien zu lange. Spiele mit kleinen Gruppen fühlen sich zu banal an und Spiele mit großen Gruppen langweilig. Wer mehr als einen Nachmittag mit seinen Kindern oder seiner Familie füllen will, dem rate ich von Zipang ab. Allen anderen wünsche ich viel Spaß.
P.S.: Das fehlende Etwas
Es gibt aber zwei Spielmaterialien, die Zipang dennoch zu einem kurzen Spaß für zwei oder drei Abende machen können: guter Sake (Empfehlung: aus Hiroshima) und eine hübsche Spielstandstabelle, wo man Münzen, Stärke, Ehre und Promille am Ende des Spiels eintragen kann. Zumindest mit der Tabelle hätte man leicht etwas Ehrgeiz bei den Spielern erzeugen können. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den Ablege-Primus Hexen.
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Erschienen bei Engine ID
Für 2 bis 6 Spieler in ca. 15 Minuten
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